Hartinger-Klein geht von Auflösung der AUVA aus

Hartinger-Klein mit ihrem Parteichef Heinz-Christian Strache bei einem Auftritt im Vorjahr.
Ein Grobkonzept zur Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern soll bis Anfang Mai im Ministerrat beschlossen werden.

Sozial- und Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) geht davon aus, dass die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) tatsächlich aufgelöst wird. Sie glaube nicht, dass die AUVA die geforderten 500 Millionen Euro an Einsparungen erbringen wird, sagte Hartinger-Klein im Gespräch mit der APA. Deshalb werde es "nach derzeitigem Stand" zur Auflösung kommen.

Im Regierungsprogramm wird von der AUVA bis Ende des Jahres ein Konzept zur Einsparung von 500 Millionen Euro gefordert, der von den Unternehmern zu leistende Unfallversicherungsbeitrag soll von 1,3 auf 0,8 Prozent gesenkt und damit die Lohnnebenkosten um 500 Millionen Euro reduziert werden. Andernfalls werde die AUVA in die bestehenden Träger übergeführt und damit aufgelöst.

Hartinger-Klein teilte nun mit, dass sie bisher noch keine Pläne von der AUVA dafür bekommen habe. Und sie gehe auch davon aus, dass die AUVA die 500 Millionen nicht auf die Reihe bringen werde. Deshalb werde es "nach derzeitigem Stand" zur Auflösung kommen. AUVA-Obmann Anton Ofner hatte bereits Ende Jänner erklärt, dass sein Träger aus eigener Kraft nur 100 Mio. Euro schaffen werde.

Grobkonzept bis Mai

Obwohl die AUVA laut Regierungsprogramm eigentlich bis Ende des Jahres Zeit hätte, kündigt Hartinger-Klein an, dass ein " Grobkonzept" zur Zusammenlegung der Sozialversicherungsträger Ende April/Anfang Mai vom Ministerrat beschlossen werden soll. Nach einer Begutachtung soll das Konzept dann bis zum Sommer vom Parlament verabschiedet werden. In Kraft treten soll es mit längeren Übergangsfristen mit 1. Jänner 2019.

Geplant ist dabei, die derzeit 21 Sozialversicherungsträger auf "maximal fünf" zu reduzieren. Wenn die AUVA aufgelöst wird, könnten es längerfristig auch nur noch vier werden. Die neun Gebietskrankenkassen sollen zu einer "Österreichischen Krankenkasse" zusammengefasst werden. Dagegen haben sich zuletzt die neun Gebietskrankenkassen und die neun Ärztekammern der Länder in einer "Salzburger Deklaration" gewandt. Darin fordern sie etwa den Erhalt der regionalen Krankenversicherungen und der Selbstverwaltung sowie der autonomen Finanzierung.

Für die Gesundheitsministerin sind das nur "Machtspiele" und "nicht mehr". Ihrer Ansicht nach geht es den Kassen und Ärztekammern nur um Macht und nicht um den Patienten. Hartinger-Klein ist aber überzeugt davon, dass die Reform dadurch nicht behindert werden kann.

SPÖ und ÖGB warnen

Auf entschiedene Ablehnung stoßen die Aussagen von Hartinger-Klein (FPÖ) bei der SPÖ und der Gewerkschaft. SPÖ-Gesundheitssprecherin Pamela Rendi-Wagner warnt vor einem "unüberlegtem und voreiligem Schnellschuss". Aus der Gewerkschaft kommen schon Drohungen mit einem Arbeitskampf.

Mit einem Wegfall der Unfallkrankenhäuser und Rehabilitationszentren der AUVA würde die Gesundheitsversorgung der Versicherten gefährdet. "Hier sind hochspezialisierte Fachleute beschäftigt, die für die Akutversorgung und Rehabilitation von Unfallopfern in Österreich unverzichtbar sind", ortete Rendi-Wagner die nächste schwarz-blaue Maßnahme, "mit der bei den Menschen und nicht im System gespart wird".

"Entsetzt" zeigte sich SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch. "Mit der mutwilligen und voreiligen Zerschlagung der AUVA spart Schwarz-Blau wieder bei hart arbeitenden Menschen." Muchitsch verwies auch darauf, dass die AUVA für Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten die sicherheitstechnische und arbeitsmedizinische Betreuung kostenlos anbiete und fragt: "Wer macht das dann, Frau Ministerin?" Außerdem seien die Unfallraten durch die Präventionsarbeit der AUVA zurückgegangen.

Eine Auflösung der AUVA wär für Wien "verheerend". Davon ist die Landesparteisekretärin der Wiener SPÖ, Barbara Novak, überzeugt. "Ein Großteil der Unfallversorgung Wiens wird über die AUVA abgewickelt", betonte sie in einer Aussendung. Die daraus folgende Schließung der Unfallkrankenhäuser Lorenz Böhler und Meidling wären folgenschwer.

Derzeit würden in den beiden Spitälern jährlich 130.000 Patienten ambulant und rund 13.000 Personen stationär behandelt. Der Rückzug der AUVA aus ihren eigenen Einrichtungen träfe Wien besonders hart. Die Stadt hätte durch die Auflösung mit "dramatischen Engpässen" zu rechnen, warnte die rote Landespolitikerin.

Der Salzburger FSG-Landesvorsitzende Gerald Forcher drohte bereits mit einem Arbeitskampf. "Wir sind bereit einen Arbeitskampf zu führen und werden bis zum Schluss für die Beschäftigten und für die AUVA kämpfen", kündigte Forcher in einer Aussendung an. "Wenn die Kürzungspläne gegenüber GKK und AUVA aufrechterhalten bleiben, kann sich die Bundesregierung warm anziehen." Der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz betonte, dass die geforderten 500 Mio. Euro Einsparungen nur mit Kürzungen bei Leistungen für Patienten möglich seien.

AUVA-Obmann sieht "sehr nachteilige Variante"

Für den Obmann der AUVA, Anton Ofner, wäre eine Auflösung eine "sehr nachteilige Variante" für die Gesundheitsversorgung. Diese Frage stelle sich aber dann nicht, wenn die AUVA die Erwartungshaltung aus dem Regierungsprogramm erfülle. Und das habe die AUVA vor, betonte Ofner.

Über die Aussagen von Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein ( FPÖ) zeigte sich Ofner "erstaunt". Für ihn ist es "unerklärlich", dass Hartinger-Klein den vereinbarten Zeitplan, wonach die AUVA bis Jahresende einen Plan zur Einsparung von 500 Mio. Euro vorlegen soll, nun "einseitig aufkündigt". Die Aussagen der Ministerin decken sich nicht mit dem Regierungsprogramm, sie nehme offenbar eine eigene Position ein, meint Ofner. Er geht aber davon aus, dass die Regierung weiter hinter ihrem Arbeitsprogramm stehe. Und die AUVA werde die Erwartungshaltung daraus "auf Punkt und Beistrich" erfüllen.

Der Obmann verwies darauf, dass die AUVA gerade dabei sei, ein Konzept zu entwickeln und schon viele Schritte definiert habe. In einem ersten Schritt habe er bereits Einsparungen von 100 Mio. Euro zugesagt. Das Reformprogramm laufe aber weiter. So werde etwa das UKH Salzburg auf das Gelände des LKH verlegt, ein ähnliches Programm gebe es auch für Klagenfurt.

Die 500 Mio. Euro seien aber nur zu schaffen, wenn die AUVA von ihren versicherungsfremden Leistungen und den zu leistenden Querfinanzierungen im Ausmaß von mehreren hundert Mio. Euro befreit werde. Im Regierungsprogramm sei auch eine Analyse der Querfinanzierungen vorgesehen. Dabei handelt es sich einerseits um den zu hohen Pauschalbeitrag an Fondsspitäler für dort behandelte Unfallpatienten und andererseits um die zu niedrige Abgeltung für die Behandlung von Freizeitunfällen in AUVA-Krankenhäusern.

"Die Prävention und nahtlose Behandlung von Arbeitsunfällen - von der Akutbetreuung über die Reha bis zu einer möglichen Unfallrente - ist nur mit der Erhaltung der Unfallversicherung als eigene Sparte gewährleistet", betonte Ofner.

Szekeres: AUVA ist "unverzichtbare Einrichtung"

Auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres wendet sich entschieden gegen die Regierungspläne. Gegenüber der APA bezeichnete Szekeres die AUVA als "unverzichtbare Einrichtung". Die Unfallspitäler und die Reha-Einrichtungen seien "von höchster Qualität".

Szekeres verwies darauf, dass die geforderten 500 Mio. Euro Einsparungen fast 40 Prozent des Budgets der AUVA ausmachen. Das gehe nur mit einer Schließung von Spitälern und Reha-Einrichungen. In Wien würden etwa 50 Prozent der Unfallopfer in AUVA-Spitälern behandelt. Er wüsste nicht, wo die Unfallopfer dann versorgt werden sollten, meinte Sekeres und setzte nach: "Man darf sich dann nicht mehr den Fuß brechen."

Die Leistungen seien "unverzichtbar", betonte der Ärztekammer-Präsident. Er betonte, dass in den Einrichtungen der AUVA hervorragende medizinische Leistungen erbracht werden, um die man weltweit beneidet werde.

Hauptverbands-Chef: Zerschlagung brächte Mehrkosten

Auch der Vorsitzende des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Alexander Biach, lehnt eine Auflösung der AUVA ab. Das wäre "gerade in der aktuellen Reformphase ein völlig falscher Schritt, der unser Sozialversicherungssystem nur zersplittert und destabilisiert. Die ausgezeichnete Versorgungskette darf nicht durch politische Ad-hoc-Aktionen gefährdet werden", sagte er.

Wie vereinbart arbeite die Sozialversicherung konsequent weiter an einer ambitionierten Reformagenda, betonte Biach. "Es wird aber letztlich nur ein Gesamtpaket sein können, das die Zukunft aller Träger darlegt. Ich halte gar nichts davon, hier einzelne Träger wie jetzt die AUVA herauszugreifen und zu verunsichern. Für solche Experimente steht unsere AUVA nicht zur Verfügung", forderte Biach die Reformarbeit auf Basis der Expertise der Sozialversicherung ein.

Der Hauptverbands-Chef spricht sich "sehr klar dafür aus, die volle Leistungsfähigkeit der AUVA, angefangen von der Unfallprävention über die Unfallbehandlung in den UKHs, der anschließenden Unfall-Rehabilitation bis hin zur Absicherung bei Invalidität, zu erhalten". Eine Zerschlagung würde seiner Auffassung nach auch "massive Mehrkosten im System bedeuten und zu weiteren Schnittstellen führen, anstatt das System weiter zu integrieren". Die Streichung von Leistungen der AUVA ginge in vielen Fällen zulasten der Steuerzahler, der Dienstgeber oder anderer Sozialversicherungsträger, warnte Biach.

Stichwort AUVA: Österreichs größte Sozialversicherung

Fünf Millionen Versicherte. Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) ist die größte Sozialversicherung Österreichs. Rund fünf Millionen Menschen sind hier gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. In sieben Unfallkrankenhäusern und vier Reha-Einrichtungen werden Verletzte vor allem nach Arbeitsunfällen sowie an Berufskrankheiten Erkrankte behandelt. In jedem Bundesland finden sich Kundendienststellen.

Versichert sind bei der AUVA selbstständig und unselbstständig Erwerbstätige, Kinder und Studenten. Die AUVA wird im Wesentlichen über Dienstgeberbeiträge finanziert, der von den Unternehmern zu leistende Unfallversicherungsbeitrag wurde zuletzt 2014 von 1,4 Prozent auf 1,3 Prozent gesenkt. Die Regierung strebt allerdings eine weitere Senkung auf 0,8 Prozent und damit um 500 Millionen Euro an.

Aufgaben. Die AUVA hat vier Kernaufgaben: Erster Schwerpunkt ist die Prävention, also die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Zweite Aufgabe ist die Heilbehandlung nach Unfällen, drittens die Rehabilitation, also die bestmögliche Wiederherstellung von Verunfallten und viertens die finanzielle Entschädigung von Unfallopfern.

Krankenhäuser und Reha-Zentren. Dazu betreibt die AUVA sieben Unfallkrankenhäuser mit insgesamt 918 Betten (inklusive 54 Intensivbehandlungsbetten): In Wien sind das die in einem Traumazentrum erfassten Krankenhäuser Lorenz Böhler und Meidling, dazu kommen Unfallspitäler in Graz, Linz, Salzburg, Klagenfurt und in Kalwang in der Steiermark. In den AUVA-Unfallkrankenhäusern werden mittlerweile nur 11 Prozent der Behandlungen durch Arbeitsunfälle verursacht, 89 Prozent hingegen durch Freizeitunfälle.

Die vier Rehabilitationszentren der AUVA in Meidling, Weißer Hof in Niederösterreich, Häring in Tirol und die Rehabilitationsklinik Tobelbad in der Steiermark (rund 580 Betten) sind auf die Behandlung besonders schwerer Verletzungen spezialisiert, wie Patienten mit einer Querschnittlähmung, Schädel-Hirn-Trauma oder nach einer Amputation.

Rund 5.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 74 Prozent in den elf Behandlungseinrichtungen, sorgen für die Versicherten. In den Einrichtungen der AUVA werden jährlich über 370.000 Patientinnen und Patienten behandelt, davon mehr als 46.000 stationär. Zudem betreuen in jedem Bundesland Kundendienststellen (regionale Landes-und Außenstellen, Unfallverhütungsdienste und Präventionszentren) die Versicherten.

Selbstverwaltung. Wie alle Sozialversicherungsträger ist auch die AUVA nach dem Prinzip der Selbstverwaltung organisiert. Die Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer entsenden ihre Funktionäre in die Organe der Selbstverwaltung.

Eine Unfallversicherung gibt es in Österreich schon seit 130 Jahren. Das Gesetz für eine Arbeitsunfallversicherung, das die Haftpflicht der Unternehmer regelte, ist mit 1. November 1889 in Kraft getreten. Es war damit das erste Sozialversicherungsgesetz, das in der österreichischen Hälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie eingeführt wurde. 1925 eröffnete Lorenz Böhler, der als Vater der Unfallchirurgie gilt, in Wien das erste spezielle Arbeitsunfallkrankenhaus.

 

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