Kerns "Vollholler"-Zitat sorgt für Aufregung

Sebastian Kurz (li.) und Kanzler Christian Kern
Laut nun veröffentlichter Zitate hat sich Kern "nicht gegen die Mittelmeerrouten-Schließung" ausgesprochen. Die Kurz-Forderung hatte er aber hinter vorgehaltener Hand als "populistischen Vollholler" bezeichnet.

Die Töne im Vorwahlkampf werden rauer. Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) nahm am Donnerstag bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten Neo-ÖVP-Obmann Sebastian Kurz schärfer denn je ins Visier. Kern kommentierte unter anderem die von Kurz neuerdings propagierte Schließung der "Mittelmeerroute". Kurz' Forderung sei nichts anderes als ein "populistischer Vollholler", sprich: reine Ankündigungspolitik und ohne konkrete Umsetzungspläne. ÖVP-Politiker reagierten am Freitag empört auf die von der Presse kolportierten Aussagen Kerns (siehe unten).

Veröffentlichung erst jetzt mit Kerns Zustimmung

Im Bundeskanzleramt will man die Aussagen auf KURIER-Anfrage weiterhin nicht offiziell kommentieren. Man begnügt sich damit, dass der Kontext, in dem das Kern-Zitat fiel, nun von einem der beteiligten Journalisten offengelegt wurde. Falter-Chefredakteur Florian Klenk, der an dem Hintergrundgespräch teilnahm, veröffentlichte am Samstag auf Facebook ein Transkript der fraglichen Passage und holte sich dafür die "Zustimmung des Büro Kern".

Der Kanzler verbreitete den Eintrag sogar selbst über Twitter und schrieb: "Die Herausforderung der Migration lässt sich nicht mit gut klingenden Parolen lösen, Forderungen an die EU sind Forderungen an uns selbst."

Laut der Abschrift des Falter war das "Vollholler"-Zitat nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, was Kern klar zum Ausdruck gebracht habe. Die Äußerung fiel nach einem Einwurf eines Presse-Journalisten, wonach für eine nachhaltige Lösung des (Flüchtlings-)Problems die Mittelmeer-Route geschlossen werden müsste.

So fiel das "Vollholler"-Zitat

"Das ist ehrlich gesagt - das ist der nächste populistische - Sie streichen das Wort, das ist feiertägliche Aussprache - der nächste populistische Vollholler", sagte Kern demnach. Er führte dann ausführlich aus, welche Probleme für die Schließung der Mittelmeerroute zu überwinden wären und verband dies mit einem Seitenhieb auf die Steuerreform-Ankündigungen des ÖVP-Chefs: "Ich bin dafür, dass wir die Mittelmeerroute schließen, ich bin für Freibier für alle und die Lohn- und Einkommenssteuer halbieren - wenn wir wissen, wie wir das funktionierend hinkriegen."

Für die Schließung der Mittelmeerroute brauche es geordnete Verfahren mit Quoten für reguläre Migration sowie Investitionen in die Entwicklung der betroffenen Regionen. "Dann reden wir über eine Summe, realistisch betrachtet, wo man, wenn man sagt 'Mittelmeerroute schließen', auch dem österreichischen Steuerzahler sagen muss, was das kostet." Kern verwies diesbezüglich auch auf den ägyptischen Präsidenten, der gesagt habe "Ihr könnt uns soviel gar nicht zahlen", sowie auf Befürchtungen, wonach die Unterbringung von 500.000 Menschen "zur nächsten terroristischen Blut- und Keimzelle" werden oder die Länder der Region destabilisieren könnte.

Kern "nicht gegen Mittelmeerrouten-Schließung"

"Ich bin nicht gegen die Mittelmeerrouten-Schließung. Ich will nur eine Antwort haben, wie es geht. Das ist mein Punkt", betonte Kern. "Wir brauchen nicht Presseaussendungen, sondern wir brauchen Lösungen für die Sache."

Auslöser der Debatte war ein für das globale Nachrichtenagentur-Rechercheprojekt MINDS Global Spotlight geführtes APA-Interview des Außenministers, das auch international Wellen geschlagen hatte. Insbesondere deutsche Medien hatten intensiv über Aussagen von Kurz berichtet, er wolle die Mittelmeerroute komplett schließen.

Der Außenminister teilte am Dienstag einen Bericht der Tageszeitung Die Welt auf seinem Twitter-Account. Die Berliner Zeitung, die den ÖVP-Chef erst kürzlich als "Europas Retter" in der Flüchtlingskrise bezeichnet hatte, recherchierte aber nach und bilanzierte in einem am Donnerstag veröffentlichten Artikel zum Kurz-Vorschlag: "Leichter gesagt als getan." Kurz kenne sich in der Frage "eigentlich" aus, habe er doch die Schließung der Balkan-Flüchtlingsroute durchgesetzt. "Die Situation auf dem Mittelmeer ist aber mit jener in Südosteuropa kaum zu vergleichen."

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kann die ablehnende Haltung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) hinsichtlich des Bestrebens von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), die Flüchtlingsroute über das Mittelmeer dichtzumachen, nicht nachvollziehen. "Das Sterben im Mittelmeer muss ein Ende haben", so Platter am Freitag.

"Die Zahl der Anlandungen in Italien ist gestiegen, tausende Menschen sind im Mittelmeer bereits ums Leben gekommen, alleine heuer waren es 1.700", sagte Platter. Die Schließung der Mittelmeerroute sei daher die "einzige Lösung, um das Schlepperwesen einzudämmen und damit weitere Todesopfer im Mittelmeer zu verhindern". Zudem sprach sich Platter für die Errichtung von Asylzentren in den nordafrikanischen Transitländern aus.

"Ich finde es falsch, dass vernünftige Vorschläge so abqualifiziert werden", sagte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) am Freitag an die Adresse Kerns. Der Bundeskanzler solle lieber mit Kurz an einer gemeinsamen außenpolitischen Linie in dieser Frage arbeiten, sagte Haslauer. Es brauche ein konstruktives Miteinander und keine Abqualifikation. "Jeder, der im Mittelmeer stirbt, ist einer zu viel", erklärte Haslauer. "Je höher die Gewissheit ist, dass die Leute aufgegriffen und nach Europa gebracht werden, desto mehr werden es versuchen", meinte Salzburgs Landeshauptmann. Deshalb seien die Vorschläge von Kurz zur Schließung der Mittelmeerroute und die Relocation-Programme richtig. Es gehe dabei um eine humanitäre Frage, aber auch darum, die Kontrolle über eine Entwicklung zu behalten.

Außenminister Kurz (ÖVP) bekräftigte seine Forderung nach einer Schließung der Mittelmeerroute. "Ich bleibe dabei, die Schließung der Mittelmeer-Italien-Route ist der einzige Weg, um das Sterben im Mittelmeer zu beenden und unsere Grenzen zu schützen", betonte er am Freitag auf Facebook.

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