Grasser: "Manchmal ist es wie ein Horrorfilm für mich"

Halbzeit im Buwog-Prozess. Karl-Heinz Grasser zieht erstmals Bilanz. Er sieht sich entlastet, hat sich mit Meischberger ausgesöhnt.

Man braucht kein Rechtsexperte zu sein, um zu ahnen: Für die Causa Buwog dürfte sich die Republik Österreich eine Verurteilung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen überlanger Verfahrensdauer einholen. 2009 starteten die Ermittlungen gegen Karl-Heinz Grasser & Co. Zehn Jahre später sind 90 Prozesstage absolviert, und ein Urteil wird erst für 2020 erwartet. Wahrscheinlich kommen noch einmal rund 90 Prozesstage hinzu. So viel allein zu der außergewöhnlichen Dimension der Causa. 

KURIER: Herr Grasser, 90 Prozesstage sind vorbei, und es ist noch lange kein Ende in Sicht. Warum erleben Sie den Prozess als "lebensbegleitende Strafe", wie Sie es vor Gericht genannt haben? Gerade der Prozess dient doch zur Urteilsfindung ...  

Karl-Heinz Grasser: Es sind ja nicht nur die 90 Prozesstage. Die Ermittlungen starteten 2009. Das heißt, die Causa Buwog dauert nun schon fast zehn Jahre. Die acht Jahre Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft waren eine riesige emotionale und menschliche Prüfung für mich, weil das Verfahren leider rechtswidrig öffentlich geführt wurde. Jede Woche hat für mich durch diverse Headlines eine Bombe eingeschlagen. Und glauben Sie mir: Wenn man 90 Tage in diesem Gerichtssaal sitzt – und ich weiß, ich muss dort sitzen –,  dann ist das für mich so etwas wie ein Freiheitsentzug. So ist das Verfahren in diesen zehn Jahren  für mich zu einer massiven  Strafe geworden. 

Wann rechnen Sie mit einem Urteil? 

Meine Anwälte sagen mir etwa 2020. Die Anklageschrift hat 825 Seiten. Sie ist falsch  und beinhaltet unglaubliche Fehler  und Aktenwidrigkeiten, dass Richterin Marion Hohenecker nun gezwungen ist, vor Gericht ein Ermittlungsverfahren zu führen.  Als der Prozess startete, rechneten meine Anwälte mit maximal 100 Prozesstagen. Jetzt sind wir bei 90 Tagen, und wir haben die Halbzeit noch nicht erreicht. Darüber muss man schon mal nachdenken. Wenn es Belastendes gäbe, dann wäre ich schon längst verurteilt. 

Da gibt es den Vorwurf, dass die Anwälte einiges dazu beitrugen, dass die Ermittlungen acht Jahre dauerten. 

Dem hat selbst der Generalsekretär im Justizministerium, Christian Pilnacek, widersprochen. Pilnacek meinte, im Gegensatz zu einem anderen Verfahren, das ich jetzt nicht namentlich nennen möchte, gab es in der Causa Buwog keine Verzögerung durch die Anwälte. 

Jetzt sind drei Wochen Prozesspause. Kann man in dieser Pause abschalten? 

Gott sei Dank ist Pause. Die Tage vor Gericht sind extrem anstrengend für mich. Es geht um viel. Es geht um mein Leben, meine Freiheit. Ich bin sehr konzentriert, schreibe bei den Aussagen mit, um mich für die Repliken auf die Zeugenaussagen vorzubereiten. Aber abschalten geht nie. Ich komme mit diesen Dingen ganz gut zurecht, aber emotional ist es schwierig, weil meine Eltern, die 76 und 80 Jahre alt sind und nicht mehr bei bester Gesundheit, sehr betroffen sind. Meine 11-jährige Tochter ist  in der Schule damit konfrontiert. Es belastet mich sehr, dass so viele Menschen, die ich liebe, unter diesem Verfahren leiden müssen.

 

Grasser über seinen größten Fehler

Als Sie Ihre Frau geheiratet haben, galten Sie als der Traumschwiegersohn. Lange waren Sie der Buhmann. Ihre Frau steht seit zehn Jahren  hinter Ihnen. Eine positive Überraschung? 

Lassen Sie es mich so sagen: Ohne den Rückhalt meiner Familie würde ich dieses Verfahren nicht überstehen.  Ich kann meiner Frau, meinen Kindern und meiner Familie nicht genug  danken. Wenn man zehn Jahre durch diese Abgründe geht, durch die ich gehe,  und man das als Ehepartner aushalten muss, obwohl meine Frau ein sorgenfreies Leben führen könnte, dann ist das eine außerordentliche Leistung, vor der ich immer wieder den Hut ziehe.  

 

Grasser: "Manchmal ist es wie ein Horrorfilm für mich"

Viele Jahre vor Prozessstart haben Sie Ihre Anwaltskosten mit mehr als einer Millionen Euro beziffert. Wie hoch liegen sie jetzt?

Das wollen Sie nicht wissen. Die sind auf jeden Fall noch sehr viel höher geworden. Ich habe für mich gelernt: Wenn du dich nicht gut verteidigen kannst und dir keine guten Anwälte leisten kannst, dann sitzt du schon längst im Gefängnis. Hätte ich mir jemals gedacht, dass mir so was passiert? Nein. Ich wache heute noch auf und hoffe, es war  nur ein schlechter Traum. Manchesmal ist es wie ein Horrorfilm für mich. Wenn ich schon durch so ein Verfahren gehen muss, bin ich froh, dass Richterin Marion Hohenecker das Verfahren so penibel führt und den Zeugen Raum für die Aussagen gibt. Das gibt mir Hoffnung, dass ich am Ende Gerechtigkeit bekomme und meine Reputation wieder hergestellt ist. 

Spulen wir die 90 Prozesstage zurück: Es gab das Geständnis von Peter Hochegger. Zusätzlich hat Sie Ihr Ex-Mitarbeiter Michael Ramprecht belastet, dass die Privatisierung ein "abgekartetes Spiel" war. Dem gegenüber stehen  zehn Zeugenaussagen, die am Privatisierungsprozess beteiligt waren, die  Sie entlastet haben. Für die Richterin wird das eine schwierige Beweiswürdigung. Wie schaut Ihre Bilanz aus? 

Ich bin mit dem Verlauf der 90 Prozesstage und den Zeugen, die zur Vergabe der Bundeswohnungen ausgesagt haben, eigentlich sehr zufrieden.  Tatsächlich muss man jetzt erkennen, dass der Verkauf der Bundeswohnungen korrekt durchgeführt wurde. Es gibt keinen Hinweis auf Manipulation und einen Geldfluss an mich. Weder Hochegger noch Ramprecht haben eigene Wahrnehmungen. Sie behaupten, Informationen vom Hörensagen zu haben. Ihre vermeintlichen Informanten haben sich jedoch klar und eindeutig widersprochen. Aber natürlich bin ich nach  dem Lügen-Geständnis des Peter Hocheggers anfangs aus allen Wolken gefallen. Ich war total schockiert! Damit habe ich nicht gerechnet.  

 

Grasser: "Manchmal ist es wie ein Horrorfilm für mich"

Aber warum sollte sich  Hochegger selbst belasten? 

Die Analyse ist für mich klar: Um seine Position vor Gericht zu verbessern, hat Peter Hochegger diese Geschichte erfunden. Die zehn Zeugen, die die Privatisierung in der Vergabekommission mitgestaltet und durchgeführt haben, haben allesamt bestätigt, dass ich nichts beeinflusst habe und dass die zweite Bieterrunde zwingend war. Die Republik hat dadurch 40 Millionen Euro mehr erlöst. Ich fühle mich durch die Zeugenaussagen klar bestätigt, dass die Vergabe erfolgreich und korrekt durchgeführt war. 

Grasser über den knappen Abstand der Bieter

Gerade über diese Vergabekommission, die Sie eingerichtet haben, hat der ehemalige Budget-Sektionschef Gerhard Steger ausgesagt, dass sie zum "Krenreiben" war.

Andere Zeugen haben diese Aussage relativiert, indem sie Stegers Persönlichkeit skizziert haben. Der Sektionschef war immer der Meinung, dass wir keine Experten von außen brauchen, sondern das Finanzministerium alles am besten selber erledigt. Steger hat seinen persönlichen Konflikt mit mir vor Gericht dargestellt, wir waren  keine Freunde, ich habe damals ein Disziplinarverfahren gegen ihn angestrengt.  Trotzdem gab es keinen Hinweis von ihm, dass etwas nicht korrekt abgelaufen wäre. Das spricht Bände, wenn man weiß, dass Steger ein massiver politischer Gegner von mir war.

Es dreht sich alles um die Frage, wie kam es zu dem knappen Abstand der Bieter zwischen rund 960 Millionen und 961 Millionen. Sie meinten nun, dass die Offenlegung der Finanzierungszusage der CA-Immo  von 960 Millionen für die zweite Runde keine Rolle spielte. Kann man diese Summe so einfach vom Tisch wischen?

Das war insofern ein Richtwert,  als die CA-Immo (zur Info: letztlich unterlegener Zweitbieter neben der Immofinanz) damit ihre Finanzierungszusage offen gelegt hat. Tatsächlich angeboten hat sie hingegen nur 923  Millionen, mit Abschlag von 60 Millionen Euro für das Zinsänderungsrisiko. Der Lehman-Brothers-Banker Thomas Marsoner hat es vor Gericht auf den Punkt gebracht. Es gab mathematische Modelle zur Preisberechnung, bei denen   mathematisch ein sehr ähnliches Ergebnis herauskam. Damals hat sich Lehman Brothers diese rationale, logische Erklärung für die knappen Bietersummen gegeben, weil es ein ausgereiztes Verfahren war. Es gab fünf Bieterrunden. Wir steigerten den Erlös von 450 Millionen in der ersten Runde auf 961 Millionen Euro in der Finalrunde. Plus der Schuldenübernahme war es ein Transaktionserlös von 2,5 Milliarden Euro. 

Also weiterhin alles "supersauber"... 

Ich würde dieses Wort heute nicht mehr so verwenden, aber gerade die Tatsache, dass ich so formuliert habe, zeigt mein reines Gewissen. Die Staatsanwaltschaft behauptet, dass nur ich die Summe von 960 Millionen Finanzierungszusage hätte weitergeben können. Ich denke, mir ist es vor Gericht gelungen, herauszuarbeiten, dass allein im Finanzministerium 20 oder mehr Personen informiert waren. Bei den Käufern waren viele Personen in die Berechnungen und die Freigabe der Bietersumme vom sogenannten Marktbereich und Controlling  bis zum Vorstand und Aufsichtsrat involviert. Ich kämpfe seit Jahren um Gerechtigkeit, damit das Bild "Grasser ist gleich Verbrecher" wieder verschwindet. Ich habe nichts Falsches, sondern einen korrekten Job gemacht. Die einen mögen mich, die anderen hassen mich. Die einen sind politisch auf meiner Seite, die anderen nicht. Das ist so in einer Demokratie. Ich möchte nur, dass endlich ans Tageslicht kommt, wie die Bundeswohnungen-Privatisierung damals wirklich ablief.  

Wann haben Sie erfahren, dass Ihr damals bester Freund Walter Meischberger für die Immofinanz Lobbying machte?

Das war 2009, kurz bevor er die Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung einbrachte – also fünf Jahre nach der Privatisierung. Damals rief er mich an und meinte, er muss mit mir dringend sprechen.  Walter Meischberger sagte: "Du, ich habe gemeinsam mit dem Peter Hochegger gemeinsam für das Österreich-Konsortium Lobbying gemacht und eine sehr hohe Provision bekommen". Diese Worte waren für mich ein Schock in doppelter Hinsicht. Erstens, weil ich nichts davon wusste und zweitens, weil unser Naheverhältnis ja dokumentiert war. Ich habe damals, durch die vielen politischen Gegner, die ich mir in meiner aktiven Zeit aufgebaut habe, schon befürchtet, dass das zum Grasser-Bashing verwendet wird. Dieses Verfahren hat seinen Ursprung in den Anzeigen der ehemaligen Grünen-Abgeordneten Gaby Moser und Peter Pilz. Der damalige verantwortliche Leiter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft war Walter Geyer, zuvor ein langjähriger Abgeordneter und stellvertretender Klubobmann der Grünen. Vorsitzender des Weisungsrates, der die Anklage zugelassen hat, war mit Herrn Pleischl ein ehemaliger ausgewiesener sozialdemokratischer Funktionär. Dieses Verfahren ist von politischer Verfolgung gekennzeichnet. Das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft hat jedenfalls nichts mit einem fairen Verfahren zu tun und widerspricht der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Dass Angeklagte und Staatsanwalt keine Freunde sind, liegt in der Natur der Sache und ist auch deren Job... 

Aber was hier passiert ist, ist eines Rechtsstaates wirklich nicht würdig. Bei der ersten Einvernahme von Ex-Immofinanz-Chef Karl Petrikovics gab es das Angebot des Staatsanwaltes: "Liefern Sie mir den Grasser: Es wird Ihr Schaden nicht sein." Der Vorwurf, den ich der Staatsanwaltschaft mache, ist folgender: Sie hat einseitig, nicht objektiv und nur in meine Richtung ermittelt. Die haben sich in mich verbissen und waren beseelt davon, mich auf die Anklagebank zu bringen. Entlastendes hat die Staatsanwälte nicht interessiert. Auch die wichtige Rolle Jörg Haiders in diesem Bieterverfahren, die nun durch das penible Gerichtsverfahren ans Tageslicht kommt, wurde nie berücksichtigt. Der Ex-FPÖ-Kabinettchef von Michael Schmid, Willibald Berner, hat für die Staatsanwaltschaft den angeblichen Tatplan, der eine Lüge ist, aufgezeichnet. Auf dieser Zeichnung gibt es übrigens zwei Äste. Einen Grasser-Meischberger-Plech-Hochegger-Ast. Der andere Ast lautet Jörg Haider, Karl-Heinz Petritz (Ex-Pressesprecher von Haider) und Gerald Mikscha (Haider-Vertrauter) und Berner. In diese Richtung gab es keine Ermittlungen. Ich behaupte heute: Hätte sich die Staatsanwaltschaft in den acht Ermittlungsjahren konkret mit den möglichen Informationsflüssen und der Rolle von Haider auseinandergesetzt, dann wäre ich nie angeklagt worden. 

Die Staatsanwaltschaft folgte der Spur des Geldes und kam zu Ihrem Freund Walter Meischberger, der 9,6-Millionen-Euro-Provision und den drei Liechtensteiner Konten... 

Und dann rechnet die Staatsanwaltschaft mir ausgerechnet das Konto 400.815 zu, das Walter Meischberger schon 2001 eröffnete – also fünf Jahre, bevor die Buwog-Provision floss und wo er schon andere Geschäfte abgewickelt hatte. Für dieses Konto war ich nie zeichnungsberechtigt oder wirtschaftlich Berechtigter. Zwischen 2001 und dem Ermittlungsstart 2009 gibt es nicht einen Beweis, dass ich auch nur einen Cent von diesem Konto bezogen habe oder darüber verfügen hätte können. Ich lasse mir dieses Meischberger-Konto nicht andichten.

Eine überraschend zentrale Rolle in dem Prozess spielt Jörg Haider, dem Sie ein Vorkaufsrecht für die Villacher ESG Wohnbaugesellschaft gegeben haben. Haben Sie damit das Zepter aus der Hand gegeben? Denn am Ende hat Haider den Bestbieter bestimmt ... 

Warum habe ich es ihm gegeben? Das war ganz einfach: Weil Jörg Haider es verlangt hat. Weil er der Landeshauptmann von Kärnten war. Weil Jörg Haider und Wolfgang Schüssel die Gründungsväter der ÖVP-FPÖ-Koalition waren. Das war im Jahr 2002, wo die Koalition ohnehin schon am Prüfstand war und Knittelfeld kurz darauf tatsächlich passierte. Haider hat enormen Druck gemacht. Er meinte, da gibt es 10.000 Kärntner Wohnungen in diesem Paket, und er will nicht, dass diese in ausländischen Besitz kommen. Deswegen wollte er ein Vorkaufsrecht, um dann zum höchstgebotenen Preis diese Wohnungen kaufen zu können. Das war auch wirklich legitim. Das Vorkaufsrecht war der Preis, damit die gesamte Privatisierung überhaupt passieren konnte. Denn Haider hätte in der Koalition die Kraft gehabt zu sagen, es wird nicht privatisiert.

Die Haider-Rolle bei der Privatisierung ist aber keine Entlastung für die Vorwürfe beim Terminal Tower… 

Die Einmietung in den Terminal Tower in Linz wurde von den Beamten des Finanzministeriums vorbildlich verhandelt und korrekt umgesetzt. Was mich menschlich tief betroffen macht, ist, dass die Staatsanwälte insgesamt 14 Personen angeklagt haben. Mir tun alle anderen, vor allem die Angeklagten in der Sache Terminal Tower, leid. Das ist etwas, was mich belastet. Und warum sind sie angeklagt? Weil die Staatsanwaltschaft die absurde Behauptung aufstellt, dass ich die Einmietung in den Terminal Tower manipuliert hätte. Deswegen klagt man zehn Mitarbeiter und Manager an. Das ist Willkür. Damit vernichtet man Existenzen und richtet Familien zugrunde. Diese Angeklagten sitzen seit fast 90 Prozesstagen im Gericht und spielen de facto keine Rolle. Für diese lange Verfahrensdauer und die enorm hohen Kosten muss sich die Politik ernsthaft eine Lösung für die Zukunft überlegen. 

Walter Meischberger behauptet, dass er den Tipp von Jörg Haider bekommen hat. War Haider so gut vernetzt, dass er die Bietersumme auch von der Bank Austria hätte erfahren können?

Haider war großartig vernetzt. Er hat mir persönlich den damaligen Vorstandschef der Bank Austria vorgestellt als ich Minister wurde. Er war auch mit Ludwig Scharinger sehr gut bekannt. Aber letztendlich weiß ich es nicht, wer wem welche Informationen gegeben hat. Ich war es nicht. Ich habe mit Jörg Haider wegen dem Vorkaufsrecht der ESG Villach mehrmals telefoniert, habe ihn gebeten, dass das Land Kärnten schnell entscheidet, ob es das Vorkaufsrecht zieht oder nicht. Mir war die Rolle von Jörg Haider, so wie es jetzt vor Gericht hervorkommt, damals nicht bewusst.  

Was hätte es Haider gebracht, bei diesem Deal das Zünglein an der Waage zu sein?

Das weiß ich nicht, darüber will ich nicht spekulieren. Aber ich bin heute davon überzeugt, dass es meine Anklage nicht gegeben hätte, wenn die Staatsanwaltschaft korrekt und unvoreingenommen in alle Richtungen ermittelt hätte.

 

Grasser über Schwiegermuttergeld

Bei Ihrer Aussage vor Gericht wurden Sie von Richterin Marion Hohenecker auch zum berühmten Schwiegermuttergeld in der Höhe von 500.000 Euro befragt. Warum haben Sie damals das Geld selbst über die Grenze gebracht und nicht einfach überweisen lassen? Und warum bunkert ein Ex-Finanzminister Geld ausgerechnet auf einem Off-Shore-Konto in Belize

Würde ich mir wünschen, das wäre nie so passiert? Das ist gar keine Frage. Aber es ist damals so passiert. Es ist und war nie mein Geld, sondern meine Schwiegermutter hat es meiner Frau anlässlich der Verlobung und  Hochzeit geschenkt, und ich sollte es veranlagen. Ja, es ist etwas, wo mir wegen der Optik Fragen gestellt werden. Aber es ist klar dokumentiert, dass ich diese Geschichte nicht erfunden habe. Auch in der Meinl Bank habe ich 2005 schon gesagt, dass dieses Geld aus der Quelle Schwiegermutter kommt. Dafür gibt es mehrere Zeugen. Meine Frau hat den Sachverhalt ebenso bestätigt. 

Und wie kommt das Geld nach Belize

Am Höhepunkt der Finanzkrise 2008 hatte ich Angst, das Geld zu verlieren. Also habe ich es über den langjährigen Vermögensverwalter meiner Schwiegermutter und meiner Frau abgewickelt und das Geld zurückgezahlt. Das ist nachvollziehbar. Das Pech ist, dass dieser Vermögensverwalter nicht nur mich und dieses Geld betreut hat, sondern auch Walter Meischberger von diesem Vermögensverwalter betreut wurde. Ich möchte aber nochmals betonen, dass dieses Geld nicht Teil der Anklage ist, weil auch die Staatsanwaltschaft erkannte, dass es sich nicht um Buwog-Provisionsgeld handelt.

Auf diesem Mandarin-Konto vermengen sich das Schwiegermutter-Geld und Geld vom berühmten Konto 400.815. Ist das ein Zufall zu viel? 

Das behauptet die Staatsanwaltschaft, dass es eine Vermischung der Gelder von mir und Walter Meischberger gibt. Das ist definitiv falsch. Der Vermögensberater hat das Geld lange, bevor die Causa Buwog verfolgt wurde, weiter überwiesen, und es ist mündelsicher für unsere Kinder angelegt. Der Vorgang war rechtlich völlig korrekt. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

Sie und Walter Meischberger haben sich in der Ermittlungsphase Wertkartenhandys zugelegt, weil sie nicht abgehört werden wollten. Wenn man nichts zu verbergen hat, warum kauft man sich dann Wertkartenhandys?

Das ist ganz einfach: Weil bei diesem Verfahren alles an die Öffentlichkeit gekommen ist. Es ist mir passiert, dass der Staatsanwalt mir die Akteneinsicht verweigerte und just einen Tag später lese ich dann den Inhalt genau dieser Akten exklusiv in einem Nachrichtenmagazin. Ich musste lernen, dass es hier einen permanenten Amtsmissbrauch gab. Ich war nicht interessiert daran, dass die Gespräche, Krankheitsgeschichten und Urlaubspläne meiner Familie an die Öffentlichkeit kommen. Trotzdem bin ich froh, dass die Tonbänder in der Gerichtsverhandlung erstmals in voller Länge abgespielt wurden. Jeder, der im Gerichtssaal die gesamten Abhörprotokolle gehört hat, hat erkennen müssen, dass sie nicht belastend, sondern entlastend sind. Ich verweise nur auf eine Passage im Abhörprotokoll hin, wo ich zu Meischberger sage: "Das ist ja kein Problem. Weder habe ich einen Amtsmissbrauch begangen, noch habe ich Geld genommen." Diese und viele andere Passagen wurden  im Audimax von den Kabarettisten nie vorgebracht oder in irgendeinem Artikel geschrieben. 

 

Grasser: "Manchmal ist es wie ein Horrorfilm für mich"

Was war der größte Fehler von Ihrer Seite? War es ein Fehler, sich den besten Freund als politischen Berater zu nehmen, der gleichzeitig auch Lobbying-Geschäfte gemacht hat?

Ich kann es Ihnen nicht sagen, darüber habe ich selbst oft nachgedacht. Walter Meischberger ist ein sehr guter politischer Berater. Er hat viel Erfahrung, er kann politische Situationen sehr gut analysieren. Erst kürzlich hat ein Zeuge die Brillanz seiner Analyse gelobt. Es gab eine ganz klare Trennwand zwischen Freundschaft und Informationen. Wir haben uns nicht oft gesehen, das dokumentieren auch meine Terminkalender aus der Ministerzeit. Mehr als ein Treffen pro Monat gab es nicht. Sicher habe ich Fehler gemacht, offensichtlich habe ich mir zu viele politische Feinde gemacht. Hätte ich das Angebot von Wolfgang Schüssel 2002 nicht angenommen, dann hätte ich mir viel erspart. Nämlich diesen fokussierten Hass auf mich. Es gab ja nicht nur die Buwog-Anzeige, sondern auch viele andere, die allesamt eingestellt wurden.  

Vor Gericht haben Sie ausgesagt, dass die Freundschaft viele Jahre auf Eis lag. Wie ist die Beziehung jetzt?

Ich war 2009 emotional total getroffen und dachte mir: Wie komme ich zu dieser Geschichte? Warum muss ich mir vorwerfen lassen, dass dieses Verfahren nicht korrekt abgelaufen ist? Deswegen gab es jahrelang gar keinen Kontakt. Aber man muss solche Situationen immer aus zwei Perspektiven betrachten. Meischberger wollte mir sicher nicht schaden, und er hat auch versucht, alles zur Aufklärung beizutragen. Und ewig kann man auch nicht nachtragend sein. Das Gericht hat uns wieder zusammengeführt. Wir sitzen nebeneinander, tauschen uns aus, weil wir Leidgenossen sind. Aber private Treffen gibt es keine. 

Haben Sie derzeit  Zukunftspläne? 

Ich bin optimistisch, meine Zukunftspläne beginnen mit dem Tag, wo ich Gerechtigkeit erfahre. 

Sie glauben an einen Freispruch? 

Wie gesagt, ich bin optimistisch. Ich weiß, dass ich mir nichts zu Schulden habe kommen lassen. Es ist durch Gutachten belegt, dass dieses Ermittlungsverfahren nicht fair geführt wurde. Die Staatsanwälte haben Beschuldigte unter Druck gesetzt. Für mich liegt klar auf der Hand, dass es mit  Hochegger eine verbotene Absprache gab. Hochegger  war schon im Gefängnis. Er hat noch dieses Verfahren und das Telekom-Verfahren vor sich. Er möchte das alles schnell hinter sich lassen, nach Brasilien gehen, um dort zu leben. Das kann ich persönlich nachvollziehen. Es entschuldigt aber nicht, dass er einen anderen Unschuldigen belastet, um seinen Hals aus der Schlinge zu ziehen.

Anmerkung: Der KURIER hat von Prozessbeginn an ausführlich und objektiv darüber informiert und enthält sich auch hier in seiner Berichterstattung jeder Parteinahme.

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