Ibiza-Drahtzieher bietet dem U-Ausschuss die Langversion des Videos an

IBIZA-U-AUSSCHUSS: SOBOTKA
Anwalt von Julian H. schrieb Brief an Sobotka. FPÖ und Neos werfen Soko Ibiza nun vor, den Anwalt nicht um das Video gefragt zu haben

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss könnte das Ibiza-Video direkt vom mutmaßlichen Drahtzieher der Affäre, dem untergetauchten Detektiv Julian H., bekommen. Dessen Berliner Anwalt Johannes Eisenberg hat das Video in einem Schreiben an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka angeboten.

Ob das Parlament das Angebot annimmt, soll am Montag in einer Sitzung der Fraktionsführer besprochen werden. Wolfgang Sobotka hat dafür bereits ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Sobotka ist auch Vorsitzender des Untersuchungsausschusses. Der ursprünglich geplante Freitagtermin für die Entscheidung, ob das Video angenommen wird, wurde auf Montag verschoben, weil Sobotka am Freitag keine Zeit habe, hieß es am Donnerstag spätabends.

Gutachten in Arbeit

Die rechtliche Einschätzung des Rechts- und Legislativdiensts des Parlaments, wie in dieser Sache zu verfahren ist, wird am Freitag vorliegen, teilte das Büro Sobotkas der APA am Donnerstagnachmittag mit.

Anwalt Eisenberg hat dem Parlament die unveränderte Originalversion des Videos samt Tonspur offeriert.

Auswertung "komplex"

Die Tatsache, dass das Video schon Ende April von der Soko Tape sichergestellt wurde, dem U-Ausschuss aber noch nicht übergeben wurde bzw. nicht einmal klar ist, wann dies der Fall sein wird, hat diese Woche für große Aufregung gesorgt. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) hatte im U-Ausschuss erklärt, dass die Auswertung lange dauerte, weil sie komplex war - und dass die Staatsanwaltschaft für die Weitergabe an den U-Ausschuss zuständig sei.

Die FPÖ reagierte am Donnerstag mit einer Aussendung auf den Brief des Anwalts. „Haben die SOKO Ibiza und die Staatsanwaltschaft Wien ernsthaft nach dem Ibiza-Video gesucht - oder wollte man in Wahrheit weder Video noch Hintermänner finden?“ - Diese Frage stellte sich für FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker nach dem Brief des deutschen Anwalts Eisenberg.

Mysteriöse Behauptung des Anwalts

Für Hafenecker sticht aus dem Brief die Behauptung hervor, weder die SOKO Tape noch die Staatsanwaltschaft Wien hätten jemals versucht, über den Anwalt das Video zu erhalten. „Und ich habe den Eindruck, dass auch niemals ernsthaft versucht wurde, den Ibiza-Detektiv festzunehmen und einzuvernehmen. Denn im Gegensatz zur vermeintlichen Oligarchin, nach der die Behörden jetzt weltweit mit Fotos suchen, könnte er wohl über mögliche politisch motivierte Auftraggeber und Vermittler des Videos Auskunft geben. Das dürfte den schwarzen Netzwerken zwischen Polizei und Justiz gar nicht gefallen“, vermutete Hafenecker.

Detektiv H. soll als Zeuge geladen werden

Der FPÖ-Fraktionsführer kündigt  parlamentarische Anfragen an Justizministerin und Innenminister an. „Ich will genau wissen, welche Ermittlungsschritte konkret in Richtung des Ibiza-Detektivs gesetzt wurden und ob tatsächlich niemals versucht wurde, über ihn bzw. seinen Anwalt an das Video zu gelangen. Das wäre ein derart massives Ermittlungsversagen, dass sowohl der SOKO als auch der Staatsanwaltschaft Wien der Fall entzogen werden müsste und umgehend geeignetere Polizei- und Justizbehörden zur Suche nach den Hintermännern eingesetzt werden müssten.“

An die Einsetzer des U-Ausschusses, SPÖ und Neos, appelliert Hafenecker, den Ibiza-Detektiv als Auskunftsperson zu laden.

Neos: "Blamage" für Soko Ibiza

Die Neos reagierten ihrerseits fassungslos. „Es ist nicht zu fassen, dass dieser Ermittlungsschritt unterlassen wurde“, sagt Stephanie Krisper, NEOS-Fraktionsführerin im Ibiza-Untersuchungsausschuss, nachdem bekannt geworden war, dass der Anwalt von Julian H. das Ibiza-Video offenbar tatsächlich hat und dem Untersuchungsausschuss und der WKStA auch zur Verfügung stellen will.

„Wir haben bei der Vorbereitung auf die Befragung des Leiters der Soko Tape, Andreas Holzer, bemerkt, dass laut Akten und medialer Aussagen des Anwalts von Julian H. offenbar nie versucht wurde, das Video von den mutmaßlichen Machern zu erhalten“, sagt Krisper. „Und wir haben uns erstens gefragt, warum das unterlassen wurde, und zweitens U-Ausschussvorsitzenden Wolfgang Sobotka ersucht, das für den U-Ausschuss nachzuholen und den Anwalt zu kontaktieren. Denn mehr als ein Nein war nicht zu riskieren. Fragen kostet ja nichts, und wer nicht fragt, bekommt nichts - in dem Fall das Ibiza-Video.“

"Zum Fremdschämen"

Für den U-Ausschuss sei die Entwicklung erfreulich, weil die Übermittlung durch den Anwalt wohl schneller gehen wird als die Übermittlung durch das Innenministerium und die Justiz, sagt Krisper. „Sobotka ließ das Thema gestern offen, nun hat sich die Frage für den U-Ausschuss wohl geklärt.“

Für die Soko Tape bedeutet ihr Unterlassen aber eine unfassbare Blamage. „Es ist mir unerklärlich, wie man diesen Ermittlungsschritt aussparen konnte und dadurch sehr wahrscheinlich sehr viel später als möglich an das Video gekommen ist. Die Selbstbeweihräucherung der Soko Tape für die Sicherstellung des Videos ist im Rückblick zum Fremdschämen.“

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