Kickl in Brüssel: Asyl-Paradigmenwechsel eingeleitet

Innenminister: Österreich bekennt sich zum Erhalt des Schengenraums.

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) sieht durch die jüngsten EU-Gipfelbeschlüsse einen "notwendigen Paradigmenwechsel im Bereich Asyl und Migration eingeleitet". Kickl sagte am Montag vor dem EU-Parlament in Brüssel, die Migrationskrise von 2015 habe in der Bevölkerung den Eindruck eines "Kontrollverlustes" der politischen Eliten und EU-Institutionen ausgelöst.

Dazu kämen die Bedrohung furch Extremismus, Terrorismus sowie neue Gefahren durch die organisierte Kriminalität, sagte Kickl im Innenausschuss des EU-Parlaments. Es sei daher notwendig, auf jene Themen zu fokussieren, wo die Menschen zurecht Lösungen erwarten würden, "wo der Leidensdruck der Menschen am größten ist". Deshalb habe Österreichs EU-Vorsitz das Motto "ein Europa, das schützt" ausgewählt.

Stärkung von Frontex

Als dringende Aufgaben nannte Kickl die weitere Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex. Es brauche ein erweitertes Mandat und eine Aufstockung der Mittel. Besonders wichtig seien auch bessere Rückführungen. Österreich bekenne sich auch zum Erhalt des Schengenraums, sagte Kickl. Solange aber die Sicherheit der Bürger beeinträchtigt werde, müssten Binnengrenzkontrollen durchgeführt werden. Er wolle Bedingungen für eine Rückkehr zu Schengen ermöglichen, versicherte der Innenminister.

Weitere Arbeiten wolle Österreich an dem EU-Asylsystem und der Dublin-Reform leisten, für eine Lösung braucht aber Fortschritte im EU-Außengrenzschutz, sagte Kickl. Der EU-Vorsitz wolle sich bemühen, den EU-Staats- und Regierungschefs im Oktober Fortschritte zu präsentieren. Kickl will auch dem Extremismus den Nährboden entziehen und verstärkte Maßnahmen gegen den Antisemitismus setzen. Die Vernetzung von EU-Sicherheitsdatenbanken sei "höchst zeitgemäß". Die Westbalkan-Staaten will Kickl näher an EU-Standards heranführen und eine Partnerschaft mit Afrika auf eine neue Ebene bringen. Kickl: "Ein arbeitsintensives halbes Jahr liegt vor uns", aber "wo ein Wille ist, da ist ein Weg".

Justizminister Josef Moser (ÖVP) rief das EU-Parlament zu Kompromissen auf, etwa bei der Ausweitung des Strafregisteraustauschs. Der Vize-Vorsitzende des Innenausschusses, der bulgarische Sozialist und Ex-Premier Sergej Stanischew, betonte zum Auftakt der Aussprache, es gehe um "ein Europa, das schützt, nicht um einzelne Mitgliedstaaten". Der Vizepräsident der sozialdemokratischen Fraktion, Josef Weidenholzer, wollte von den österreichischen Ministern wissen, wie es der Vorsitz mit der europäischen Menschenrechtskonvention und mit der EU-Grundrechtecharta hält. Zum EU-Asylpaket bemerkte Weidenholzer, es entstehe der falsche Eindruck, dass Europa nicht funktioniere. Ein fertig verhandeltes Paket werde wie eine "heiße Kartoffel" weitergereicht.

"Niemand stellt Grundrechtscharta infrage"

Kickl  hat Kritik im EU-Parlament an der Asylpolitik Österreichs zurückgewiesen. "Niemand stellt die Grundrechtscharta und die Menschenrechte infrage", sagte Kickl am Montag im Innenausschuss in Brüssel. "Der größte Sündenfall ist doch das tausendfache Sterben im Meer", so Kickl.

Deshalb sei es höchst an der Zeit, das Geschäftsmodell der Schlepper zu durchbrechen. In Wahrheit seien nicht diejenigen Ziel der Hilfe, die diese am nötigsten bräuchten, sondern diejenigen, die Geld hätten und sich auf Schlepper einlassen, sagte der Innenminister.

Kickl reagierte damit auf mehrere kritische Fragen der EU-Abgeordneten. Österreich spiele mit dem Gedanken, "das Grundrecht auf Asyl auszuhebeln", sagte etwa der deutsche Sozialdemokrat Dietmar Köster. Wer dies mache, "versündigt sich an den Werten der Europäischen Union". Köster kritisierte, Kickl habe kein Wort zur humanitären Katastrophe im Mittelmeer verloren. Der ungarische Sozialist Peter Niedermüller beanstandete, Kickl habe die Integration von Ausändern kein einziges Mal erwähnt.

Kickl bedankte sich für die vielen kritischen Fragen. "Auch wir stellen uns viele kritische Fragen", sagte er. Er wolle niemandem absprechen, das Beste für Europa zu wollen. Es gebe aber wie in jeder guten Familie Gesprächsbedarf. Österreich wolle seine Rolle als Brückenbauer wahrnehmen, versicherte der Innenminister.

Das Konzept von Zentren für gerettete Migranten außerhalb der EU - sogenannte "Ausschiffungsplattformen" - will Kickl bereits beim EU-Innenministertreffen Ende dieser Woche in Innsbruck "konkret ausloten". Anschließend könnte die Idee mit der EU-Asylagentur , dem UNHCR und Drittstaaten vorangetrieben werden. "Ich glaube gar nicht, dass das keine Chance hat", sagte Kickl. "Lassen Sie uns einen Schritt nach dem anderen gehen." Die EU müsse hier an vielen Schrauben drehen, etwa durch Anreize mit der Wirtschaftspolitik.Beim EU-Asylpaket werde es ein Problem geben, wenn es um eine verpflichtende Flüchtlingsverteilung gebe, sagte Kickl. Bisher sei der Begriff der Solidarität auf die Verteilung eingeengt, es gebe aber auch andere Komponenten.

Protest gegen Kickl

Sozialdemokraten und Linke protestierten mit Flugblättern in dem Ausschuss gegen Kickl. "Warnung: Diese Rede kann fremdenfeindliche, hasserfüllte und sexistische Sprache enthalten und kann Demokratie und grundlegende Menschenrechte ernsthaft beschädigen. Unsere Antwort: Geeintes Europa", stand auf dem Papier zu lesen.

 

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