Kindergarten: "Brauchen doppelt so viele Pädagoginnen"
Raphaela Keller ist Vorsitzende des Österreichischen Berufsverbandes der Kindergarten- und HortpädagogInnen.
KURIER: Im Wahlkampf lag bei ÖVP und FPÖ auch ein Fokus auf die Aufwertung des Kindergartens als Bildungseinrichtung. Hegen Sie Hoffnung?
Raphaela Keller: Wir haben Hoffnung, sofern das ernst gemeint war und mit unseren Vorstellungen konform ist. Also etwa, dass eine universitäre Ausbildung der Pädagoginnen forciert wird, der Kindergartenbereich von den Ländern zum Bund kommt, und das Verhältnis Pädagogin/Kind verbessert wird.
Warum braucht es eine universitäre Ausbildung?
Die Frühkindpädagogik wird inzwischen sehr gut beforscht, diese Erkenntnisse müssen wir den Pädagogen weitergeben. Weil es im Kindergarten längst nicht mehr um Verwahrung und Betreuung der Kinder geht, sondern um eine frühkindliche Bildung, damit wir besser auf jedes Kind eingehen können, um zu sehen, wo Talente, Fähigkeiten und Defizite sind.
Geht auch der internationale Trend in diese Richtung?
Österreich ist im europäischen Umfeld das einzige Land, das noch immer keine Ausbildung für Kindergartenpädagogen auf universitärer Ebene hat.
Kindergärtner mit Uni-Ausbildung würden aber auch mehr verdienen, oder?
Zweifellos ein ganz heikles Thema. Die Bezahlung entspricht jetzt schon nicht unserem Bildungsauftrag in der Gesellschaft. Dazu kommt, dass wir oft nur unter sehr schwierigen Rahmenbedingungen arbeiten, etwa Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung und für Teambesprechungen.
Derzeit kommt eine Pädagogin auf 20 bis 25 Kinder, manchmal mehr. Die Wissenschaft sagt, vernünftig wäre 1:7 oder 1:8, bei Kleinkindgruppen 1:3. Das heißt, wir bräuchten doppelt so viele Pädagoginnen, wenn wir das qualitativ aufwerten wollen.
Einig waren sich ÖVP und FPÖ beim Thema "Deutsch vor Schuleintritt". Klingt das nicht vielversprechend?
Mir ist diese Diskussion zu kurz gegriffen. Natürlich braucht man Deutschkenntnisse in Österreich. Wenn nicht von jung an eine Sprache gelernt wird, wird es später immer schwieriger. Tatsächlich haben wir viel zu wenig Pädagogen für eine gute sprachliche Förderung der Kinder, weil Kinder vor allem durch zwischenmenschliche Beziehung lernen, was schwer geht bei 20 bis 25 Kindern. Dazu kommt, dass Deutsch als Fremdsprache ja auch eine spezielle Ausbildung der Pädagogen erfordert. Natürlich ist der Spracherwerb bei Kleinkindern grundsätzlich einfacher, aber sobald Probleme in der Sprachentwicklung auftauchen, braucht es mehr Know-how.
Für Eltern außerhalb der Städte sind die oft starren Öffnungszeiten der Kindergärten ein großes Thema. Wie sehen Sie das?
Derzeit sind Öffnungszeiten total uneinheitlich, von ganztägigen Angeboten bis zu Angeboten nur am Vormittag oder nur mit Mittagspause. Eltern können so nur schwer einen Job annehmen. Das ist übrigens auch ein Problem für Betriebsansiedlungen, weil sich Firmen gar nicht erst in Regionen niederlassen, wo es keine guten Angebote gibt.
Wie kann man das verbessern?
Ein erster Schritt wäre, den ganzen Kindergartenbereich als Bildungseinrichtung von den Ländern zum Bildungsministerium zu geben. Ich denke, dann wäre es auch gut, wenn Öffnungszeiten bundesweit geregelt werden, natürlich unter Bedacht regionaler Bedürfnisse. Aber das Recht der Eltern, speziell der Mütter, arbeiten gehen zu können, und das Recht des Kindes auf Bildung muss gewährleistet werden.
Denken Sie, dass durch die mögliche neue Regierung wieder ein traditionelleres Familienbild vorherrschen könnte?
Ja, da ist eine negative Entwicklung zu befürchten, ein Rückschritt, vor allem für die Frauen und ihr Selbstverständnis, aber auch für die Kinder und ihr Recht auf außerfamiliäre Bildung.
Wer stand bisher bei diesen Reformvorhaben auf der Bremse?
Unsere Empfindung ist, dass die Bundesländer bremsen. So gut wir manchmal im Bund Projekte entwickeln und diskutieren können, das Aus kam dann immer, sobald die Bundesländer eingebunden wurden. Dennoch sträuben sie sich, die Kindergärten in Bundeskompetenz zu geben. Für mich geht es da um Machtansprüche, und die Frage, wer bestimmt im Land – Bürgermeister, die bestimmen, was gut und notwendig für die Kinder ist – und was nicht. Für mich ist das einfach nur kleinkariert, erst recht wenn man über die Grenzen schaut.
Und was erwarten Sie von der neuen Regierung?
Ich hoffe das Beste, ich fürchte aber, dass das alles letztlich wieder nur Sonntagsreden waren.
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