IHS: Die Kassenfusion bringt eine Machtverschiebung

Wiener Gebietskrankenkasse
Bei der Reform der Selbstverwaltung kommt mehr Einfluss für die Regierung heraus.

Die von der Bundesregierung geplante Reform der Sozialversicherung setzt zwar wichtige Schritte in die richtige Richtung. Große Ungleichgewichte im Gesundheitssystem bleiben vorerst aber bestehen.

Zu diesem Schluss kommt Thomas Czypionka, Gesundheitsforscher und -ökonom am Institut für Höhere Studien, kurz IHS.

Als besonders positiv hebt der Experte die Fusion der neun Gebietskrankenkassen zu einer großen, der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), hervor. Dieser Schritt sorge dafür, dass es künftig nur noch eine Satzung und einen Gesamtvertrag (der Versicherten mit den Ärzten) gibt. Die Leistungen, die die Versicherten von dieser einen großen Kasse in Zukunft bekommen werden, sollen gänzlich harmonisiert bzw. ident sein.

IHS: Die Kassenfusion bringt eine Machtverschiebung

Große Unterschiede

Das Problem dabei: Da die Leistungen, die die Patienten derzeit von ihren Gebietskrankenkassen bezahlt bekommen, von Kasse zu Kasse genauso unterschiedlich sind wie die Honorare der einzelnen Kassen mit den Ärzten, verursacht die Fusion der Kassen zusätzliche Kosten (andernfalls müsste man jenen Patienten, die bisher sehr großzügig von ihrer Kasse behandelt worden sind, Leistungen wegnehmen).

Laut Modellrechnungen des IHS fallen rund 327 Millionen Euro dieser Harmonisierungskosten pro Jahr an.

Der mit der Reform ebenfalls einher gehende Umbau des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger hat laut Czypionka einen deutlichen Effekt: „Der Einfluss der Regierungsparteien wird jedenfalls gestärkt.“

Tatsächlich wird es zu einer Machtverschiebung weg von den Arbeitnehmervertretern und hin zu den Arbeitgebern kommen.

Hohes Risiko

Das grundsätzliche Problem im Gesundheitswesen, und damit ist man bei der wesentlichen Kritik des Experten, bleibt durch die Kassenfusion freilich ungelöst.

Denn auch die Gründung der ÖGK ändert nichts daran, dass die Risiko-Last in Österreich weiterhin sehr ungleich verteilt bleibt: Bevölkerungsgruppen, die eher wenig ins Versicherungssystem einzahlen (Arbeitslose, Bezieher von Mindestsicherung, etc.) erkranken öfter und bisweilen chronisch. Sie bleiben aber auch im neuen System ausnahmslos Versicherte der ÖGK, sprich: Sie werden getrennt von den Beamten, Bauern oder Selbstständigen, die in ihren Kassen tendenziell auch weiterhin bessere Leistungen erhalten.

Czypionka findet es schade, dass für die Reform keine Verfassungsmehrheit zustande gekommen ist. Denn dann hätten die Grenzen zwischen Angestellten, Beamten und Selbstständigen aufgehoben werden können. „Die Aufteilung von Versicherten nach Berufsgruppen ist international völlig unüblich.“

Stattdessen müsse das Ziel sein, möglichst alle Versicherten mit all ihren Risiko-Faktoren in einer Versicherung zusammenzufassen.

Christian Böhmer

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