Kanzler Kurz lieferte sich harte Debatte mit seinem Biografen

Kanzler Kurz mit Autor Ronzheimer.
BILD-Reporter schrieb Buch über Kurz. Für viele Deutsche ist der junge Kanzler eine Sehnsuchtsfigur.

Am Eck mit der Pippi Langstrumpf sind längst alle Sessel besetzt, in der Garten-Abteilung sowieso; und vor dem Tisch, auf dem die Stapel mit Jamie-Oliver-Kochbüchern liegen, sitzen sie seit eineinhalb Stunden und warten.

Sie warten an diesem Mittwochabend auf Paul Ronzheimer. Einen deutschen Journalisten, der im ersten Stock einer Wiener Buchhandlung gleich eine Biografie vorstellen wird.

Vor allem aber warten sie auf den, über den der BILD-Reporter sein Buch geschrieben hat: Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich – und mittlerweile in Deutschland das, was man eine "große Nummer" nennen darf.

Das Interesse ist groß, in Wien sowieso, aber auch in Deutschland, und dafür gibt es handfeste Gründe. Welche, darüber später mehr.

Zunächst zurück in die Buchhandlung, wo eine Präsentation stattfindet, wie man sie in der Bundeshauptstadt eher selten erlebt.

Denn auch wenn Kurz von Beginn an wusste, dass Kriegsreporter Ronzheimer mit ihm über die Flüchtlingskrise reden wollte: So hart wie hier nimmt ihn sonst kaum jemand ran.

Ronzheimer erzählt, wie er Kurz kennenlernte. "Es war 2013, ich kam gerade aus Idomeni zurück. Nachdem ich dort die Situation der Menschen erlebt hatte, die Babys im Dreck, die verzweifelten Mütter, traf ich mit Herrn Kurz den Mann, von dem es hieß, er sei für die Situation verantwortlich."

Er sei wütend gewesen, habe Kurz angeblafft, sagt Ronzheimer. "Und dann haben wir intensiv diskutiert."

Das passiert auch jetzt auf der Bühne.

Ronzheimer greift den Kanzler an. Er stellt harte Fragen, will wissen, warum Kurz dem Familiennachzug eher skeptisch gegenübersteht. "Wenn Flüchtlinge ihre Familien nicht nachholen dürfen, hindert sie das am Deutschlernen", sagt der Deutsche.

Kurz bezweifelt das – und zwar vehement. Und an dieser Stelle kommt das Publikum ins Spiel und applaudiert durchaus heftig.

Der junge Deutsche kritisiert Kurz’ Haltung gegenüber Russland und erklärt sein Unbehagen, dass die mit dem Kreml befreundete FPÖ alle Ressorts mit Geheimdiensten führt.

Doch der Kanzler pariert – und weiß das Publikum hinter sich. Immer öfter wird geklatscht, beim Schlagabtausch sind die Sympathien klar verteilt: Die Zuhörer sind auf Seiten des Österreichers – und nicht bei seinem fast gleichaltrigen Biografen.

Sehnsucht

Spannend ist, dass das Interesse an Sebastian Kurz auch in Deutschland offenkundig zunimmt. Warum, das erklärt Biograf Ronzheimer mit einem Wort: Sehnsucht.

"Sebastian Kurz verkörpert vieles, wonach sich Wähler in Deutschland seit Jahren sehnen. Er ist jung, eloquent und vertritt in der Integrations- und Flüchtlingsdebatte das Gegenmodell zu Merkel, ohne dabei zur AfD zu schielen."

Ob Sebastian Kurz irgendwann auch "nachhaltige Spuren" in den "Geschichtsbüchern hinterlässt", ist für Ronzheimer vorerst offen: "Er braucht eine Vision, wie Österreich in einem Jahrzehnt aussehen soll." Aber davon, sagt der Biograf, sei "bisher wenig zu erkennen".

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