Internes Papier: Identitäre sehen FPÖ als ihre "Lobby"
Der Mann hat Angst, das ist offensichtlich. Er fürchtet Flüchtlinge und Zuwanderer. „Wir sterben aus und werden ersetzt!“, schreibt er auf einen Spickzettel für eine Rede. Und damit der ihm verhasste „Große Austausch“ bzw. „Ethnozid“ nicht passiert, will er Krieg führen. „Ein Kampf bis aufs Messer, um jede Straße, jeden Gemeindebau...Block um Block...Prinz Eugen do it again.“
Martin Sellner, Chef der Identitären (IB) und „Justin Bieber des Rechtsradikalismus“ (Die Zeit), sieht sich in einer direkten Linie zu Prinz Eugen von Savoyen.
Die krude Weltsicht der IB war im Vorjahr vor Gericht in Graz Thema. Der KURIER konnte das eingangs erwähnte Rede-Manuskript sowie auch andere, im Strafakt enthaltene Unterlagen nun erstmals einsehen.
Zweifel an ideologischen Unterschieden
Und diese geheimen IB-Papiere dokumentieren nicht nur die militärische Verfasstheit der Bewegung. Sie lassen zudem ernste Zweifel an der Behauptung aufkommen, dass Freiheitliche und Identitäre ideologisch wie organisatorisch rein gar nichts miteinander zu tun hätten.
Für die Kanzler-Partei ÖVP sind die Querverbindungen ein zunehmendes Ärgernis. Erst am Samstag hat Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Thomas Stelzer via Ö1 festgehalten, es dürfe keine Verbindungen zwischen politischen Verantwortungsträgern und Identitären geben.
Das überrascht nicht, denn tatsächlich ist die Weltsicht der IB eine demokratiepolitisch bedenkliche.
Integrationslüge
Ein Beispiel aus den Gerichtsakten: Bei einem Kompagnon von IB-Chef Sellner hat die Justiz einen Kampagnenplan aus dem Jahr 2016 sichergestellt („Die Integrationslüge“). Das Papier skizziert über weite Strecken professionell, wie die Identitären die öffentliche Meinung beeinflussen wollen.
So planten sie, dass nach einem erschütternden „Anlass (Terroranschlag, Massenvergewaltigung, Mord, etc.)“ die etablierten politischen Kräfte in ein „Autoritätsvakuum“ kommen sollten, in das die „symbolische Gegenautorität“, die Identitären, stößt.
Weidinger spricht von Überschneidungen zwischen Identitären und FPÖ
Ein Umsturzplan? Die Identitären als staatliche Autorität? Vermutlich ist das – noch – zu hoch gegriffen.
Allerdings hält das Papier unter dem Punkt „Aspekte der Kampagne“ nicht nur fest, dass „Druck auf die Verantwortlichen in der Regierung ausgeübt werden soll“. Es stellt zudem fest, dass „die Lobbyarbeit der FPÖ sehr wichtig“ sei. Zur Erinnerung: Das Papier stammt aus 2016. Damals ahnte die IB noch nicht, dass die FPÖ bald regieren würde.
Zurück zu den Dokumenten: Für ihre Öffentlichkeitsarbeit erachten es die Identitären als zentral, FPÖ-nahe Medien wie unzensuriert oder FPÖ-TV mit „Wordings“ zu „füttern“. Mehr noch: Die IB bezeichnet die FPÖ als ihre „Lobby“. Und diese müsse „von uns (den Identitären) über Vorabtreffen informiert werden und im Zuge der Kampagne helfen, politischen Druck auf das Zielsystem (Ministerien, Politiker) aufzubauen.“
FPÖ-Verteiler
Im Kampagnen-Plan werden als Kommunikationsmittel Facebook, Twitter, YouTube, die eigene IB-Homepage und auch „FPÖ-Verteiler“ angeführt. Und es wird – einmal mehr – der Name eines Linzer FPÖ-Funktionärs erwähnt, der offenbar in einer Verbindung zu den Identitären steht: Der Rechtsanwalt und langjährige Vorsitzende der FPÖ-Ortsgruppe Urfahr-West, Gerald Zauner, wird von der IB für „Rechtsschulungen“ vorgesehen.
So viel zu der Frage, wie nahe einander Identitäre und FPÖ stehen.
Nicht minder bemerkenswert ist für Außenstehende das Selbstbild der IB. Laut der geheimen „Organisationsstruktur“ bezeichnen sich die Leiter der Bewegung im Sinne der alt-griechischen Heerführung als „Hopliten“.
Sie sind „das Herz der Bewegung, die mit ihnen steht und fällt“, heißt es da. Und weiter: „Wer zu diesem Kreis gehören will, muss einen Schnitt in seine Biografie machen und sein Leben ganz dem Ideal widmen.“ Hoplit bleibe man „bis zum Tod“.
Fäuste der Bewegung
Eine Stufe darunter sind die „Fäuste der Identitären Bewegung“, die Aktivisten, im IB-Jargon „Spartiaten“.
Neben regelmäßigen Stammtischbesuchen gehört die körperliche Ertüchtigung zu den Pflichten eines ordentlichen Spartiaten.
Sport wird „mindestens einmal pro Woche von der FG Sport organisiert“. Im Fokus stehen dabei „Selbstverteidigung und realistische Konfliktsituationen“.
Was Kunst und Kultur angeht, sind die Vorschriften überschaubar. Singen sollte man aber können. Denn bei Seminaren ist das Lied der Identitären „auswendig“ zu trällern, fordert die Organisation. Und vermutlich gibt’s auch hier kein Pardon.
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