Beleidigt und verunglimpft: Wie oft Ärzte Opfer von Hass im Netz werden

Arzt erkennt Krankheit nicht, ChatGPT schon
Sie sind eigentlich dazu gedacht, Patienten bei der Suche nach einem guten Arzt unkompliziert zu helfen. Mittlerweile sind aber die diversen Ärzte-Berwertungsplattformen im Internet, aber auch Soziale Medien vielfach eine Abladestelle für Hass gegen Mediziner, Verunglimpfung und Kreditschädigung geworden.
"Viele Kollegen melden, dass sie mit Hass im Netz konfrontiert sind“, sagt Wiens Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart. "Die Hemmschwelle wird immer niedriger.“ Das belegt auch eine Umfrage zum Thema, die die Kammer bei Meinungsforscher Peter Hayek beauftragt hat. Befragt wurden 1.102 Mediziner. Die wichtigsten Details:
- 58 Prozent der befragten niedergelassenen Ärzte gaben an, in den vergangenen zwei Jahren mit ungerechtfertigten Rezensionen und negativen Bewertungen im Internet konfrontiert gewesen zu sein.
- Untergriffige Kommentare auf Sozialen Medien wie Facebook oder Instagram haben 30 Prozent der Mediziner in diesem Zeitraum erhalten.
- Rund ein Fünftel der niedergelassenen Mediziner hatte in den vergangenen zwei Jahren mit persönlichen Drohungen per E-Mail zu tun, 13 Prozent in den Sozialen Medien.
- Neun Prozent aller befragten Ärzte haben aufgrund solcher Vorfälle in den vergangenen Jahren zumindest einmal eine Klage eingereicht.
Kammer-Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied schildert Fälle aus ihrer eigenen Ordination: Kollegen seien wegen Wartezeiten oder der Bitte gegenüber Patienten, eine Schutzmaske zu tragen, wüst im Internet beschimpft worden.

Naghme Kamaleyan-Schmied, Wiener Ärztekammer
„Ich selbst habe während der Pandemie per Mail eine Morddrohung bekommen. Leider habe ich den Fehler gemacht, sie gleich zu löschen“, schildert die Ärztin.
Denn es sei wichtig, gegen ungerechtfertigte Attacken und kreditschädigende Anwürfe im Internet vorzugehen – so mühsam in der Praxis das oft auch sei, sagt Anwältin Maria Windhager, die sich auf Medienrecht spezialisiert hat.
Hasspostings rasch löschen lassen
Sie rät dazu, dafür zu sorgen, dass Beleidigungen im Netz möglichst rasch verschwinden, um den Schaden gering zu halten. Gleichzeitig sollten sie aber davor noch gesichert werden – als Basis für die mögliche Einleitung rechtlicher Schritte gegen den Urheber oder den Plattform-Betreiber.
„Im Rahmen der Meinungsfreiheit muss man sich viel gefallen lassen. Nicht aber Vorwürfe, die nicht belegbar sind“, sagt Windhager, räumt aber ein: Oft sei es aber mühsam, dagegen vorzugehen, weil solche Postings meist anonym erfolgten und der Urheber mitunter schwer auszuforschen sei.
Mitunter seien zwei oder drei Anläufe notwendig, bis Betreiber wie Google einer Löschaufforderung nachkommen würden, heißt es dazu bei der Wiener Ärztekammer.
Trotzdem rät die Anwältin Betroffenen, Maßnahmen zu ergreifen: „Es geht darum, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit auf dieser Ebene auch ein gesellschaftlicher Lernprozess einsetzt“, betont Windhager.
Eigene Ombudsstelle
Da in der Praxis nicht wenige von der Situation überfordert sind, hat die Wiener Ärztekammer jetzt eine eigene Ombudsstelle zum Thema Hass im Netz eingerichtet.
Betroffene erhalten dort eine Ersteinschätzung zu ihrem Fall und welche sinnvollen Möglichkeiten es für rechtliche Schritte gibt. Weiters gibt es Musteranträge für Löschungsbegehren.
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