Klimaschutz: Planlos weiter bis 2030

Klimaschutz: Planlos weiter bis 2030
Verkehr & Transport. Forscher kritisieren, dass bislang keine Prozesse entwickelt wurden, um Klimaziele zu erreichen

Möchten Sie deutlich mehr für ihren Verbrenner-Pkw zahlen und gleich auch höhere Spritpreise? In Österreichs Städten grundsätzlich auf Autofahren verzichten? Mittelstrecken – also Rom, Berlin, Paris oder London – nur mehr mit der Bahn bereisen, was die Reisezeit von zwei bis vier Stunden auf gut zwölf Stunden erhöht?

Auch nach Mallorca nur mehr mit der Bahn zum Beispiel bis Genua fahren und dann mit einem Fährschiff übersetzen? Und vor Langstreckenflügen, wenn überhaupt, teure „Verschmutzungsrechte“ erwerben?

Nein?

Dann darf es niemanden wundern, wenn auch die Politik untätig bleibt. In keinem anderen Bereich ist die Angst der Politiker vor dem Wähler so groß wie beim Klimaschutz. Bisher wurde vermieden, konkrete und sinnvolle Maßnahmen zu präsentieren – aus Sorge, damit Wählergruppen (etwa Pendler oder Vielflieger) zu brüskieren. Die Gruppe jener, die Klimaschutz als wichtig erachtet, wird immer größer – und auch das sind Wähler, die befriedigt werden wollen.

Schweden besteuert

Im Verkehrsbereich wird das Problem besonders deutlich: Während EU-Klimaschutz-Primus Schweden bereits ebenso Steuern auf Energie und Kohlendioxid einnimmt – wie auch eine geringe Flugsteuer, die einen Flug von Schweden nach Österreich aktuell mit rund 5,70 Euro belastet –, kann Österreich nichts dergleichen vorlegen.

Klimaschutz: Planlos weiter bis 2030

Da mag es auch nicht verwundern, dass Sonntagabend beim ORF-Format „Im Zentrum“ (bis auf den Grünen Werner Kogler) kein einziger Politiker mit einer klaren Klimaschutzagenda im Studio Platz genommen hat.

Auch Ex-Klimaschutzministerin Elisabeth Köstinger hatte abgesagt. Und es gibt von keiner der drei großen Parteien einen Plan, wie Österreich seine Klimaschutzziele bis 2030, 2040 oder 2050 einhalten soll.

Allerdings sind Köstinger und Ex-Verkehrsminister Norbert Hofer die einzigen, die bereits etwas abliefern mussten. Fünf Maßnahmen stehen in der aktuellen Strategie, die an Brüssel gesandt wurde:

- Stärkung des öffentlichen Verkehrs

- Ausweitung des Fußgeher- und Radverkehrs

- Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene

- Mobilitätsmanagement für Betriebe und Gemeinden Forcierung der E-Mobilität im Individualverkehr.

Strategiepapier

Wie das gehen soll? Vor allem durch Förderungen, aber auch durch „Bewusstseinsbildung“. Mehr steht im türkis-blauen Strategiepapier nicht. Entsprechend kritisch wird das auch die EU-Kommission in ihrer Bewertung sehen.

„Die Beamten, die das erstellt hatten, legten ja extra einen Sideletter bei, um darauf aufmerksam zu machen, dass mit diesen Maßnahmen die Klimaschutzverpflichtungen nicht eingehalten werden können“, erklärt Karl Steininger vom Wegener Center der Uni Graz im KURIER-Gespräch.

Klimaschutz: Planlos weiter bis 2030

„Was definitiv fehlt, ist die Entwicklung eines Prozesses, der zu einem Ergebnis führen kann, den man auch umsetzen kann“, erklärt Steininger. „Andernfalls werden wir nicht weiterkommen. Die Politik schreckt immer vor Einzelmaßnahmen zurück, weil immer irgendwer betroffen ist.“

Steiningers Forschungsgruppe erarbeitet gerade ein Strategiepapier für den Verkehrssektor. Was er jetzt schon verraten kann: Angelpunkte sind eine ökologische Steuerreform samt -Abgabe, eine Optimierung der Raumordnung, ein Ausbau des grünen Verkehrs (zu Fuß, Rad, Öffis) und ein Ende der geringen Dieselbesteuerung.

UN-General Guterres bittet EU, Klimaziele deutlich zu erhöhen

55 statt 40 Prozent. UN-Generalsekretär António Guterres hat die Staaten der Europäischen Union dazu aufgerufen, ihre Klimaschutzziele drastisch zu verschärfen.

Statt des Ziels, die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent (im Vergleich zu 1990) zu reduzieren, sollen die EU-Staaten nun mehr als die Hälfte – 55 Prozent – der Emissionen einsparen.

„Ich zähle auf Sie, einmal mehr, hier Leadership zu übernehmen“, erklärte der Portugiese in einem Brief an die EU-Staats- und Regierungschefs.

Damit übernimmt der UN-Generalsekretär im Grunde nur die Forderung der Wissenschaft, was jetzt  passieren muss, damit die Welt auch nur annähernd die 1,5°- bzw. 2°-Klimaschutzziele erreichen kann.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres mahnt die Weltgemeinschaft

Dass Guterres vorerst nur die Europäer in die Pflicht nimmt, hat zudem eine traurige Logik: Mit den USA ist unter Präsident Donald Trump auf nationaler Ebene ein rationaler Partner beim Klimaschutz verloren gegangen (die USA sind sogar aus dem Pariser Klimaschutz-Abkommen ausgestiegen). Und Indien, China und Brasilien haben im Vergleich zu den Industriestaaten (noch) einen vergleichsweise kleinen -Fußabdruck pro Bürger.

Guterres hat zudem einen aktuellen Anlass, mehr Klimaschutz-Maßnahmen einzufordern:  In der Arktis weicht der Permafrostboden derzeit mit ungeheurer Geschwindigkeit auf und setzt das extrem aggressive Treibhausgas Methan frei. Messungen zeigen, dass in Nord-Kanada der Boden  so stark abgetaut ist, wie UNO-Experten es  erst für das Jahr 2090 erwartet hatten.

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