FPÖ und ÖVP geben sich noch eine Chance

Christian Stocker, Herbert Kickl, Arnold Schiefer
Für Optimisten unter den Verhandlern „steht es spitz auf Knopf“, für Pessimisten „ist es vorbei“. Nachdem die Koalitionsverhandlungen am Dienstag rund um die Besetzung der Ministerposten aus dem Ruder gelaufen waren, versanken FPÖ und ÖVP bis Donnerstagnachmittag immer tiefer im Strudel von Missverständnissen, Argwohn und gegenseitigen Schuldzuweisungen. Nur um dann zu vereinbaren: Es wird weiterverhandelt.
Wann die Gespräche zwischen den Parteichefs bzw. den Chefverhandlern konkret fortgesetzt werden, wurde vorerst noch nicht kommuniziert. Laut APA-Informationen nach sollte es jedenfalls noch diese Woche soweit sein, vermutlich bereits am Freitag.
Van der Bellen sagt Besuch bei Damenabfahrt ab
Bundespräsident Van der Bellen hat indes - offenbar wegen der Koalitionsverhandlungen - einen für Samstag geplanten Besuch der Damenabfahrt bei der Ski-Weltmeisterschaft in Saalbach abgesagt, wie die Kleine Zeitung berichtete. In der Präsidentschaftskanzlei bestätigte man auf APA-Anfrage lediglich die Absage, äußerte sich aber nicht näher zu den Gründen.
Rückblende: Dienstagabend wurden die Gespräche auf Chefebene unterbrochen, nachdem FPÖ-Chef Herbert Kickl seinem Gegenüber Christian Stocker seine Vorstellungen für die Verteilung der Ministerien vorgelegt hatte. Demnach beansprucht die FPÖ das Innen- sowie das Finanzressort, weiters die EU- und Medienagenden für das blau geführte Kanzleramt.
Für die ÖVP unannehmbar
Ein für die ÖVP unannehmbarer Vorschlag. Zu groß wäre die Machtfülle der FPÖ, die bei der Wahl nur zwei Prozent vor den Türkisen gelandet war. Hinzu kommen schwere inhaltliche Bedenken. Allen voran, dass die FPÖ, der die Türkisen Russland-Nähe vorwerfen, mit dem Innenministerium die Kontrolle über den Geheimdienst DSN bekommt.
Kickl bekräftigte seine Forderungen. Allerdings nicht diskret im persönlichen Gespräch mit Stocker, sondern via Facebook – was bei der ÖVP für massive Irritation sorgte.
Diese sollten sich am Donnerstag noch verstärken: Die ÖVP gab bekannt, der FPÖ ein Gegenangebot unterbreitet zu haben. Darin bekräftigte sie noch einmal ihre Positionen. Im Falle einer Regierungsbildung mit der FPÖ müssten drei Grundsätze eingehalten werden: die Souveränität Österreichs gegen Einflussnahme aus dem Ausland, die konstruktive Rolle Österreichs in der EU und der Erhalt „unserer liberalen Demokratie und unseres Rechtsstaates“.
Dies – so die ÖVP – müsse sich auch bei der Ressortverteilung widerspiegeln. Heißt übersetzt: weiter ein Nein zu einem FPÖ-Innenministerium sowie zu EU- und Medienagenden in blauer Hand. Unklar bleibt, in welchen Punkten ÖVP und FPÖ einander entgegenkommen können.
Was insofern aber ohnehin irrelevant sein könnte, da die FPÖ bestreitet, besagtes Gegenangebot von der ÖVP überhaupt erhalten zu haben. Es habe lediglich ein „atmosphärisches Gespräch zwischen zwei Mitgliedern der Chefverhandlergruppe“ stattgefunden. Man warte daher immer noch auf die Antwort auf Kickls Vorschlag.
Wer ist aufgestanden?
Damit nicht genug: FPÖ und ÖVP streiten inzwischen auch in aller Öffentlichkeit, wer an diesem Dienstagabend – an dem zufällig der Angelobung der ÖVP-FPÖ-Regierung vor 25 Jahren in Form von lautstarken Demos gedacht wurde – als erster vom Verhandlungstisch aufgestanden sei.
Die ÖVP betont, es sei Kickl gewesen, der die Gespräche unterbrochen habe. Stimmt nicht, kontert die FPÖ: Kickl habe Stocker die Ministerliste unterbreitet, dieser habe daraufhin interne Beratungen angekündigt und sei gegangen.
Zuletzt verlagerte sich das Geschehen wieder einmal in die Hofburg. Noch am Mittwoch wurde Stocker zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen geladen. Über den Inhalt des Gesprächs wurde Stillschweigen vereinbart. Offiziell wurde zunächst nicht einmal bestätigt, dass es überhaupt stattgefunden hat.

Herbert Kickl unterwegs zum Treffen mit Van der Bellen
Donnerstag war dann Kickl in der Hofburg. Nach dem einstündige Treffen und einem Telefonat mit Stocker meldete er sich diesmal nicht via Facebook, sondern klassisch per Aussendung: „Die auf Chefverhandler-Ebene zuletzt unterbrochenen Gespräche mit der ÖVP zur Bildung einer Bundesregierung werden ehebaldigst fortgesetzt.“ Ausgang ungewiss.
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