Häupl: "Wer den Pakt beschädigt, der gefährdet die Koalition"
KURIER: Der Start von Rot-Grün 2 war holprig. Wie erklären Sie die unterschiedlichen Kommentare etwa zur geplanten Donauquerung in der Lobau?
Michael Häupl: Ich habe das nicht als holprig empfunden. Wir haben uns auf eine sechste Donauquerung geeinigt, die Grünen wollen sich die verschiedenen Varianten noch anschauen. Einverstanden. Ich bin aber der Auffassung, dass die bisherigen Prüfungen ergeben haben, dass es zum Tunnel keine wirkliche Alternative gibt, die den Nationalpark unangetastet lässt.
Aber die Grüne Vizebürgermeisterin hat den Tunnel bei ihrer Parteiveranstaltung bereits zu Grabe getragen.
Wenn es eine andere Variante gibt, die zeitnäher realisiert werden kann und die billiger und vernünftiger ist, bin ich der Letzte, der nein sagt. Nur ich kenne zur Stunde die Alternative zum Tunnel nicht.
Die Grünen haben auch Vereinbarungen abseits des Pakts thematisiert, wie den Ausstieg aus den Franken-Krediten. Ärgert Sie, dass Ihr Koalitionspartner derzeit Partei- und nicht Regierungspolitik macht?
Die Frankenkredite ärgern mich nicht sehr, weil wir schon vor einiger Zeit festgelegt haben, umzusteigen, wenn keine Kursverluste realisiert werden. Ich orte aber schon, dass es in Teilen der Grünen heftige Diskussionen zu verschiedenen Themen gibt, und sich einzelne versuchen auf Kosten der Stadtregierung zu profilieren. Dass mir das keine Freude macht, liegt auf der Hand.
Wie lange schauen Sie geduldig zu?
Nach diesen schwierigen und harten Regierungsverhandlungen, ist mein Potenzial an Geduld erschöpft. Daher sage ich, wir haben einen doppelt so dicken Pakt ausverhandelt als beim letzten Mal. Sollten sich die Grünen nicht an diesen Pakt halten, würde das bei mir auf extremes Unverständnis stoßen.
Müssen Sie schon bald den Koalitionsausschuss einberufen?
Der Ausschuss wird in einer gewissen Regelmäßigkeit tagen, ist also nicht nur für Krisenmanagement da. Aber es muss jeder wissen, wer den Koalitionsvertrag nachhaltig beschädigt, der beschädigt die Koalition, ja er gefährdet sie sogar.
Der neue Grüne Parteimanager will auch im Kampf um die Lufthoheit im Gemeindebau mitmischen. Kommt da noch mehr Ärger von Grüner Seite auf Sie zu?
Nein. Ich freue mich, über jeden, der mit den Bewohnern im Gemeindebau diskutiert. Ich wünsche den Grünen dabei viel Spaß.
Zum Pakt. Wofür soll Rot-Grün in fünf Jahren stehen?
Für eine Wiener Gesellschaft, die klar wahrgenommen hat, dass die Bildung eine der entscheidendsten Zukunftsfragen der Stadt ist. Zweitens, wir werden im Jahr um rund 25.000 Menschen wachsen und haben dem Rechnung zu tragen. Dabei geht es nicht darum, dass jeder nur sein Klientel pflegt. Wir müssen in der Frage der Bildung und Infrastruktur, der Kultur und Freizeiteinrichtungen als Regierung insgesamt die Antworten geben.
Aber Sie sind zugleich SPÖ-Vorsitzender. Es geht auch um den Vertrauensverlust ihrer Partei in den Flächenbezirken.
Mit dieser Frage beschäftigen wir uns Anfang Jänner in der Partei.
Wie wollen Sie angesichts der Krise am Arbeitsmarkt den Wirtschaftsmotor ankurbeln?
Neben den 4,5 Milliarden Euro Investitionen, die wir bereits im Budget haben, haben wir im Bereich Schule, Kindergarten und Spitälern einen zusätzlichen Investitionsbedarf von einer Milliarde pro Jahr. Wir wollen, dass man uns erlaubt, dass man derartige nachhaltige Projekte fremdfinanziert. Denn wir müssen uns jetzt aus dieser Krise heraus investieren.
Haben Sie darüber mit dem Bundeskanzler gesprochen?
In erster Linie müssen wir das mit dem Finanzminister klären. Wir werden das bei den anstehenden Gesprächen über den Finanzausgleich und Stabilitätspakt entsprechend thematisieren.
Sie wollen weniger und schnellere Verfahren. An welchen Stellschrauben wird gedreht?
An vielen. Nicht nur bei den Bewilligungsverfahren im Baubereich, sondern im Bereich der Wirtschaft insgesamt. Ich sehe überhaupt nicht ein, dass ein Kleinunternehmer, wenn er einen Obst- oder Würstelstand eröffnen will, Tausende Bewilligungen braucht. Da sind wir eindeutig überreguliert. Wir werden auch für die großen Unternehmen eine Zusammenführung von Verfahren machen.
Sie brauchen dann weniger Beamte. Heißt das Personalabbau?
Nein. Denn in den nächsten fünf Jahren brauchen wir 1000 zusätzliche Lehrer. Die muss wer zahlen. Übrigens liegt die Zahl der Beamten in der Stadt Wien bereits unter 40 Prozent.
Apropos Personal. Haben Sie mit Ihrer Vizebürgermeisterin über die Notwendigkeit der Beauftragten in ihrem Verkehrsressort gesprochen?
Ja.
Das Ergebnis ist?
Das wird sie verkünden.
Ihre Sicht zu den Fußgänger- und Radfahrer-Beauftragten?
Mein Bedürfnis an Beauftragten ist beinahe null.
Anderes Thema: Gebühren, was kommt auf die Wiener zu?
Wir haben in einem Gesetz die Evaluierung und Indexanpassungen klar festgeschrieben. Das Einzige, wo wir abseits der wirtschaftlichen Vernunft keine Erhöhung machen, ist beim 365-Euro-Jahresticket.
Gilt das für fünf Jahre?
Das ist die Absicht. Aber Mitte der Periode werden wir das wirtschaftlich evaluieren.
Wien hat sich in den vergangenen Monaten besonders durch seine Willkommenskultur ausgezeichnet. Hat sie die Debatte um Grenzzäune geschmerzt?
Ja, denn wer Zäune mitten in Europa aufbaut, der reißt Europa nieder.
Für einen grenzenlosen Zuzug sind Sie auch nicht.
Selbstverständlich nicht. Denn jeder von uns will wissen, wer in sein Haus kommt. Das ist in erster Linie aber an der EU-Außengrenze zu machen.
Jetzt hat der Bundeskanzler bekräftigt, nicht über Obergrenzen diskutieren zu wollen. Die Debatte gibt es aber? Wie viele Asylwerber, Flüchtlinge verkraftet Wien pro Jahr?
Das kann ehrlich niemand sagen. Aktuell ist, die Notquartiere für die Durchreisenden haben wir hinbekommen. Die zweite Gruppe sind die Asylwerber, da bemühen wir uns täglich. Die dritte Gruppe sind jene mit Asylstatus, die wie Österreicher zu behandeln sind.
Der Flüchtlingskoordinator bittet bereits die Zivilgesellschaft um Mithilfe, weil es im kommenden Jahr zu wenig leistbaren Wohnraum für diese Gruppen geben könnte.
Ich weiß nicht, was nächstes Jahr sein wird. Aber, wenn wir jährlich 25.000 Wienerinnen und Wiener mehr werden, dann bekommen wir die paar Tausend auch hin.
Tausende sind in der Stadt verkraftbar?
Ja.
Stoßen angesichts dieser Flüchtlingskrise die öffentlichen Institutionen an die Grenze des Machbaren? Braucht es noch mehr Einsatz der Zivilgesellschaft?
Wir brauchen alle, die professionellen wie die freiwilligen Helfer. Das Geheimnis des Erfolgs in Wien ist, dass alles professionell und sehr gut organisiert ist.
Also keine Sorgen?
Wir haben dann die größten Schwierigkeiten gehabt, wenn etwas unorganisiert abläuft. Wie damals die Leute, die voll des guten Willens nach Ungarn gefahren sind, um Flüchtlinge nach Wien zu bringen.
Sie haben erst 2000 professionelle wie freiwillige Helfer in Wien geehrt.
Das war großartig und extrem berührend. Ich kann nicht mehr machen, als mich zu bedanken.
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