"Nichtstun ist unmoralisch": Der Vatikan lädt zum Klimagipfel nach Wien

Mass to mourn Pope Francis held at St. Peter's
Unter der Schirmherrschaft der Päpstlichen Akademien findet am 28. und 29. August 2025 ein hochrangig besetzter internationaler Gipfel in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften statt.

Wien wird in den nächsten Tagen zum europäischen Zentrum der Klimadiplomatie. Unter dem Titel „From Climate Crisis to Climate Resilience in Europe at Local and Regional Levels“ (Von der Klimakrise und der Widerstandsfähigkeit in Europa auf lokaler und regionaler Ebene) laden die Päpstliche Akademie der Wissenschaften (PAS) und die Päpstliche Akademie der Sozialwissenschaften (PASS) gemeinsam mit europäischen Partnern zu einer zweitägigen Konferenz in die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW). 

Ziel des Gipfels ist es, die globale Debatte auf die lokale Ebene zu bringen und greifbare Strategien für Städte und Regionen zu entwickeln, um deren Widerstandsfähigkeit – ihre Resilienz – gegenüber den bereits spürbaren Folgen der Klimakrise wie Hitzewellen, Fluten und Dürren zu stärken.

Der Aufruf zu "Action" ur Klimakrise von der päpstlichen Akademie der Wissenschaften

Die Konferenz in Wien ist keine isolierte Veranstaltung, sondern Teil einer globalen Initiative, die im Mai 2024 im Vatikan ihren Anfang nahm. Damals versammelte Papst Franziskus eine Gruppe aus Forschern, Glaubensführern und politischen Entscheidungsträgern, insbesondere Bürgermeistern und Gouverneuren aus aller Welt. Das Ergebnis dieses Treffens war der „Planetary Call to Action for Climate Change Resilience“, ein eindringlicher Appell, der die moralische und menschenrechtliche Dringlichkeit des Handelns betont. (Link zum Originaldokment in englischer Sprache)

In diesem päpstlichen Dokument heißt es unter anderem: "Menschliches Nicht-Handeln angesichts des raschen Klimawandels ist unmoralisch. Menschliches Nicht-Handeln ist außerdem eine Verletzung der Menschenrechte.“

Dieser Aufruf von 2024 zeichnet ein düsteres Bild der Realität: 2023 war das heißeste je gemessene Jahr, und Experten prognostizieren, dass die kritische Erwärmungsgrenze von 1,5°C bereits zwischen 2030 und 2035 überschritten werden könnte. Das Dokument hebt eine dramatische Ungerechtigkeit hervor: Die ärmsten drei Milliarden Menschen, die weniger als 10 % zur Verschmutzung beitragen, erleiden 75 % der klimabedingten Verluste. Angesichts dieser Fakten fordert der Appell einen Paradigmenwechsel: Neben der Reduktion von Emissionen (Mitigation) müsse der Fokus gleichwertig auf die Stärkung der Resilienz von Menschen und Ökosystemen gelegt werden.

Das zentrale Konzept, das sowohl dem globalen Aufruf als auch dem Wiener Gipfel zugrunde liegt, ist das dreisäulige MAST-Prinzip:

  • Mitigation (Minderung): Die drastische und schnelle Reduzierung von Treibhausgasemissionen, um die Erwärmungskurve abzuflachen und bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen.
  • Adaptation (Anpassung): Die Anpassung an unvermeidbare Klimaveränderungen auf allen Ebenen, beginnend in den Dörfern und Städten. Dies umfasst Maßnahmen zur Reduzierung der Anfälligkeit gegenüber Klimarisiken, wie den Schutz von Infrastruktur und die Stärkung des öffentlichen Gesundheitswesens.
  • Societal Transformation (Gesellschaftliche Transformation): Ein fundamentaler Wandel von Werten, Verhalten und sozioökonomischen Systemen hin zu einer nachhaltigen Lebensweise. Papst Franziskus bezeichnet diesen Wandel als eine „ökologische Umkehr“.

Der Gipfel in Wien soll diese Prinzipien nun für Europa konkretisieren. Das Programm (Hier finden Sie das Programm, leider nur in englischer Sprache) ist hochkarätig besetzt und spiegelt den "transdisziplinären" Ansatz wider. Nach der Eröffnung durch Vertreter der gastgebenden Akademien, darunter ÖAW-Präsident Heinz Fassmann und PAS-Präsident Joachim von Braun, sowie den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig, werden Bürgermeister und lokale Führungspersönlichkeiten aus Städten wie Köln, Braga und Budapest ihre Herausforderungen und Lösungsansätze präsentieren. 

Auch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hildalgo wird in Wien erwartet, ebenso seine Eminenz Kardinal Peter Turkson, der Umweltbeauftragter bei Erzdiözese Wien Markus Gerhartinger, Keywan Riahi vom IIASA in Laxenburg.

Die thematischen Sitzungen decken ein breites Spektrum ab: von innovativer Finanzierung und Versicherung von Klimarisiken über die Bewältigung von Wetterkatastrophen bis hin zu den spezifischen Problemen europäischer Berg- und Küstenregionen. Ein besonderer Fokus liegt auf den gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels, insbesondere durch extreme Hitze, sowie auf der Transformation von Landnutzung, Landwirtschaft und Wasserwirtschaft.

Ein Merkmal der Konferenz soll auch die Einbindung der Jugend sein: In einer interaktiven „European / Vienna Café Consultation“ werden junge Menschen die Diskussionsrunden zu den MAST-Lösungen leiten und anschließend ihre erarbeiteten Handlungsaufforderungen im Plenum vorstellen. Das soll sicherstellen, dass die Perspektiven der kommenden Generationen im Fokus bleiben. 

Der Wiener Gipfel ist Teil einer Serie von regionalen Konferenzen, die weltweit bis 2026 geplant sind. 

Das langfristige Ziel ist die Ausarbeitung eines „Universellen Protokolls für Klimaresilienz“, das auf einem finalen Gipfel im Vatikan verabschiedet werden soll. Wien ist somit eine wichtige Etappe auf dem Weg, den von Papst Franziskus angestoßenen globalen Dialog, der auch vom neuen Papst Leo XIV. mitgetragen wird, in konkrete, lokale und regionale Handlungen für eine lebenswerte Zukunft zu übersetzen.

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