Hartinger trotzt Buhs: "Bin auch eure Ministerin!"

Stummer Protest gegen die Vorhaben der Regierung: Jung-Gewerkschafter bei der Rede von FPÖ-Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
Noch nie fanden sich so wenige Regierungsverterter beim ÖGB-Kongress ein. Nur Sozialministerin Beate Hartinger-Klein traute sich auf die Bühne.

„Bist du deppert, bist du deppert“, sagt die blonde FSG-Funktionärin immer wieder, sie tippt sich mit dem Finger an die Stirn. Man weiß nicht recht, was sie mehr irritiert: Dass die Sozialministerin auf der Bühne spricht – oder was sie sagt.

Hartinger-Klein: Rede in der Höhle des Löwen

Verklebte Münder

Hartinger trotzt Buhs: "Bin auch eure Ministerin!"

Bundespräsident  Van der Bellen kam auf Einladung von Noch-ÖGB-Boss Erich Foglar, ebenso sein Vorgänger Heinz Fischer – nur die Regierungsspitze blieb dem Kongress fern

Beate Hartinger-Klein ist keine, die sich versteckt, das weiß man spätestens seit ihren umstrittenen TV-Auftritten. Dass sie sich aber als einziges Regierungsmitglied heute auf die Bühne des ÖGB-Kongresses stellt, sich quasi in die Höhle des Löwen wagt, wirkt daneben fast waghalsig – und das sieht man ihr auch an: „Ich bin ja auch eure Sozialministerin“, sagt sie mit breitem Lächeln; allein, das nutzt wenig: Ein paar Jung-Gewerkschafter marschieren da schon auf sie zu, Mund und Arme mit Paketband verklebt, und bleiben ihre ganze Rede über auf der Bühne stehen. Ihr Blick: verkniffen.

Es kommt nicht zum totalen Eklat, aber die Lage ist angespannt – und das beschreibt gut, wie es um die Sozialpartnerschaft in Österreich steht: Die Fronten zwischen Gewerkschaften, fast allen Kammern und Regierung sind so verhärtet wie selten; und Hartinger-Klein ist diejenige, die das am besten personifiziert: Schließlich kommen fast alle Reformen, die man hier so lautstark verteufelt, aus ihrem Ressort.

Legt sie es hier auf einen offenen Konflikt an? Nein, so viel ist sicher. Hartinger-Klein führt zwar Punkt für Punkt aus, was die Regierung plant, von der Streichung der Notstandshilfe über die Zusammenlegung der Sozialversicherungen; doch bei allen strittigen Punkten versucht sie es mit Handreichungen: Die Beitragseinhebung etwa, ein höchst umkämpftes Kapitel, bleibe bei den Sozialversicherungen, sagt sie. „Ich habe mich durchgesetzt. Sie wissen genau, dass im Regierungsprogramm etwas anderes steht.“ Milder Applaus.

Buhrufe und Gelächter

Lange hält das aber nicht, Spätestens, als sie sagt, „es ist nie in unserem Sinne gewesen, die AUVA infrage zu stellen“, ist es mit der Höflichkeit vorbei. Buhrufe werden laut. Beim Zwölf-Stunden-Tag kommt dann ordentlich Gegenwind: Dass man wenig ändere, nur die „Vier-Tage-Woche für jene, die es machen wollen“ einführt, glaubt ihr hier keiner im Publikum.

Am Ende steht man einander dann ohne Annäherung gegenüber. „Alle Punkte kann ich euch nicht erfüllen“, sagt Hartinger-Klein; es wird bitter gelacht. Baugewerkschafter Beppo Muchitsch sagt zum Abschied: „Danke für die eine oder andere Nicht-Botschaft.“ Auch Wolfgang Katzian, der heute, Donnerstag, zum neuen ÖGB-Chef gewählt wird, ist nicht gerade freundlich: Klar setze man auf Konsens, aber „die werden die Guck aufreißen, wenn sie sehen, wie wir wirklich im Kampfmodus sind“, sagt er. Die, das ist aber nicht nur die Koalition für ihn, sondern auch die Wirtschaftskammer, die auch keinen Spitzenvertreter geschickt hat. „Es mag ja sein, dass so mancher Neuling nicht weiß, wie Sozialpartnerschaft funktioniert“, sagt er in Richtung Neo-WKO-Boss Harald Mahrer. „Häk’ln kömma uns selber.“

Auch das passt ins Bild. Hinter vorgehaltener Hand heißt es hier, dass man mit der FPÖ noch die bessere Gesprächsbasis habe; mit der ÖVP sei es weitaus schwieriger. Und ja: Von den Aktionisten mit den verklebten Mündern verabschiedet sich die FP-Ministerin dann auch mit Handschlag. Auch wenn ihr dabei das Lächeln nicht leicht fällt.

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