Koalition einigte sich auf Neuregelung der Handy-Sicherstellung
Die Regierung hat sich auf eine Neuregelung der Sicherstellung von Mobiltelefonen und Datenträgern geeinigt. Ein entsprechender Gesetzesentwurf wurde am Donnerstag im Nationalrat eingebracht.
Derzeitige Regelung zur Handy-Sicherstellung rechtswidrig
Die bisherigen Bestimmungen waren im Vorjahr vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit 1.1. 2025 aufgehoben worden - unter anderem, weil sie Sicherstellungen ohne richterliche Genehmigung erlaubten. Darüber hinaus werden weitere Punkte der Strafprozessordnung neu geregelt.
Die derzeitige Regelung zur Handy-Sicherstellung verstößt laut VfGH gegen das Recht auf Privatleben und das Datenschutzgesetz. Bereits in seinem Erkenntnis stellte das Höchstgericht daher Leitplanken für eine Neuregelung auf: Neben dem Richtervorbehalt wurde etwa auch festgehalten, dass ein Richter im Fall einer Bewilligung auch festzulegen hat, welche Datenkategorien und -inhalte aus welchem Zeitraum und zu welchen Ermittlungszwecken ausgewertet werden dürfen. Außerdem müssten öffentliches Interesse an der Strafverfolgung und die Grundrechte der Betroffenen gegeneinander abgewogen werden.
Neue Regelung gilt ab 1. Jänner 2025
Mit ihrer Neufassung will die Koalition dem nun nachkommen. Ab 1. Jänner 2025 soll für die Sicherstellung von Daten(-trägern), wie z.B. Smartphones oder Laptops bzw. den damit zugänglichen Cloudservices eine neue Regelung zur "Beschlagnahme von Datenträgern und Daten" geschaffen werden. Diese gilt dabei laut einer Aussendung des Justizministeriums für alle Geräte, die Daten speichern, wenn die Strafverfolgungsbehörden auf die Daten zugreifen möchten (also z.B. nicht, wenn auf einem Smartphone nur ein Fingerabdruck gesichert werden soll).
Will die Staatsanwaltschaft künftig ein Handy sicherstellen, muss sie wie schon bisher ihr Vorhaben begründen - nicht mehr in einer Sicherstellungsanordnung, sondern per Antrag ans Gericht. Dabei müssen die später aufzubereitenden Datenkategorien und Dateninhalte sowie der Zeitraum festgelegt werden (als Beispiel nennt das Justizministerium das Anrufprotokoll und alle Messengernachrichten in einem bestimmten Zeitraum oder die Fotodateien in einem bestimmten Speicherzeitraum). Dies muss dann vom Gericht bewilligt werden, erst anschließend kann die Staatsanwaltschaft die Beschlagnahme durch die Kriminalpolizei anordnen.
Nur "erlaubte" Daten auswerten
Anschließend dürfen bei der Datenaufbereitung nur die bewilligten Datenkategorien im bewilligten Zeitraum ausgelesen werden, und zwar ohne eine inhaltliche Bewertung. Aus einer Originalsicherung, die nicht mehr verändert wird, muss dann eine Arbeitskopie erstellt werden. So soll sichergestellt werden, dass tatsächlich nur die "erlaubten" Daten ausgewertet werden. Erst diese werden dann der Staatsanwaltschaft bzw. Polizei übermittelt.
Sollten neue Verdachtsmomente dazukommen, können per neuer gerichtlicher Bewilligung weitere Daten ausgewertet werden. Wenn in den aufbereiteten Daten Hinweise auf andere Straftaten gefunden werden (sogenannte "Zufallsfunde"), kann (bzw. muss) die Staatsanwaltschaft diesen nach einem neuerlichen gerichtlichen Antrag weiter nachgehen.
Bei Gefahr in Verzug darf die Polizei weiter das Handy physisch sicherstellen, wenn etwa jemand auf frischer Tat ertappt wird. Für eine Beschlagnahme muss die Staatsanwaltschaft aber weiter das Gericht anrufen.
Beispiel: Drohung auf WhatsApp geäußert
Als Rechtsschutz ist vorgesehen, dass der Rechtsschutzbeauftragte der Justiz überprüfen darf, ob eine Auswertung auch tatsächlich im Rahmen der gerichtlichen Bewilligung erfolgt ist. Beschuldigte und auch Opfer können dies beantragen, die Staatsanwaltschaft darf es anregen.
Sowohl Opfer als auch Beschuldigte können außerdem eine Auswertung der aufbereiteten Daten beantragen. Sollte ein Opfer etwa Kenntnis von einem bestimmten Beweis auf einem Handy haben (z.B eine via WhatsApp geäußerte Drohung), kann es die Staatsanwaltschaft auffordern, nach genau diesem zu suchen. Jene Person, deren Datenträger beschlagnahmt worden ist, hat außerdem immer die Möglichkeit, die Ergebnisse der Datenaufbereitung einzusehen.
"Bei der Neuregelung der Handysicherstellung waren mir zwei Punkte besonders wichtig", so Justizministerin Alma Zadic (Grüne). "Einerseits, dass wir die Vorgaben des VfGH - der uns eine Neuregelung aufgetragen hat - genau umsetzen. Andererseits, dass wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei gerade in den Bereichen Organisierte Kriminalität, Terror und Korruption weiterhin sicherstellen."
Stellungnahme der Regierung
"Bei der Neuregelung der Handysicherstellung waren mir zwei Punkte besonders wichtig", so Justizministerin Alma Zadic (Grüne). "Einerseits, dass wir die Vorgaben des VfGH - der uns eine Neuregelung aufgetragen hat - genau umsetzen. Andererseits, dass wir die Ermittlungen der Staatsanwaltschaften und Kriminalpolizei gerade in den Bereichen Organisierte Kriminalität, Terror und Korruption weiterhin sicherstellen."
Für Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) sind dies "längst überfällige Regelungen, die die Beschuldigtenrechte im Strafverfahren deutlich stärken", betonte sie in einer Aussendung. "Die Sicherstellung und Auswertung von Handys und aller darauf befindlichen Daten wird entsprechend den technischen Gegebenheiten und grundrechtskonform ausgestaltet."
Vereinfachungen und Entlastungen im Verfahren
Darüber hinaus sollen weitere Punkte in der Strafprozessordnung reformiert werden. Opfer erhalten die Möglichkeit, gegen eine Anzeigenrücklegung vorzugehen - sie bekommen dazu ab dem ersten Tag Akteneinsicht (ebenso Beschuldigte). Außerdem wird die Prozessbegleitung für minderjährige Zeugen von Gewalt erweitert, Bezirksgerichte und Gerichtshöfe erster Instanz erhalten künftig Spezialzuständigkeiten für Verfahren wegen häuslicher Gewalt.
Bei Einbringung eines Antrags auf Einstellungen soll es durch den Wegfall von Fristen zu Vereinfachungen kommen. Außerdem sollen Staatsanwaltschaften durch die Vereinfachung der Regeln zur Einleitung von Ermittlungsverfahren entlastet werden. Um Verfahrensdauern zu verkürzen, sollen Ermittlungsverfahren nach zwei Jahren auf Antrag des Beschuldigten von einem Gericht überprüft werden können - bisher war dies erst nach drei Jahren verpflichtend.
Oberlandesgerichte werden wiederum verpflichtet, letztinstanzliche rechtskräftige Entscheidungen zu veröffentlichen. Die Neuregelungen sind für Zadic "die größte Justiz-Reform der letzten 20 Jahre". Damit sorge man dafür, "dass die österreichische Justiz auch für die Herausforderungen der nächsten 20 Jahren gewappnet bleibt und stärken weiter das ungebrochen hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz".
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