Julia Herr: "Es gibt ein Momentum in der SPÖ"

SJ-Vorsitzende Julia Herr
Die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend gibt dem neuen Kanzler einen Vertrauensvorschuss.

Österreich hat einen neuen Kanzler, zum Teil eine neue Regierung und die SPÖ hat einen neuen Chef. KURIER.at hat Julia Herr befragt, was sie sich als Vorsitzende der Sozialistischen Jugend von Christian Kern erwartet.

KURIER: Sie haben immer viel Kritik an Werner Faymann geübt. Sind Sie nun froh, dass er gegangen ist?

Julia Herr: Froh ist das falsche Wort. Ich habe ja immer viel Kritik an Faymann geübt, vor allem bei inhaltlichen Themen. Ich war eben immer der Meinung, dass in letzter Zeit zu wenig in der SPÖ weitergebracht wurde. Das hat sich auch in den Wahlergebnissen niedergeschlagen. Jetzt hoffe ich auf eine Veränderung. Es gibt ein Momentum in der SPÖ, da herrscht jetzt viel Euphorie. Eine Möglichkeit, die Partei zu demokratisieren und zu öffnen, wieder Inhalte anzusprechen. Das richtige Wort ist hoffnungsvoll.

Was sagen Sie zu Christian Kern?

Er hat schon viele wichtige Punkte in der Sitzung des Parteivorstands angesprochen, wie zum Beispiel die Reallohnentwicklung der vergangenen Jahre. Er hat die Arbeiter und Arbeiterinnen angesprochen, das habe ich sehr gut gefunden.

Auch seine Personalauswahl hat mich gefreut, im Konkreten, dass Muna Duzdar Staatssekretärin wird. Da geht es gar nicht um Migrationshintergrund oder Religion. Das ist eine unglaublich kluge Person, die über den Tellerrand hinausblicken kann. Sie weiß zum Beispiel, dass man internationale Probleme nicht auf nationalstaatlicher Ebene lösen kann. Und ich finde es auch gut, dass Kern eine jüngere Frau (37 Jahre Anm. ) für sein Regierungsteam ausgewählt hat. Auch Jörg Leichtfried kenne ich und kann ihn politisch einschätzen. Auch seine Wahl finde ich gut.

Was sagen Sie zu Sonja Hammerschmid als neuer Bildungsministerin? Ihre Kollegen vom VSStÖ sind offenbar wenig begeistert.

Da tue ich mir schwer mit der Einschätzung. Wie gesagt, Duzdar und Leichtfried kenne ich persönlich, das bewerte ich positiv, bei Hammerschmid muss man sehen.

Haben Sie Kerns erste Pressekonferenz verfolgt?

Leider nur zum Teil. Aber ich kann sagen, dass seine Worte sehr klar waren, sowohl im Parteivorstand als auch in der Pressekonferenz. Dass der Reallohn in den Jahren nicht mehr gestiegen ist, das war eine klare Botschaft. Natürlich werden wir sehen, was die Zukunft bringt, aber er bekommt einmal einen Vertrauensvorschuss und der ist, denke ich, auch verdient. Sicher muss man sich erst in die Rolle hineinfinden, viele Gespräche stehen an, auch mit den Jugendorganisationen. In ein paar Wochen oder Monaten werden wir uns alles anschauen und beurteilen. Aber derzeit bin ich sehr hoffnungsvoll.

Hatten sie schon direkten Kontakt zu Kern?

Ja, gesprochen haben wir schon, auch in jüngster Zeit. Wir haben besprochen, welche Themen für ihn und uns wichtig sind und haben verschiedene Fragen erörtert. Ich habe ihn einfach angerufen. Vor allem, wenn er die Arbeitslosigkeit bekämpfen will, wird er von Seiten der SJ Unterstützung bekommen. Das wäre auch ein Thema, das die Partei einen könnte.

Haben Sie auch darüber gesprochen, ob Sie in die Regierung kommen?

Nein.

Was halten Sie für die größte Baustelle der SPÖ derzeit?

Wie gesagt, die Fragen zum Arbeitsmarkt. Da haben wir große Teile unserer Zielgruppe an die FPÖ verloren. Hier kann man aber Reformen anpacken, die sofort spürbar sind. Das gilt auch beim Thema leistbare Mieten. Eine Mietzinsobergrenze würde sofort greifen. Wobei ich auch andere Themen sehe. Bei der Bundespräsidentschaftswahl waren über zwanzig Prozent der Bevölkerung nicht wahlberechtigt, darunter viele Personen, die hier bereits auf die Welt kamen. Wieso nicht klug sein, und sich für diese Leute einsetzen, beispielsweise durch eine Wahlrechtsreform?

Wie schätzen Sie die künftige Haltung der SPÖ zur FPÖ ein? Wird eine Koalition möglich sein?

Mit einer Partei, die Hetze auf Menschen betreibt und die für den Abbau des Sozialstaates kämpft, mit der gibt es keine inhaltliche Übereinstimmung. Kern hat auch gesagt, dass wir nicht mit Parteien zusammenarbeiten, die auf Minderheiten hetzen. Erst müssen wir aber die Frage stellen: Wie kommen wir wieder nach oben und erhalten mehr als 30 Prozent? Dann ließe sich die Frage ganz anders angehen. Bevor man fragt, wie gehen wir mit der FPÖ um, müssen wir fragen, wie gehen wir mit der SPÖ um?

Glauben Sie, dass die SPÖ nun wieder einen Aufschwung erleben wird?

In der SPÖ ist die Stimmung jetzt schon besser. In der Bevölkerung weiß ich es nicht. Das ist schwer zu sagen. Aber von mir bekommt Kern erst einmal einen Vertrauensvorschuss.

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