Nur "Ja" soll beim Sex "Ja" heißen: Kommt jetzt das Konsensprinzip?

Hat sich das Opfer gewehrt? Hat es klar und deutlich gesagt, dass es das nicht will? Hat es geweint?
Fragen wie diese sind derzeit entscheidend, wenn es um die strafrechtliche Verfolgung sexueller Übergriffe geht. Ein Grund, weshalb Anzeigen in den allermeisten Fällen im Sand verlaufen (siehe Kasten unten).
Diese Diskrepanz wollen Justizministerin Anna Sporrer und Frauenministerin Eva-Maria Holzleitner (beide SPÖ) bis Jahresende im Rahmen des „Nationalen Aktionsplans gegen Gewalt an Frauen“ angehen. Das Prinzip „Nein heißt Nein“, das seit 2016 in Österreich gilt, soll umgedreht werden und künftig „Nur Ja heißt Ja“ lauten.
Umgedreht wird damit – vereinfacht gesagt – die Beweislast: Während derzeit das Opfer nachweisen muss, dass es abgelehnt hat, soll künftig der Beschuldigte nachweisen müssen, dass sein Gegenüber zugestimmt hat.

Auch ohne Gegenwehr
Begegnen will man damit einem Phänomen, von dem viele Opfer sexueller Gewalt berichten: dem „Freezing“. Menschen (betroffen sind freilich nicht nur Frauen) können, wenn sie von einer sexuellen Annäherung „überrumpelt“ werden, in eine Art Schockstarre fallen, sich dann nicht mehr artikulieren und schon gar nicht wehren. Sie lassen es still über sich ergehen – was auch in längerfristigen Beziehungen vorkommen kann, ganz ohne Gewalt oder Drohungen.
- § 201 Vergewaltigung
Wer mit Gewalt, Freiheitsentzug oder Drohung zum Beischlaf oder einer gleichzusetzenden Handlung nötigt, dem drohen (je nach Schwere) zwei Jahre bis lebenslange Haft.
1.751 Anzeigen und 129 Verurteilungen gab es 2024.
- § 205a Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung
Wer eine Person gegen deren Willen zum Beischlaf oder einer gleichzusetzenden Handlung nötigt (auch ohne Gewalt), dem drohen bis zu zwei Jahre Haft.
508 Anzeigen und 43 Verurteilungen gab es 2024.
- § 120a Unbefugte Bildaufnahmen („Upskirting“)
Wer Bilder von z. B. Genitalien, Brust oder Unterwäsche ohne Einwilligung erstellt, dem drohen bis zu sechs Monate Haft bzw. eine Geldstrafe.
360 Anzeigen und 13 Verurteilungen gab es 2024. Übrigens kein großstädtisches Phänomen: Von fünf Verurteilungen im 1. Halbjahr 2025 waren eine in Wien, eine in Ried, eine in Bludenz und zwei in Salzburg.
Justizministerin Sporrer geht es nicht nur darum, sexuelle Gewalt strafrechtlich besser greifbar zu machen und die Verurteilungsquote zu steigern, sondern auch darum, Frauen zu bestärken – zu „empowern“ – und damit den nächsten logischen Schritt in Richtung sexueller Selbstbestimmung zu gehen, wie sie im KURIER-Gespräch erklärt.
Ein Beispiel dafür, dass solche Verschärfungen bewusstseinsbildend sein können (auch, wenn es verhältnismäßig wenig Verurteilungen gibt), ist das Upskirting-Verbot: Die Zahl der Anzeigen, weil jemand heimlich unter den Rock oder in den Ausschnitt fotografiert haben soll, ist massiv gestiegen – von 132 im ersten Jahr auf 360 im Jahr 2024.
Strafrecht setzt Grenzen
Diesen Effekt erhofft sich Sporrer auch vom Dickpic-Verbot, das vor der Sommerpause im Parlament beschlossen wurde und ab 1. September gilt. „Männer sollen sich bewusst sein, dass solche Übergriffe kein Spaß sind, sondern dass es Grenzen gibt, die strafrechtlich geschützt sind.“
Der FPÖ, die in der Plenardebatte kritisierte, man würde junge Männer kriminalisieren, die bloß eine Dummheit begehen, legte die Justizministerin ans Herz, sie möge doch in ihren Burschenschaften eine Informationskampagne starten.
Vorbilder in der EU
Unklar ist noch, wie das „Nur Ja heißt Ja“-Prinzip gesetzlich verankert werden soll. Vorbilder gäbe es genug: In 14 Ländern der EU wurde das Konsensprinzip schon umgesetzt. Zuletzt hat das Parlament in Norwegen mit großer Mehrheit dafür gestimmt. Demnach ist vor sexuellen Handlungen die ausdrückliche Zustimmung aller Beteiligten nötig – durch Worte oder eindeutiges Verhalten. Gewalt, Drohung oder Wehrlosigkeit sind keine Voraussetzung mehr für die Erfüllung des Tatbestands der Vergewaltigung.
Ob es eine so weitreichende Änderung auch in Österreich geben wird, ist fraglich. Eine Option wäre, den Paragrafen 205a im Strafgesetzbuch („Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung“) zu ändern. Darin wurde 2016 das „Nein heißt Nein“-Prinzip legistisch erfasst. Demnach ist zu bestrafen, wer „gegen den Willen“ einer Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende Handlung vornimmt.
Die Passage könnte geändert werden auf „ohne vorherige Zustimmung“. Auf diesen Straftatbestand drohen bis zu zwei Jahre Haft – sofern die Tat nicht die Kriterien für eine schwerere Straftat wie Vergewaltigung erfüllt (durch Gewalt, Drohung oder Freiheitsentzug).
Wie die Zustimmung aussehen soll, ist noch unklar. Bei der Frage, ob es eine schriftliche Einverständniserklärung braucht, hat Frauenministerin Holzleitner kürzlich im KURIER-Interview abgewunken. Es brauche sich niemand fürchten, denn: „In einem guten Miteinander sollte es üblich sein, dass man fragt, ob es ok ist, diesen Schritt gemeinsam zu wagen.“
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