Stadtrat Hacker: „Die Kaltherzigkeit der Ministerin hat mich überrascht“

Eskalation: Nach Gespräch zwischen rot-grünen Ländervertretern und Beate Hartinger-Klein zur neuen Sozialhilfe droht Wien mit Verfassungsklage.

„Ich muss mich erst fassen. Das war ein unglaubliches Nicht-Beantworten und eine demonstrative Ignoranz. Die Kaltherzigkeit der Frau Minister hat mich überrascht. “

Peter Hacker ist ein Mann großer Gesten und starker Worte. So auch am Montag, als der Wiener Sozialstadtrat gemeinsam mit seinen SPÖ-Kolleginnen Birgit Gerstorfer (OÖ), Ulrike Königsberger-Ludwig (NÖ) und Beate Prettner (Kärnten) in das Hinterzimmer eines Kaffeehauses nahe dem Sozialministerium lud, um Bericht zu erstatten.

Die Soziallandesräte waren kurz zuvor bei Sozialministerin Beate Hartinger-Klein gewesen. Man besprach einmal mehr die Bedenken bei der neuen Sozialhilfe, vormals Mindestsicherung.

Das Treffen, an dem auch ÖVP-Klubchef August Wöginger teilgenommen hat, war von Beginn an unter keinem guten Stern gestanden.

Das liegt zum einen am scharfen Zeitplan, den die Regierungsparteien vorgeben: Schon vor einem Monat, Mitte März, fiel der formale Beschluss für die Verschärfungen der Sozialhilfe im Ministerrat – für allfällige Änderungen ist es jetzt eher spät.

Zusätzlich haben ÖVP wie FPÖ mehrfach erklärt, dass sie die inhaltliche Kritik an dem Gesetz so nicht teilen. „Hier wird Armut verschärft, anstatt diese zu mildern oder zu vermeiden. Die Regierung weiß nicht, was sie tut“, wetterte also die Kärntner SPÖ-Politikerin Prettner.

Was aber sind die sachlichen Einwände?

- Einschnitte für Zuwanderer Die Bundesregierung will die volle Sozialhilfe nur noch Menschen ausbezahlen, die gute Deutschkenntnisse (Sprachniveau B1) haben. Wer keine fortgeschrittenen Deutschkenntnisse nachweisen kann, bekommt entsprechende Kurse – und rund 300 Euro weniger Sozialhilfe. Als Kürzung bewerten SPÖ und Grüne auch die vorgeschriebene Wartefrist für Drittstaatsangehörige.

Diese haben in der neuen Regelung grundsätzlich erst nach einem fünfjährigen, rechtmäßigen Aufenthalt in Österreich einen Rechtsanspruch auf Sozialhilfe. Und: Die Sozialhilfe darf maximal auf zwölf Monate begrenzt genehmigt werden.

- Kürzungen für Großfamilien

Die Zuschläge auf den Sockelbetrag werden in Zukunft gestaffelt. Für das erste Kind gibt es 25 Prozent der Sozialhilfe zusätzlich, für das zweite 15 und ab dem dritten Kind noch je fünf Prozent Zuschlag.

ÖVP-Klubchef August Wöginger wollte die SPÖ-Kritik so nicht stehen lassen. „Von allen Ländern kamen konstruktive Vorschläge – bis auf Wien“, sagte Wöginger im Anschluss an das Gespräch.

Wie geht es nun weiter?

Am 15. April ist das Gesetz im entsprechenden Ausschuss im Parlament.

Und auch wenn Hacker und seine Mitstreiter in den Bundesländern noch hoffen, dass Substanzielles geändert wird, stehen die Chancen eher gering.

Und dann? Hacker ist sicher: „Dann landet das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof.“

Zur Erklärung: Das ist die Sozialhilfe neu

Verschärfungen: Die Bundesregierung hat im März die Reform der Mindestsicherung beschlossen. Sie soll wieder „Sozialhilfe“ heißen und bringt für Familien mit mehreren Kindern Einschnitte durch eine Staffelung pro Kind. Auch für Zuwanderer mit schlechten Deutschkenntnissen gibt es Kürzungen – sie bekommen nur 65 Prozent der regulären Leistung, bisher 563 Euro, seit 2019 rund 575 Euro. Die gut 300 Euro Differenz auf die volle Geldleistung erklärt die Regierung als Sachleistung zum „Arbeitsqualifizierungsbonus für Vermittelbarkeit“. 

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