Internationale Reaktionen auf österreichisch-israelisch-dänische Impfallianz
Internationale Tageszeitungen kommentieren die Initiative von Österreich, Dänemark und Israel, in der Erforschung und Produktion von Impfstoffen zu kooperieren, in ihren Mittwochsausgaben.
"Keine Werbung" - Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Wo Impfstoffe herkommen, sollte in einer Pandemie eigentlich keine Rolle spielen. Solange die Mittel wirksam sind, kommt es nur darauf an, sie so schnell wie möglich zu verimpfen. Das aber hat in der EU bekanntermaßen nicht gut geklappt, zumindest nicht im Vergleich zu einigen anderen entwickelten Ländern. Und nicht anders als in der klassischen Geopolitik ist es eine Einladung an interessierte Parteien, in ein Vakuum vorzustoßen. Russland hat seinen Sputnik-Impfstoff schon erfolgreich Ungarn und der Slowakei angedient, auch die Tschechische Republik hat Interesse. Humanitäre Gründe verfolgt der Kreml damit nicht, denn es gibt ja Berichte, dass es in Russland selbst an Impfstoff fehlt. Putin nutzt die Gunst der Stunde, um in Ländern des früheren Warschauer Pakts wieder Zweifel an der EU zu säen. Und China, der autoritäre Bruder im Geiste, liefert ebenfalls nach Europa, unter anderem nach Ungarn. Dass sich den beiden Rivalen des Westens diese Chance überhaupt bietet, hat sich die EU selbst zuzuschreiben. Man wundert sich immer noch, dass in Brüssel (und Berlin) im vergangenen Jahr unterschätzt wurde, wie wichtig der Aufbau von Produktionskapazitäten und eine rasche Zulassung sind. Dass nun auch noch zwei EU-Staaten, nämlich Österreich und Dänemark, mit Israel eine Impfstoffallianz eingehen, zeigt, wie stark das Vertrauen in die Fähigkeiten der EU gesunken ist. Eine Werbung für die europäische Einigung ist all das nicht."
"Europa hat ein Vertrauensproblem" - Süddeutsche Zeitung
"Es ist eine unmissverständliche Misstrauenserklärung an Brüssel. Die EU bekommt es nicht hin, wir müssen es selbst in die Hand nehmen - das ist das Signal, das Österreich und Dänemark senden. Beide Länder wollen eine Impfstoff-Allianz mit Israel schmieden. Zu dritt werde man bei der Erforschung und Produktion neuer Covid-Vakzine zusammenarbeiten, bestätigte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz am Dienstag. An diesem Donnerstag reisen er und seine dänische Kollegin Mette Frederiksen nach Jerusalem. (...) Der dänisch-österreichische Alleingang hat eine Vorgeschichte. Beide fühlen sich einer Gruppe von Vorreiterstaaten (first mover) bei der Covid-Bekämpfung zugehörig. Dänischen Zeitungen zufolge war die Initiative zu dem Dreier-Treffen von Frederiksen ausgegangen. Dänemark war in den ersten Impf-Wochen Spitzenreiter unter den EU-Ländern, bis heute haben 7,4 Prozent der Bevölkerung die erste Impfdosis erhalten (in Deutschland 5,05 Prozent). Dänemarks Regierung sieht sich unter großem Druck, weitere Öffnungen der Gesellschaft zuzulassen."
"Österreich will sich nicht mehr auf die EU verlassen" - Dolomiten (Bozen)
"Das Impfen gegen Corona geht in Österreich nur schleppend voran. (...) Das liegt auch an einem teils chaotischen Impfmanagement und Anmeldesystem, an der Auslegung des Impfplanes durch die Bundesländer mit leicht unterschiedlichen Schwerpunkten. Von den Über-75-Jährigen in Österreich sind noch nicht einmal 25 Prozent geimpft. Der Imageverlust in Sachen Corona-Bekämpfung wird für die ÖVP/Grüne-Regierung immer größer, Sebastian Kurz musste nun die Reißleine ziehen - und spielt den Schwarzen Peter scheinbar höflich, aber bestimmt der EU zu. (....) Die gemeinsame Impfstoffbeschaffung der EU untersagt es Ländern ja nicht, auf eigene Faust zuzukaufen - der Impfstoff darf dann aber nur im eigenen Land verimpft werden. Dementsprechend zähneknirschend-höflich reagierte die EU-Kommission in Brüssel gestern auf die dänisch-österreichische Initiative. (...) Der Kurz-Grant, dass Österreich nicht von der EU abhängig sein wolle, blieb unkommentiert."
"Kanzler Kurz und das Virus der Spaltung" - Tagesspiegel
"Die geplante Zusammenarbeit der beiden EU-Staaten Österreich und Dänemark mit dem Impf-Primus Israel macht deutlich, wie schwierig sich ein gemeinschaftliches Vorgehen der EU gestaltet. Bei einem Videogipfel mussten die Staats- und Regierungschefs in der vergangenen Woche erkennen, dass die EU noch auf absehbare Zeit bei den Impfungen hinter den USA, Großbritannien und Israel hinterherhinken wird. (...) Die Suche der Regierungen in Wien und Kopenhagen nach Alternativen jenseits der EU-Impfstrategie stellt indes nicht den einzigen Rückschlag für ein gemeinschaftliches Vorgehen dar. Ungarn hat bereits Vakzine aus Russland und China geordert, auch wenn es dafür keine Zulassung durch die EMA gibt. (...) Derweil hat die Slowakei, die von besonders hohen Infektionsraten betroffen ist, mit Moskau einen Vertrag über die Lieferung von zwei Millionen Dosen des Impfstoffs 'Sputnik V' geschlossen. Und auch Polens Staatschef Andrzej Duda hat mit seinem Pekinger Amtskollegen Xi Jinping bereits über eine Lieferung von chinesischem Impfstoff gesprochen."
"Corona-Impfstoff - Europäer wenden sich von Brüssel ab" - Hamburger Abendblatt
"Besonders alarmierend dürfte für von der Leyen eine Reise sein, die Österreichs Kanzler Sebastian Kurz am Donnerstag gemeinsam mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen nach Israel unternimmt. Man wolle sich nicht auf die EU verlassen, bei der Produktion von Impfstoff der zweiten Generation gegen neue Virusmutationen dürfe man nicht nur von der Union abhängig sein, erklärt Kurz sein Motiv. Beim Treffen mit dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu wollen er und Frederiksen auf eigene Faust ausloten, wie sich Produktion und Beschaffung von Impfstoffen und Medikamenten beschleunigen lassen. Die EU-Arzneimittelagentur EMA sei zu langsam, erklärt Kurz. Ein Affront gegen von der Leyen. Die gibt sich nach außen gelassen: 'Die EU-Kommission ist definitiv daran interessiert, von Österreich, Dänemark und Israel zu lernen', ließ sie einen Sprecher erklären. Doch in Wahrheit stellt Kurz alle Ankündigungen der Kommission, die Impfstoffversorgung in Europa werde sich bestimmt bald bessern, infrage. Das Misstrauensvotum wird verstärkt durch ein Gespräch, das Kurz vergangene Woche mit Russlands Präsident Wladimir Putin über die mögliche Lieferung des russischen Sputnik-V-Impfstoffs nach Österreich führte. Über das Vakzin hat sich von der Leyen gerade noch einmal sehr skeptisch geäußert."
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