Josef Riegler: Ein Politiker mit einer großen Idee
Wenn Josef Riegler wenige Tage vor seinem 80. Geburtstag zu einer Buchpräsentation ins Cafe Landtmann am Wiener Ring kommt, erkennen ihn viele sofort. Die Haare sind weiß und etwas schütter geworden, aber der ehemalige Vizekanzler wirkt kraftvoll wie in seiner aktiven Zeit. Typisch für ihn war sein stets besorgter Gesichtsausdruck, verstärkt durch leicht über die Augen hängende Lider.
Deshalb auch die erste Frage an ihn, warum er insbesondere als Vizekanzler zwischen 1989 und 1991 so ausgesehen hat, als würden ihn ständig große Sorgen drücken? Riegler:„ Ich weiß, man hat mir die Mühsal der großen Koalition auch körperlich angesehen.“ Bei der Nationalratswahl 1990 hat die ÖVP mit Riegler massiv verloren. Mit der FPÖ, die stark zugelegt hat, wäre eine Mehrheit zwar möglich gewesen, daran hat Riegler aber nicht eine Sekunde gedacht, und zwar aus zwei Gründen.
Erstens: „Die Widerstände in der ÖVP, vor allem aus Niederösterreich wären zu stark gewesen.“ Und außerdem habe er mit SPÖ-Chef Franz Vranitzky das gemeinsame Ziel des EU-Beitritts gehabt. „Der musste die Gewerkschaft mit ins Boot bringen, was er dann ja auch getan hat.“
Zwei korrekte Partner
Das Verhältnis mit dem roten Bundeskanzler beschreibt er als korrekt: „Alle Absprachen haben gehalten.“
Franz Vranitzky erinnert sich an einen ausgenommen angenehmen politischen Partner und Kollegen. „Aber vielleicht hat ihm das in der ÖVP nicht genutzt, dass wir uns so gut verstanden haben.“
Wenn Josef Riegler aus seinem Leben erzählt, versteht man, warum er immer so ernsthaft gewirkt hat. Der Vater ist 1944 gefallen, der Bauernhof reichte gerade zum Überleben, ab seinem 14. Lebensjahr war „Joschi“ eine vollwertige Arbeitskraft. Ein Cousin hat ihn dann zum zweiten Bildungsweg gebracht, er schloss die Hochschule für Bodenkultur ab. Geprägt hat ihn seine Großmutter, eine „starke christliche Persönlichkeit, die ihren Glauben im Alltag gelebt hat.“
Glaube ist mehr als Kirche
Den Glauben hat Riegler nie verloren, er praktiziert ihn mit seiner Frau. Sie habe in der Mitte ihres Leben eine Gottsuche unternommen, erzählt er, jetzt meditieren sie täglich gemeinsam. Und die katholische Kirche? Gibt es da keine Enttäuschungen? „Ich würde mir schon wünschen, dass die christlichen Kirche attraktiver agieren würden, aber mir geht es vor allem um mein göttliches Gegenüber.“
Markt: ökologisch und sozial
Der christliche Glaube hat viel mit dem politischen Konzept zu tun, für das Riegler noch heute bekannt ist.
Die ökosoziale Marktwirtschaft entspringt der Überzeugung, dass die Schöpfung bewahrt werden müsse, aber Umweltschutz muss sich rechnen. Anders als heute, wo Marketingsprüche von PR-Abteilungen die Politik dominieren, hat Riegler jahrelang an einem Konzept gearbeitet und anschließend einen Namen gesucht. Eine Begegnung mit einem Papier-Produzenten, der die Mur verschmutzte und dafür halt Strafen zahlte, hat Riegler ebenso bewegt wie die alarmierenden Zahlen des „Club of Rome.“ Jetzt sei eine ökologische Steuerreform fällig. Auch das Soziale sei wichtig. Riegler ist stolz darauf, dass er das 2. Karenzjahr und das Pflegegeld durchgesetzt und die Mindestrente erhöht hat.
Er engagiert sich noch immer in der Global Marshall Plan Initiative, wo er sich um Afrika kümmert, ein Kontinent, der vom Klimawandel besonders betroffen ist. „Gerade für Afrika brauchen wir jetzt Konzepte.“ Und die EU müsse sich dringendst weiter entwickeln, um außenpolitisch handlungsfähig zu werden. „Demagogie hat das Potenzial für Feindbilder, Zerstörung und Krieg.“ Er weiß, wovon er spricht. Er hat als Kind durch den Krieg den Vater verloren.
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