Michael Häupl geht auf Raten: Am 27. Jänner gibt der Wiener Bürgermeister das erste Amt ab - den Parteivorsitz der Wiener SPÖ. 25 Jahre nach der Kür des nun scheidenden Chefs wird im Rahmen eines Sonderparteitages ein neuer Obmann gewählt. Bürgermeister bleibt Häupl noch ein bisschen.
Rote Nelken sah er schon viele verwelken: 1994 zog Michael Häupl als Stadtchef ins Rathaus ein. Eineinhalb Jahre zuvor wurde er Wiener Parteichef. Ein Rückblick auf seine Polit-Karriere.
Michael Häupl erblickte am 14. September 1949 in Altlengbach das Licht der Welt - in einer, so heißt es, traditionell ÖVP-nahen Lehrerfamilie. Der Bub besuchte unter anderem die Schule der Benediktiner in Seitenstetten. Die Matura absolvierte Häupl 1968 im Bundesrealgymnasium Krems.
Nach der Matura begann er in Wien das Studium der Biologie und Zoologie. Ab dem Jahr 1975 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Naturhistorischen Museum und promovierte zwei Jahre später über die Schädelkinetik bei Gekkoniden, den Kleinechsen der Tropen.
Während des Studiums erfolgte ein politischer Richtungswechsel: Auf Burschenschaft folgte der Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ). Als dessen Bundesvorsitzender fungierte er von 1975 bis 1977. 1983 zog er in den Gemeinderat ein.
Am 29. Jänner 1988 wechselte er auf Wunsch seines politischen Ziehvaters Helmut Zilk (rechts im Bild) als Umweltstadtrat in die Stadtregierung. Endgültig zu Zilks Kronprinzen auf das Amt des Bürgermeisters avancierte Häupl schließlich am 23. April 1993, als er die Nachfolge Hans Mayrs als Vorsitzender der Wiener SPÖ antrat. Die Wahl zum Stadtoberhaupt erfolgte am 7. November des Folgejahres.
Eisiger Wind blies Häupl im Oktober 1996 entgegen: Gleich bei seiner ersten Wahl musste er eine Niederlage einstecken. Die rote Absolute war vorübergehend Geschichte, es folgte eine SPÖ-ÖVP-Koalition.
2001 konnten die für die Wiener SPÖ gewohnten Verhältnisse jedoch wieder hergestellt werden, wohl auch dank des erklärten Lieblingsfeindes des Bürgermeisters - der schwarz-blauen Bundesregierung. Sie wurde zum Hauptangriffsziel im Wahlkampf.
Apropos Bund: Michael Häupls Kommentare zur Bundespolitik sind stets gefragt, vor allem Wortspenden zum Zustand der SPÖ oder zum jeweils aktuellen Vorsitzenden werden bei der allwöchentlichen Dienstags-Pressekonferenz mit Spannung erwartet. Kritik kommt dabei eher selten, falls doch, wird sie dafür meist als "Machtwort" interpretiert. Im Bild: Michael Häupl mit LH Karl Stix und Kanzler Vranitzky im April 1996
Das Verhältnis zu seinem ehemaligen politischen Ziehsohn und Wohnbaustadtrat, dem späteren Kanzler Werner Faymann, war schon wechselhaft. Die Debatte um die Abschaffung der Wehrpflicht, die Häupl dem Kanzler einbrockte, hat Narben hinterlassen.
Mit dem niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll (V) verstand sich Häupl hingegen stets blendend, auch die Achse zur Wiener Wirtschaftskammer funktionierte stets bestens.
Häupl gilt als leidenschaftlicher Wahlkämpfer. Dabei muss er sich nicht selten mit dem Thema Zuwanderung beschäftigen, wie überhaupt die Auseinandersetzung mit der FPÖ Häupls Karriere permanent begleitet hat.
Gleichzeitig war er auch am europäischen Parkett präsent, als Präsident des Rates der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE).
Nach der Wahl 2010 holte sich Häupl die Grünen um Maria Vassilakou ins Regierungsboot. Die Zusammenarbeit lief nicht ohne Konflikte ab, zunächst vor allem beim Thema Mariahilfer Straße.
Dann kam der bittere Bruch: Die Wiener SPÖ warb einen Grünen Gemeinderat ab und verhinderte so eine Abstimmung über das Wahlrecht zu Ungunsten der SPÖ.
Das Verhältnis war seitdem mehr als kühl.
Schon kurz darauf der nächste Aufreger: Häupl beleidigt die Lehrer mit dem Spruch: "Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmittag fertig".
Im Vorfeld der Wien-Wahl im Herbst 2015 gab er die Devise aus, die rote Absolute zurückerobern zu wollen. Bald war jedoch klar, dass dies ein nicht mehr zu realisierender Traum bleiben würde.
Durch vehemente Abgrenzung von FPÖ und Heinz-Christian Strache versuchte er den blauen Siegeszug und damit einhergehende deutliche Verluste für die Sozialdemokraten aufzuhalten. Das gelang zwar nicht, der Vorsprung zu den Blauen blieb aber respektabel.
Vergleichsweise wild und turbulent verliefen auch die vergangenen Monate in der SPÖ. Denn bis vor nicht allzu langer Zeit wäre es völlig undenkbar gewesen, Häupl unverblümt den Abgang nahezulegen. Doch genau dies ist passiert.
Aufgebrochen sind interne Gräben, die möglicherweise lange nur gut verschüttet waren, im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage jedoch offen zutage traten. Der Groll richtete sich zunächst gegen Kanzler Werner Faymann. Die Proteste kulminierten bei der Kundgebung am 1. Mai 2016 - worauf der Regierungschef wenig später zurücktrat. Das bescherte Häupl kurzfristig sogar ein Intermezzo als Bundesparteichef.
Wenig später folgte dann die Retourkutsche: Vertraute des Kanzlers - also etwa der einstige Wiener Landesparteisekretär Christian Deutsch oder Ex-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid - forderten Häupl unverhohlen auf, seine Nachfolge zu regeln. Auch aus den sogenannten Flächenbezirken wehte dem Stadt- und Parteichef plötzlich rauer Wind entgegen, wobei die Spaltung auch hier zu spüren war und die Bezirksfraktionen in dieser Frage keineswegs immer geschlossen auftraten.
ABD0047_20160509 - WIEN - ÖSTERREICH: Der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer am Montag, 9. Mai 2016, anlässlich des Treffens von SPÖ-Chef Faymann mit den SPÖ-Landesparteichefs vor dem Bundeskanzleramt in Wien. - FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER
Häupl und die Wiener SPÖ versuchten gegenzusteuern. Vom Parteivorstand wurde etwa eine "Perspektivengruppe" eingesetzt. Eine angekündigte Umbildung der Stadtregierung fand ebenfalls statt - wobei eine solche nach dem spontanen Abschied von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely ohnehin nötig war. Und: Häupl kündigte schließlich an, "zeitnah" nach der Nationalratswahl den Hut zu nehmen.
Das tut er in einem ersten Schritt nun am 27. Jänner. Zwei Kandidaten rittern um die Nachfolge. Ob Michael Ludwig oder Andreas Schieder künftig als Chef der mächtigsten SPÖ-Landesgruppe fungieren wird, ist offen. Das gilt auch noch für den genauen Zeitpunkt des endgültigen Abschieds. Häupl hat angekündigt, mit seinem Nachfolger zu besprechen, wann er als Bürgermeister gehen wird. Dass er, wie jüngst kolportiert wurde, noch bis zum Sommer bleibt, hat der Noch-Amtsinhaber zuletzt aber als unwahrscheinlich erachtet.
Bürgermeister von Wien zu sein, sei der tollste Job der Welt, wird Häupl nicht müde zu betonen. Ein Job, den er nun 2018 endgültig an den Nagel hängt.
Eine ähnlich lange Amtszeit wie Häupl hatte nur Stephan Edler von Wohlleben. Er kam auf immerhin 19 Jahre (1804-1823).
Mit Aussprüchen wie "Wahlkampf ist Zeit fokussierter Unintelligenz" hat sich Häupl längst in die heimischen Zitate-Anthologien eingeschrieben. Er gilt als belesener Intellektueller, der sich bei öffentlichen Auftritten gern leutselig gibt.
Michael Häupl hat zwei Kinder. Sein Sohn Bernhard (im Bild) ist Wiener SPÖ-Jugendkoordinator.
Der Bürgermeister ist in dritter Ehe mit der Ärztlichen Direktorin des Wilhelminenspitals, Barbara Hörnlein, verheiratet.
In seiner Freizeit reist der Lebemann am liebsten in die Toskana. Ganz so sportlich wie früher (siehe Bild) ist der Bürgermeister aber nicht mehr unterwegs.
Kulinarisch hat Häupl eine Schwäche für selbstgemachte Fleischlaberl mit Kartoffelpüree. Sein Lieblingslokal ist seit Jahren der Bauer Gustl in der Drahtgasse.
Für ein Hobby hat der Wiener Regierungschef aber immer Zeit - es ist violett und hört auf den Namen Austria Wien. Tatsächlich ist der Fußballclub weit mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung, ist Häupl doch dort auch Vorsitzender des Kuratoriums.
Auch selbst kickt er (an) - wenn etwa die Magistratsabteilungen gegeneinander antreten. Selbst hier bleibt er gelassen - Häupl ist als Hände-im-Hosensack-Halter bekannt.
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