Stiller Ideologe wird in den Verkehr gezogen

Verkehrsminister Jörg Leichtfried.
Der Steirer stieg in der SPÖ stetig auf – nach Stationen in Brüssel und der Landesregierung führt er nun das Infrastrukturressort.

Es gibt Politiker, die drängen in das Licht der Kameras. Wie Trüffelschweinchen spüren sie, wo es solches gibt. Jörg Leichtfried ist nicht von dieser Gattung. Zumindest war er es bisher nicht. Er hat in allen Funktionen lieber im Hintergrund gewerkt. Polterer ist er keiner, er ist ein ruhiger Typ. Mitunter wirkt er schüchtern. Er hört zu, bevor er redet. Wenn er spricht, sagt er aber unmissverständlich, was er will.

Es waren wohl diese Facetten, kombiniert mit beharrlicher Sacharbeit, welche den Steirer politisch nach oben gebracht haben: Leichtfried, bis dato Landesrat, löst Landsmann Gerald Klug als Infrastrukturminister ab, er ist einer der vier Neuen in Christian Kerns Regierungsteam. "Es freut mich sehr, Verkehrspolitik für die ganze Republik machen zu können. Verkehrspolitik wird oft unterschätzt. Es geht nicht nur darum, Güter und Personen zu bewegen, sie beeinflusst auch Gesundheits-, Umweltschutz-, Energie- und Arbeitsmarktpolitik", sagt Leichtfried dem KURIER.

Politisch begonnen hat er in den SPÖ-Jugendorganisationen, in den 1980ern in der SJ. Im Wendejahr 2000 wurde er Chef der Jungen Generation. Sein erster Verbal-Akt: Er forderte Schwarz-Blau-Kanzler Wolfgang Schüssel auf, zurückzutreten. Von der parteipolitischen Probebühne ging es auf die europäische. 2004 zog Leichtfried für die Roten in das EU-Parlament ein; mit Verkehrsagenden war er dort betraut. Er begab sich in Clinch mit der EU-Kommission – in Sachen Gigaliner (25 Meter lange Lkw). Das Resultat: Nach wie vor dürfen diese Groß-Laster nicht quer durch Europa fahren.

Jahrelang werkte Leichtfried in der EU-Volksvertretung, er leitete die österreichische SPÖ-Parlamentarierdelegation. Im Frühsommer vergangenen Jahres ging es zurück in die Steiermark. Leichtfried wurde Verkehrslandesrat unter dem schwarzen Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Es behagte ihm, wieder bei Frau und Sohn zu sein; ebenso, nicht mehr ständig im Flieger zu sitzen.

Dass Neo-Kanzler Kern den von ihm als Minister Erwählten preist ("Er ist ein herausragender Verkehrspolitiker"), ist logisch. Dass das auch politische Gegner machen, nicht. So singt etwa Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP im Hohen EU-Haus, auch laut ein Hohelied auf Leichtfried: "Er ist zur Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg fähig, fair im Umgang mit anderen. Im Tagesgeschäft ist er ein Pragmatiker der Macht. Er zeigt aber auch sehr deutlich, wo er ideologisch verwurzelt ist. Er ist ein linker Sozialdemokrat." Ein anderer formuliert es so: Leichtfried sei "noch einer der wenigen echten Sozis im Land".

Klassenkämpfer

Als solcher präsentierte sich Leichtfried im Vorjahr bei der Regionalkonferenz der Roten von Bruck-Mürzzuschlag. Die Rede, die er dort hielt, wurde auf YouTube gestellt – daher auch abseits der Veranstaltung wahrgenommen. Ein Auszug: Leichtfried erzählte, dass er einst in London bei Starbucks einen Kaffee getrunken habe ("Sieben Pfund haben die für heißes Wasser, das schwarz ist, genommen"). Kurz darauf lese er, dieser Konzern mache keinen Gewinn, trotz "aller anderen Deppen, die wie ich" dort eingekehrt seien: "Die verschieben die Gewinne herum, bis nichts überbleibt. Die sollen zahlen für die Allgemeinheit, nicht alles in ihre Taschen stecken!" Die Klassenkampf-Rhetorik kam an, Reaktionen von Genossen waren geradezu euphorisch. Tenor: So eine Ansprache hätte man sich von Parteichef Werner Faymann erwartet.

Sensorium

Seine Herkunft hat den 49-jährigen Leichtfried geprägt. Er entstammt einem Arbeiterhaus. Der Vater war Stahlarbeiter, dann Drahtzieher, seine Mutter war im Lohnbüro dieses Betriebs. Geschärft wurde sein Sensorium für Alltagsprobleme im Bürgerservice seiner Heimatstadt Bruck an der Mur.

Leichtfried nutzt auch Kommunikationsmittel, die viele SPÖ-Politiker nach wie vor scheuen: Er twittert. Und da nicht nur Parteispin wie etliche seiner Zunft. Er berichtet auch von Ausflügen in Fußballstadien. Wie am 8. Mai aus England: "Liverpool 3 : Villarreal 0". Nun muss er beweisen, dass er bundespolitisch den Zug zum Tor hat.

Der studierte Jurist, Jahrgang 1967, aus Bruck/Mur begann seine Karriere bei der Arbeiterkammer. Er war von 2004 bis 2015 EU-Parlamentarier. Zuletzt fungierte er als Delegationsleiter der heimischen Sozialdemokraten. Zuvor war das Hannes Swoboda.

2015 wurde er in die steirische Landesregierung geholt, wo er ein buntes Ressort aus Infrastruktur, Umwelt, Sport und Tierschutz übernahm.
Leichtfried ist verheiratet und hat einen Sohn.

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