Im Streit um das wichtige Ministerium wird überlegt, dieses aufzuteilen. Was aus rechtlicher und praktischer Sicht dagegen spricht – und warum Konflikt vorprogrammiert ist.
Es wirkt wie eine „salomonische Lösung“, die FPÖ und ÖVP gerade im Streit um das so wichtige Innenministerium überlegen: Dieses könnte demnach aufgeteilt werden – die FPÖ würde ein eigenes Ministerium für Asyl und Migration bekommen, während die Polizei und der Staatsschutz bei der ÖVP bleiben.
Ganz so einfach ist es freilich nicht. Fachleute bezweifeln, dass sich die Asylagenden herauslösen lassen. Und selbst wenn, würde es schnell zu Konflikten kommen.
Ein blauer Migrationsminister würde zwar das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bekommen, müsste sich für die Umsetzung der Bescheide – etwa bei Außerlandesbringungen – und für jede Grenzschutz-Aktion Polizeibeamte vom türkisen Innenminister „ausleihen“ – um nicht zu sagen: „betteln gehen“.
„Zwei gleich starke Parteien“
Wie berichtet, hat FPÖ-Chef Herbert Kickl diese Woche seinem Gegenüber Christian Stocker eine Liste vorgelegt, die für die ÖVP nicht akzeptabel war. So beansprucht die FPÖ unter anderem das Finanz- und das Innenministerium für sich. Eine Forderung, der Kickl dann noch via Facebook-Posting Nachdruck verliehen hat.
In der ÖVP war man empört, fühlte sich (wieder einmal) gedemütigt. Verhandlungen sollten auf Augenhöhe geführt und die Ressortaufteilung ausgewogen sein, hieß es – inklusive der Erinnerung, dass die FPÖ bei der Wahl zwar auf Platz 1 kam, die ÖVP aber nur zwei Prozent hinter ihr lag. Im Ö1-„Mittagsjournal“ am Samstag zeigte sich Wirtschaftskammer-Generalsekretär Wolfgang Hattmannsdorfer sogar noch selbstbewusster und sprach von „zwei gleich starken Parteien“.
Wissend, dass die Verhandlungen an diesem Punkt scheitern könnten, ging die ÖVP am Freitag einen Schritt auf die FPÖ zu: Sie überlässt ihr das Finanzministerium. Wohl in der Hoffnung, dass die FPÖ ihr im Gegenzug das Innenministerium gönnt.
Offiziell hat die FPÖ bis Samstagabend nicht darauf reagiert, hinter den Kulissen heißt es aber, dass eine Aufteilung eine Option wäre. Für die Blauen ist Asyl das Kernthema – ob nun im Wahlkampf oder in den Bundesländern, wo sie schon mitregiert.
Und auch in ÖVP-Kreisen wird darauf verwiesen, dass es ja in mehreren Ländern Europas schon Migrationsminister gibt, etwa in Dänemark (siehe Bild).
Wie das Modell für Österreich aussehen könnte, ist freilich offen. Die Parteien wollen erst am Montag offiziell weiterverhandeln.
Minister in Stein gemeißelt
Allerdings könnte der blaue Traum vom Migrationsminister recht schnell platzen. Aus einschlägigen Juristenkreisen wurde dem KURIER folgender Einwand zugetragen: Man kann einem Innenminister keine Aufgaben wegnehmen, weil er als einer der wenigen Minister in der Verfassung verankert ist (im Artikel 78a).
Damit wurden auch jene Agenden, die er zum damaligen Zeitpunkt – 2012 – hatte, für ihn reserviert. Sprich: Genau so, wie der Innenminister damals aufgestellt war, will ihn der Gesetzgeber haben. Mindestens, denn Aufgaben dazubekommen könnte er schon.
Diese sogenannte „Versteinerungstheorie“ wird häufig bei Streits um die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern angewendet. Gut möglich, dass sie auch in Bezug auf die Kompetenzen im Innenministerium greifen könnte, meint EU-Rechtler Walter Obwexer.
Abgesehen davon spreche aus seiner Sicht dagegen, dass die Themen Asyl und Migration stark mit dem Sicherheitsthema verknüpft sind – und „oberste Sicherheitsbehörde“ ist eben der Innenminister (auch das steht im Artikel 78a). „Ein Migrationsminister, der sein Amt umfassend betrachtet, würde relativ schnell in einen Kompetenzkonflikt mit dem Innenminister geraten“, sagt Obwexer.
Auch, was Abstimmungen auf EU-Ebene betrifft. Ein Beispiel: Die ÖVP hat sich in Brüssel zum EU-Asylpakt bekannt, bei der FPÖ steht im Wahlprogramm, dass sie den EU-Asylpakt ablehnt.
Den Hinweis, dass es in Dänemark ja auch einen Migrationsminister gibt, lässt Obwexer übrigens nicht gelten: „Dänemark hat keinen Artikel 78a in der Verfassung.“
Das Innenministerium war in der Zweiten Republik immer eines der wichtigsten Ressorts. Nicht nur, dass es der Angelpunkt für fast alle Fragen der Sicherheit ist und auch noch die Asyl- und Migrationsagenden dazugekommen sind. Die jeweiligen Minister nahmen in den Regierungen immer auch zentrale Positionen ein. Weiters ist es mit der Polizei (derzeit 32.000) eines der personalintensivsten Ministerien.
Bis zum Jahr 2000 war das Ministerium eine Domäne der SPÖ. Namen wie Oskar Helmer, Franz Olah, Karl Blecha oder Franz Löschnak stehen für diese Zeit. Der letzte rote oberste Polizeichef war Karl Schlögl.
Der Umbruch erfolgte im Jahr 2000 unter der damals schwarz-blauen Regierung. Kanzler Wolfgang Schüssel hatte seinen Parteikollegen Ernst Strasser als ersten ÖVP-Innenminister eingesetzt. Der begann auch sofort, alle zentralen Stellen neu zu besetzen, was unter den roten Polizeigewerkschaftern zu einem Aufstand führte. In seiner Zeit wurden auch Gendarmerie und Polizei zu einem Wachkörper zusammengelegt.
Seither ist das Ressort fest in schwarzer bzw. türkiser Hand (siehe rechts). Mit Liese Prokop, Maria Fekter und Johanna Mikl-Leitner stellte die ÖVP auch drei Ministerinnen. Im Jahr 2018 wich der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz von der ÖVP-Tradition ab und überließ Herbert Kickl (FPÖ) das Ressort. Der wollte die Führungsebene ebenfalls umbauen, wurde 2019 aber durch die Ibiza-Affäre gestoppt.
Die Innenminister zählten übrigens nie zu den beliebtesten Regierungsmitgliedern. Ihnen wurde immer sofort angelastet, wenn durch verschiedenste Vorfälle die Sicherheit in Gefahr war.
Wie effizient ist so ein Konstrukt?
Verfassungs- und Verwaltungsjurist Peter Bußjäger glaubt ebenfalls, dass sich die Agenden schwer aufsplitten lassen und so etwas wohl nicht effizient wäre. Das „Effizienzprinzip“ und der Grundsatz der Sachlichkeit sind auch Prüfmaßstab für den Verfassungsgerichtshof, wenn jemand auf die Idee käme, die Aufteilung anzufechten.
Ein Gegenargument lautet, dass bei Strafverfahren ja auch zwei verschiedene Ministerien (Inneres und Justiz) zusammenarbeiten. Die Polizei führt Ermittlungen, Hausdurchsuchungen und Einvernahmen für Staatsanwälte durch. Bußjäger winkt ab: „Die Zuarbeit der Polizei für die Justiz gibt es seit jeher. Beim Asylthema aber würde man eine gewachsene Struktur auseinanderreißen.“
Aus Praxis-Perspektive wendet Lukas Gahleitner-Gertz von der Asylkoordination ein: „Eine Aufsplittung hätte zur Folge, dass Asylverfahren verkompliziert und verlängert werden. ÖVP und FPÖ würden genau das verhindern, was sie vorgeben, erreichen zu wollen: schnelle Verfahren, konsequente Abschiebungen.“
Übrigens wollte König Salomon in der Bibelgeschichte ein Kind, um das zwei Frauen gestritten haben, in zwei Teile schneiden lassen. Die wahre Mutter verzichtete. Aus Liebe zum Kind.
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