Von Corona bis 5G: Die Geschäftemacherei mit den Verschwörungstheorien

Telegram, Whatsapp, Messages and other phone Apps on iPhone screen
Rechtsextreme Telegram-Kanäle wurden mit der Pandemie groß. Jetzt gehen die Betreiber zusehends dazu über, mit ihren Botschaften Geld zu verdienen.

Mit 300.000 Abonnenten allein auf Telegram zählt AUF1 zu den erfolgreichsten heimischem „alternativen Medien“. Weit im rechten Eck angesiedelt, verbreiten sie unverhohlen Verschwörungstheorien. Auf der Website des TV-Senders wird in Dauerschleife gegen „Globalisten“ gewettert, die den „Great Reset“ vorantreiben oder vor einer „Bevölkerungsreduktion durch Genspritzen“ gewarnt.

Botschaften, aus denen sich auch im wörtlichen Sinn Kapital schlagen lässt: AUF1 betreibt neben seinem Nachrichtenkanal einen Webshop, der mittlerweile auf beachtliche Größe angewachsen ist. Neben einschlägigen Büchern oder T-Shirts (etwa das Modell „Deutschland den Deutschen“) kann man hier eine silberne „Friedensmedaille“ bestellen, oder Notfall-Ausrüstung für den großen Blackout (inklusive Dosenbrot und Solardusche). Aber auch politisch unverdächtige Waren wie Tee, Bio-Kaffee, griechisches Olivenöl oder Schmuck sind erhältlich.

"Das Geschäft mit der Angst"

Kein Einzelfall: „In heimischen Telegram-Netzwerken wird immer stärker versucht, mit Verschwörungstheorien Geld zu verdienen“. So lautet der Befund der Bundesstelle für Sektenfragen, die im Rahmen einer Studie („Das Geschäft mit der Angst“) dieses Phänomen beleuchtet hat. Es ist bereits die zweite zum Thema Verschwörungstheorien auf Telegram-Kanälen.

Viele davon sind während der Pandemie gegründet worden, um gegen die Corona-Maßnahmen zu mobilisieren. Die Pandemie verschwand, die Kanäle blieben. „2024 gab es sogar eine neue Höchstzahl der auf ihnen verbreiteten Nachrichten“, sagt Felix Lippe, der an der Studie beteiligt war. Dafür wurden die 30 reichweitenstärksten heimischen Kanäle mit Verschwörungstheorien untersucht.

Verschwörungstheorien Internet

Geändert haben sich aber die Inhalte der Nachrichten. Wenn es um konkrete Handlungsanweisungen geht, rangieren aktuell Spendenaufrufe mit 31,5 Prozent auf Platz eins, gefolgt von Veranstaltungshinweisen. Dahinter kommen mit 16,2 Prozent schon diverse Produktbewerbungen.

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Monetäre Motive

Mittlerweile hat die Zahl der Postings mit monetären Hintergründen (Spenden, Produkte) jene mit rein politischen Inhalten deutlich überflügelt. Das System dahinter ist simpel, aber wirksam: „Erst werden bestimmte Krisenszenarien herbeigeschrieben – etwa das drohende Blackout – um dann die passenden Produkte anzubieten“, sagt Lippe. So entstehe eine Art selbstverstärkender Kreislauf, der auf dem gezielten Schüren von Ängsten beruhe.

In den USA sei es schon seit längerem gang und gäbe, dass Verschwörungstheoretiker auf diese Weise Geld verdienen würden.

Esoterik

Eng verwoben sind die rechten Verschwörungstheoretiker mittlerweile mit Händlern aus der Esoterik-Szene, die unter dem Deckmantel von Natur und Gesundheit ihre Produkte vertreiben. Eine Anti-5G-Elektrosmog-Mütze um 40 Euro mag (abgesehen vom finanziellen Schaden) noch harmlos sein, heikel werde es aber bei Nahrungsergänzungsmitteln, die mitunter als Alternative zu schulmedizinischen Behandlungen angepriesen werden, warnen die Experten.

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Philipp Pflegerl, der ebenfalls an der Studie mitgewirkt hat, ortet eine zunehmende Professionalisierung. So nutze man für den Vertrieb Affiliate-Marketing, bei dem Partner-Websites mit Verlinkungen auf den Shop mit Provisionen belohnt werden.

Harsche Angriffe der FPÖ

Zuletzt schoss sich die FPÖ auf die Bundesstelle ein. Mit ihren Berichten würde sie kritische Bürger, die die Corona-Maßnahmen hinterfragt hätten, „zu Problemfällen erklären“, Linksextremismus und politischer Islam werde hingegen nicht thematisiert.

„Wir sind eine unabhängige Stelle, die weisungsfrei agiert“, kontert Geschäftsführerin Ulrike Schiesser. Es sei nun einmal so, dass auf Telegram rechte Verschwörungstheorien gegen Corona verbreiteter seien als jene von Linksextremen. Islamitische Agitation zu beobachten sei hingegen nicht Aufgabe der Bundesstelle, dafür gebe es andere Institutionen.

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