Die Identitären: Warum Kickl sich nicht von der "NGO von rechts“ abgrenzt

Die Freiheitlichen können und wollen sich nicht von der als rechtsextrem eingestuften Identitären Bewegung (IBÖ) abgrenzen und das seit Jahren und aktuell wieder verstärkt, wie es den Eindruck macht.
Im ORF-Sommergespräch bezeichnet FPÖ-Chef Herbert Kickl nun am Montag die vom Verfassungsschutz beobachtete Bewegung als „NGO von rechts“ und definiert eines ihrer politischen Schlagwort. „Remigration“, ein von der IB besetzter Begriff, der die Rückkehr von Migranten in ihre Herkunftsländer vorsieht – wenn notwendig auch unter Gewalt – gelte nicht für jene, „die ihren wertvollen Beitrag leisten“, so Kickl. Sondern, so der FPÖ-Chef, für jene, „die unter dem Deckmantel des Asyls in Österreich Fuß fassen und von der Mindestsicherung leben“.

Susanne Schnabl und Herbert Kickl im ORF-Sommergespräch
Die Identitäre Bewegung, die seit dem Rückzug ihres Leiters Martin Sellner und dem Verbot ihres Symbols unter „Die Österreicher“ agiert, sei zudem nicht verboten, argumentiert Kickl im ORF-Sommergespräch. „Wird Dir der Bürger unbequem, punziere ihn doch als rechtsextrem. Wenn man etwas macht, was der Regierung nicht passt, dann ist man schon in der rechtsextremen Ecke“, reimt Kickl gleichsam, warum er gegenwärtig keine Notwendigkeit einer roten Linie sieht.
Sollten die Identitären ein politisches Projekt haben, das aus FPÖ-Sicht „in Ordnung ist, warum soll ich das nicht unterstützen“, fragt er ORF-Moderatorin Susanne Schnabl. Dies gelte, so der FPÖ-Chef, auch für unterstützenswerte Projekten von Greenpeace oder Global 2000.
Das sieht der politische Mitbewerb indes gänzlich anders.
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Für ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker ist Kickl „offenkundig so weit radikalisiert, dass er die Identitären gar nicht mehr als die Gefahr ansieht, die sie tatsächlich darstellen“. Mehr noch, der FPÖ-Chef sei „die größte Gefahr für die Sicherheit Österreichs“.
Stockers grünes Pendant, Olga Voglauer, erachtet „die Ansichten von Kickl und der FPÖ als brandgefährlich für Österreich“ und ortet eine „Fortsetzung des Kuschelkurses der Freiheitlichen“ mit den Identitären, spricht von einer „skandalösen Verharmlosung der rechtsextremen und antidemokratischen Bewegung, die zurecht unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht“. Auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim kritisierte, dass Herbert Kickl „mit den Rechtsextremen packelt“.
"Linke Pseudomoral"
Der Verfassungsschutz stellt für die FPÖ allerdings kein Ausschluss- oder Abgrenzungskriterium dar. Denn – geht es nach Kickl im ORF-Sommergespräch – habe der Verfassungsschutz die Verfassung zu schützen und nicht eine „linke Pseudomoral“.
Dabei scheinen die Identitären bereits beim Verfassungsschutzbericht 2017 auf, den Kickl 2018 unter Türkis-Blau als Innenminister präsentiert und dazu auch ein Vorwort geschrieben hat. Die entscheidende Textpassage:
„In diesem Kontext tritt die Identitäre Bewegung aktuell als eine der wesentlichen Trägerinnen des modernisierten Rechtsextremismus auf.“ Mittlerweile sind sie jedes Jahr fixer Bestandteil des Verfassungsschutzberichts.
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Ganz egal war der FPÖ allerdings nicht, was innerhalb der rechten Bewegung passiert, denn 2018 – die FPÖ regiert mit der ÖVP unter Sebastian Kurz das Land – beschließt der blaue Parteivorstand, dass kein FPÖ-Funktionär gleichzeitig aktives Mitglied bei der Identitären Bewegung sein kann. Der Beschluss ist auch nach den Wechseln an der Parteispitze (von Heinz-Christian Strache zu Norbert Hofer und 2020 Herbert Kickl) aufrecht. Und doch gibt der Umgang mit der „rechten NGO“, wie sie Kickl nunmehr nennt, immer wieder Anlass für interne Dissonanzen und öffentliche Schlagzeilen.

Michael Schnedlitz
2020 holt beispielsweise den nunmehrigen FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz eine vier Jahre zurückliegende Anti-Asyl-Demonstration in Wiener Neustadt ein. „Liebe Identitäre Bewegung, ich begrüße euch recht herzlich in Wiener Neustadt! Hier seid ihr herzlich willkommen! Bewegungen wie die Pegida in Deutschland, die sind die Speerspitze, die die Bevölkerung im Kampf gegen die Bundesregierung und gegen dieses System noch brauchen wird“, sagt Schnedlitz 2016. Im KURIER-Interview 2020 verteidigt Schnedlitz seine Wortwahl – „Ich lasse mich von niemandem von meinem Grundsatz abbringen, dass bei mir jeder Staatsbürger, der sich am Boden des Rechtsstaates bewegt, herzlich willkommen ist“. Gleichzeitig hält er fest, nie ein Mitglied der Identitären gewesen zu sein. „Und es gibt auch kein Naheverhältnis oder Ähnliches“. Aber es gibt auch keine blaue Abgrenzung, wie spätestens seit Wochenbeginn erneut klar ist.

Martin Sellner bei einer Anti-Corona-Demo 2020
Die FPÖ, so politische Beobachter, halten es weiter mit dem Bayerns ehemaligem CSU-Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (1915-1988), der die Devise ausgab: „Rechts von uns darf es keine politisch legitimierte Partei geben“ und: „Rechts von mir ist nur die Wand“. Die IBÖ, so der parteiinterne Tenor, nutze derzeit als Mobilisierungsfaktor mehr als sie schade.
Martin Sellner, der als einer der wenigen dieser rechten Bewegung immer wieder auch öffentlich in Erscheinung tritt, sagt auf KURIER-Nachfrage nach dem ORF-Sommergespräch provozierend: „Ebenso wie sich der linke Mainstream mit einem Volkskanzler Kickl abfinden muss, muss man sich allmählich auch an patriotischen Aktivismus gewöhnen, denn wir werden nicht aufhören, bis der Bevölkerungsaustausch aufhört.“
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