Hans Jörg Schelling: Ein Mann für alle Härtefälle
Das Projekt Finanzminister stand nicht ganz oben auf der Prioritätenliste von Hans Jörg Schelling. Vor 14 Tagen las sich der Lebensplan des 60-jährigen Selfmade-Millionärs noch ganz anders. "Meine Frau und ich wollten in den nächsten Jahren reisen. Die Arbeit am Weingut hätte mir auch Spaß gemacht."
Seine Frau Ursula war es auch, die sich am wenigsten über den neuen XXL-Job freute. "Stünde sie nicht hinter mir, hätte ich nicht zugesagt", erzählt Schelling. Drei Tage diskutierte das Ehepaar über die Konsequenzen. Was kommt in dieser Position auf die Familie zu? Wer führt das Weingut weiter? Wie schaut die Lebensplanung nun aus?
Am Freitag der Vorwoche kam das grüne Licht von der Familie. Schelling signalisierte der ÖVP, dass er das Himmelfahrtskommando Finanzministerium übernimmt, wenn er im Parteivorstand einstimmig gewählt wird. "Meine Frau versteht den Ruf und warum ich ihm folgen will", kommentiert Schelling die Entscheidung.
Erste politische Schritte
Zwei Jahre später, im Jahr 2000, zog Schelling in den Gemeinderat von St. Pölten ein. Die Bühne im Hof wurde so wie vieles, was Schelling in die Hand nahm, zum Erfolg. Mittlerweile ist das Theater im Besitz des Landes, wurde aufwendig ausgebaut und ist längst ein Zentrum der künstlerischen Aktivitäten in St. Pölten.
Kein Hungertuch
Genussmensch
Beim Kochen agiert Schelling ganz anders als im Job: Er ist intuitiv, kreativ und im Handumdrehen serviert ein Fünf-Gänge-Menü. 2009 erfüllt er sich seinen Traum und kauft das Stiftsweingut Herzogenburg. "Ein kleines Weingut wollte ich, ein großes habe ich bekommen", so Schelling. Seine Tochter wird das Weingut nun führen.
Jahrgänge sind dem Finanzminister nicht so wichtig, der Wein muss vielmehr zur Stimmung passen. "Im Frühjahr trinke ich gerne Muskateller. Der fruchtige Geschmack passt zur Aufbruchstimmung. Spargel und ein Glas Muskateller sind für mich unschlagbar. Im Herbst mag ich es kräftig und greife zu Sauvignon Blanc", so sein Genuss-Motto.
Angst vor dem Scheitern hat er angesichts der momentanen Vorschusslorbeeren nicht. "So eine Situation hatte ich schon einmal, aber im Negativen. Als ich den Job beim Hauptverband annahm, sagte jeder: Das schaffst du nie. Danach redeten alle von einem Wunder."
Das wird Schelling auch jetzt benötigen, um den scheinbar gordischen Budgetknoten zu lösen.
KURIER: Herr Vranitzky Sie waren vor Ihrer Angelobung als Finanzminister im Jahr 1984 Bankdirektor. Ist es ein Vorteil, wenn man als finanziell unabhängiger Mensch in die Politik geht?
Franz Vranitzky: Das kann ich ganz klar mit Ja beantworten. Aber man sollte als wohlhabender Mensch nur dann in die Politik gehen, wenn man ein gesamtgesellschaftliches Verständnis hat. Es kann nicht sein, dass derjenige dann der oberste Betriebsrat der Millionäre wird. Ich muss vorausschicken, dass ich in der Vorperiode zum Finanzminister in unmittelbarer Nähe zum Minister gearbeitet habe, und damals durch alle politischen Gassen ging. Das politische Rüstzeug habe ich nicht erst als Minister lernen müssen. Und auch in der Tätigkeit als Bankdirektor übt man kein unpolitische Amt aus, denn wenn man über große Industriefinanzierungen entscheidet, ist man auch im politischen Getriebe drinnen.
In einem ZiB-2-Interview meinten Sie, dass der nächste Finanzminister kein Quereinsteiger sein darf, sondern Politiker. Ist Ihnen die bisherige Laufbahn von Hans Jörg Schelling politisch genug?
Ich wende mich nicht gegen Quereinsteiger. Aber in einem derart wichtigen Amt, darf man nicht einsteigen und sich dann etwa dem Ruf der Medien beugen. Aber Hans Jörg Schelling ist, wie wir alle wissen, nicht von der Schulbank gefallen und hat schon viele wichtige Entscheidungsfunktionen innegehabt.
Der neue Finanzminister bekommt im Moment viele Vorschusslorbeeren. Besteht nicht die Gefahr, dass der Hype auch ganz schnell in die negative Richtung umschlägt?
Das wird in erster Linie von ihm selbst abhängen. Aber der erste Eindruck, den ich von ihm gewinnen konnte, zeigt mir, dass er zu wissen scheint, wovon er spricht und dass er mit den Vorschusslorbeeren umgehen kann.
Ist diese Regierungsumbildung nun die letzte Chance für diese Koalition?
Ich schließe mich nicht gerne diesen ultimativen Formulierungen an. Es gibt wahrgenommene und es gibt vergebene Chancen. Das politische Leben hört nie auf, deswegen gibt es keine letzten Chancen in der Politik.
Dann anderes gefragt: Hat die Koalition erkannt, dass sie einen Fehlstart hingelegt hat und nun endlich der neue Stil gelebt werden muss?
Was ich bis jetzt vom Duo Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner gehört habe, erfüllt mich doch mit Zuversicht, dass sie die Zeichen der schlechten Umfragewerte erkannt haben, und nun ein politisches Kapital für die nächsten Wahl aufbauen werden.
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