Wohin geht die österreichische Familienbeihilfe?
Über 4400 Millionen Euro wurden im Jahr 2016 im Rahmen der Familienbeihilfe vom Familienministerium an die Bezugsberechtigten überwiesen. 6,2 Prozent davon, also 273 Millionen Euro, gingen ins EU-Ausland (sowie nach Norwegen und in die Schweiz). Diese Ausgaben sollen, wenn es nach ÖVP und FPÖ geht und eine mit dem EU-Recht konforme Lösung gefunden wird, in Zukunft an die Höhe der Lebenshaltungskosten im jeweiligen Land angepasst werden. So sollen etwa Kinder in Bulgarien nur mehr 44 Prozent des aktuellen Bezugs erhalten, in der Schweiz dagegen 155 Prozent. Insgesamt stehen geplante Einsparungen in Höhe von 76.501.803 Euro Mehrkosten von 79.681 Euro entgegen.
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Die EU-Kommission hat bereits am Donnerstag angekündigt, sich die von der neuen ÖVP-FPÖ-Regierung geplante Kürzung der Familienbeihilfe im Ausland näher ansehen zu wollen. "Wir nehmen diese Ankündigung zur Kenntnis und werden die Gesetze auf ihre EU-Rechts-Konformität prüfen, wenn sie einmal angenommen sind", sagte eine EU-Kommissionssprecherin in Brüssel am Donnerstag.
EU-Sozialkommissarin Marianne Thyssen hatte bisher argumentiert, dass die Indexierung "keine wesentliche Kosteneinsparung ergeben", aber "zu einem wesentlich höheren Verwaltungsaufwand" führen würde. Generell verlangte die EU-Kommission bisher gleiche Leistungen für gleiche Beiträge, auch bei Beihilfen. Thyssen hatte Österreich mehrmals vor einem Alleingang in Sachen Familienbeihilfe gewarnt. Nach geltender Gesetzgebung sei dies nicht zulässig, hatte sie erklärt.
Rechtsexperten beurteilen die von ÖVP und FPÖ geplante Kürzung beziehungsweise Indexierung der Familienbeihilfe für Kinder im Ausland unterschiedlich. Der Sozialrechtler Wolfgang Mazal geht davon aus, dass eine Anpassung der Transferleistung an die Lebenshaltungskosten in den jeweiligen Ländern rechtlich hält. Europarechtsexperten äußerten im Ö1-"Mittagsjournal" Skepsis.
Günter Herzig, Professor für Europarecht an der Universität in Salzburg meinte, dass eine an den Wohnort angeknüpfte Anpassung der Familienbeihilfe wegen einer EU-Verordnung unzulässig sei. "Die europarechtlichen Vorgaben, die es gibt, sind so, dass es erhebliche Zweifel gibt, dass die Regelung europarechtlich halten könnte", so Herzig. Ähnlich argumentierte auch Franz Leidenmühler, Vorstand am Institut für Europarecht in Linz und SPÖ-Gemeinderat in Linz. Er geht davon aus, dass Österreich im Falle einer Umsetzung ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU droht.
Vergleichbar mit Unterhaltszahlungen
Anders die rechtliche Einschätzung des Sozialrechtlers Wolfgang Mazal, der in der Causa auch bereits ein Gutachten für die letzte Bundesregierung erstellt hatte. "Die Familienbeihilfe ist keine Leistung ähnlich der Pension, bei der ein Einzahler später eine garantierte Summe herausbekommt, sondern vielmehr eine zweckgebundene Leistung um den konkreten Aufwand für ein Kind teilweise zu refundieren", argumentiert Mazal, der für die ÖVP auch an den Regierungsverhandlungen teilnahm, in einer Stellungnahme.
Mazal vergleicht die Familienbeihilfe mit Unterhaltsleistungen. Die Familienbeihilfe sei demnach als Unterhaltsunterstützung zu sehen. Sie versetze den Unterhaltspflichtigen in die Lage, "einen Teil jener Sachgüter und Dienstleistungen, die für die Erfüllung seiner Unterhaltspflicht maßgeblich sind, nicht aus eigenen Mitteln, sondern mit Unterstützung und aus Mitteln der Allgemeinheit zu erwerben. Aus dieser Funktion ergibt sich, dass der Unterhalt bei im Ausland lebenden Kindern nach zivilrechtlicher Judikatur nicht nur nach den durchschnittlichen Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen, sondern auch im Verhältnis zur Kaufkraft im Wohnland des Kindes zu bemessen ist. Wenn der Unterhalt indexiert wird, ist es daher folgerichtig auch die Unterhaltsunterstützung zu indexieren", so Mazal.
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