Infotainment-Modell Wahlkampf-Duelle
Wahlkampf führen heißt Plakate drucken, Wahlkampf-Tourneen absolvieren, Flyer verteilen, Social-Media-Kampagnen fahren. Für die Spitzenkandidaten bedeutet Wahlkampf aber vor allem TV-Auftritte, TV-Auftritte und noch einmal TV-Auftritte. Nachdem das letzte ORF-Sommergespräch, diesmal mit Sebastian Kurz, über die Bühne gegangen ist, beginnt am Mittwoch die heiße Phase der Wahlkampf-Duelle.
Und Österreich scheint der Wahlkämpfe noch nicht müde zu sein. Nach fast vier Jahren Dauerwahlkampf (begann 2016 mit den drei Wahlgängen zur Bundespräsidentenwahl) schalten die Österreicher immer noch ein. Alleine die sechs Sommergespräche wurden insgesamt von 3.900.000 Menschen verfolgt. 14 weitere TV-Auftritte, darunter die Elefantenrunde auf schau.tv und kurier.at am 12. September, folgen noch.TV-Duelle nehmen einen wichtigen Platz bei den Wahlwerbenden aber auch bei den Umworbenen ein.
„Gouvernantenhaft“
Die erste TV-Konfrontation in Österreich fand 1970 zwischen SPÖ-Obmann Bruno Kreisky und ÖVP-Spitzenkandidat Josef Taus statt. Schon im ersten Gespräch fiel eine Aussage, die bis heute in Erinnerung ist: Kreisky mahnte Taus, er möge nicht so „gouvernantenhaft“ auftreten. Auch heute noch erwarten die meisten Zuseher einen Unterhaltungsfaktor bei den TV-Duellen.
Unterhaltungsprogramm
Deshalb steigt immer noch die Anzahl an TV-Terminen. Dieses Mal gibt es 23 davon. Denn die TV-Duelle sind informierende Unterhaltung, die die Menschen gerne anschauen. „TV-Duelle haben einen hohen Entertainment-Faktor, ein bisschen wie ein Gladiatorenrennen,“ sagt Meinungsforscher Peter Hajek. Die Zuseher würden genau darauf achten, ob jemandem ein Schnitzer oder gar ein grober Fehler passiert, so Hajek weiter.
Die Zahl der noch Unentschlossenen fällt laut der letzten Umfrage des Instituts von Peter Hajek für das profil auf unter zehn Prozent. Weswegen nur im Falle eines echten Schnitzers noch von gravierenden Änderungen im Wahlverhalten auszugehen ist, so Hajek. Denn neben dem Unterhaltungsfaktor werden durch die Debatten hauptsächlich bestehende Meinungen der Wähler bestätigt, sind sich die Experten einig.
Für Politiker sind die TV-Termine trotzdem immens wichtig, erklärt Tatjana Lackner, Polit-Coach und Rhetorikerin im Gespräch mit dem KURIER. Wahlen würden durch Persönlichkeiten gewonnen, deshalb schließen Wähler von den Auftritten der Politiker in den TV-Duellen auf die Parteien. „Wer Werner Kogler auch im TV-Duell super findet, der wird vermutlich die Grünen wählen“, erklärt Lackner weiter. Peter Hajek ergänzt, dass Politiker bei den TV-Duellen vermeintlich nahbarer sind und für die Wähler authentisch und unmittelbar wirken. Aber gerade deshalb können TV-Auftritte kurz vor den Wahlen sich auch als Stolpersteine erweisen. Das zeigen etliche Beispiele aus der Geschichte.
Vom Taferl zum Sager
Jörg Haider zückte während des TV-Duells zur Nationalratswahl 1994 gegen Bundeskanzler Franz Vranitzky mit den Worten „Jetzt zeig ich Ihnen was“ erstmals ein „Taferl“, um Zahlen und Fakten für die Fernsehzuseher zu visualisieren. Das berühmte erste Taferl zeigte die hohen Bezüge des steirischen Arbeiterkammer-Präsidenten Alois Rechberger und brachte den SPÖ-Chef vor laufenden Kameras gehörig in Bedrängnis. Haider führte damit das Taferl als fixes Accessoire in politische TV-Debatten ein. Die dadurch entstandene Diskussion über hohe Politiker-Bezüge brachte der SPÖ das schlechte Wahlergebnis von 34,9 Prozent (7,9 Prozent minus) und führte zur Gehaltspyramide für Politiker. Bemerkenswert daran ist auch, dass dieses Ergebnis den Parteien Dualismus in Österreich beendete. Bei den vorangegangenen Wahlen 1990 konnte die SPÖ mit 42,8 Prozent noch ihre Festung halten. Der Zugewinn für die FPÖ zeichnete sich zwar schon vor dem Duell ab. Aber die Aufmerksamkeit, die Haider durch sein Taferl auf die Thema der Politker-Bezüge lenkte, besiegelte den massiven Stimmverlust für die SPÖ, die erstmals unter 40 Prozent fielen.
2002 ließ dann Alfred Gusenbauer mit einer flapsigen Bemerkung aufhorchen: Um beim TV-Duell 2002 gegen Wolfgang Schüssel möglichst locker zu wirken, sagte er bereits zu Beginn des Gesprächs zu Schüssel: „Reden’s kan Lavendel!“
SpindoktorenMeinungsforscher Thomas Hofer analysierte diese Aussage 2005 in seinem Buch „Spindoktoren in Österreich“. Gusenbauer schien laut Hofer auf die Strategien von Spindoktoren einzugehen, um Freude an der Diskussion zu zeigen und bescheiden zu wirken. Auch mit der Aufforderung an Schüssel, er solle ihm in die Augen schauen, konnte er einige Sympathiepunkte holen.
Medientrainer, Rhetorikcoaches und Pressesprecher bereiten Politiker eingehend auf TV-Duelle vor. Auch wenn fast 90 Prozent der Wähler ihre Meinung bereits gefasst haben, ist es bei den TV-Duellen wichtig sympathisch und souverän rüberzukommen, sagt Polit-Coach Tatjana Lackner. Und dafür müssen auch die Politiker selbst „ihre Situation moderieren“. Als zum Beispiel Vranitzky beim TV-Duell gegen Wolfgang Schüssel 1995 grippebedingt ins Schwitzen kam, verschwieg der SP-Chef seine Grippe nicht. Er schwitzte stark, doch um den Eindruck zu vermeiden, dass ihn die Konfrontation ins Schwitzen bringe, holte Vranitzky demonstrativ ein Taschentuch hervor und trank heißen Tee.
Ums Schwitzen ging es auch bei Alois Mock im Wahlkampf-Duell 1986. Um vor dem Duell zu entspannen, wurde Mock von seinem Medientrainer in die Sauna geschickt. Diese Strategie ging allerdings nach hinten los. Zum Duell mit Vranitzky erschien Mock rot und aufgequollen. Er sah „eher aus wie ein Eisrevuetänzer als wie ein Kanzlerkandidat“, spottete das profil. Jedenfalls konnte sich der ÖVP-Chef weder im Duell noch bei der Wahl gegen seinen Kontrahenten durchsetzen.
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