Karl Habsburg-Lothringen über Wertvorstellungen seiner Familie, die Ukraine und seine Radiostation in Kiew, das "Lego"-Spiel der US-Politik, seine Scheidung und seine Kinder.
Auf welcher Seite Habsburg steht, ist gleich klar: Sein linkes Handgelenk ziert ein blau-gelbes Ukraine-Band.
KURIER:Sie sind Medienunternehmer, was Ihnen nicht „in die Wiege gelegt“ wurde. Wie kam es dazu?
Karl Habsburg-Lothringen: In den Neunzigerjahren habe ich mich gemeinsam mit einem medienkundigen Freund für eine Radiolizenz in Holland beworben. Zu unserem größten Erstaunen haben wir sie auch bekommen. Die Station gibt es noch heute. Radio hat mich immer fasziniert, für mich gibt es kein unmittelbareres Medium. Danach haben wir weitere Lizenzen besorgt.
Sie haben auch einen Sender in der Ukraine. Wie arbeitet man dort?
Den Sender habe ich 2007 erworben, weil ich mir dachte: Es ist ein großes Land mit vielen Ressourcen und einer interessanten Zukunft. Als 2014 der Krieg losging, fragte mich der Präsident, ob sich unser Radio mehr auf den ukrainischen Ursprung besinnen könnte. Daraufhin haben wir einen Unterhaltungssender mit 70 bis 80 Prozent ukrainischer Musik gemacht – natürlich mit Informationsblöcken. Nach dem russischen Einmarsch 2022 wussten wir nicht, ob wir weiter existieren können. Die Truppen standen direkt vor Kiew, es gab keine vernünftige Stromversorgung mehr. Wir haben nun ein zweites kleines Studio, wo wir auch bei Luftalarm arbeiten können. „Die Ukraine ist Europa“: Diese Botschaft des Senders ist mir wichtig.
Ungefähr alle zwei Monate. Früher stieg ich in Wien in den Flieger und war abends wieder daheim. Jetzt bin ich mit Terminen oft eine ganze Woche – mit Auto, Zug und Bus – unterwegs.
Wie gefährlich ist es?
Das Risiko ist überschaubar, aber es kommt darauf an, wo ich bin. Ich durfte in einigen, auch von der OSZE unterstützten Aktionen in Charkiw dabei sein. Man ist in der Nähe der Front und hört die Artillerie schießen.
Wie verzweifelt sind die Ukrainer über den drohenden Verlust des US-Schutzschirms?
Sie meinen, dass sich nun Europa mehr einsetzen muss. Aber dafür gibt es ja Gott sei Dank immer mehr Bewusstsein. Es geht um die Verteidigung unserer Werte!
Ihr Vater hat schon 2003 Präsident Putin als „grausam und unterdrückerisch“ bezeichnet und von einer internationalen Gefahr gesprochen. Hörte man zu wenig auf ihn?
Ja natürlich. Mein Vater hatte immer eine langfristige Perspektive und hat sich die Karriere und die Person Putin sehr genau angeschaut. Heutzutage werden viel zu selten langfristige Schlussfolgerungen gezogen.
Die US-Außenpolitik kommt mir vor, als würde jemand mit riesigen Lego-Bausteinen spielen. In der amerikanischen Führung fehlt ja jedes Verständnis für internationale Politik. Dort denkt man: „Weil der Feind meines Feindes mein Freund ist, unterstützen wir Russland. Die helfen uns vielleicht gegen China, dann kann Putin in Europa tun, was er will. Und wir nehmen uns Grönland und den Panamakanal. Den Chinesen überlassen wir Ostasien“: ein katastrophales Weltbild, das alle Prinzipien der letzten 70 Jahre zerstört, mit denen das größte Friedenskonzept der Menschheitsgeschichte verwirklicht wurde.
Wenn 1918 anders verlaufen wäre, wären Sie jetzt Kaiser. Praktisch sind Sie das Familienoberhaupt der Habsburger. Was bedeutet das?
Wir sind eine riesengroße Familie mit rund 700 Leuten. Es gibt allein 77 direkte Nachkommen meiner Eltern. Ich kümmere mich um den Zusammenhalt und dass man sich für die europäische Dimension, die diese Familie vertreten hat, einsetzt.
In Österreich gelten noch immer die Habsburger-Gesetze, also die Enteignung des Vermögens. Haben Sie den Kampf dagegen aufgegeben?
Das ruft bei mir nur noch ein müdes Lächeln hervor. Ich habe kein großes Problem damit – außer, dass ich ab und zu vor Gericht stehe ...
... weil das Adelsaufhebungsgesetz aus demselben Jahr Adelstitel verbietet.
Niemand bestreitet, dass mein Vater Otto von Habsburg hieß. Und ich nehme mir die Freiheit heraus, in vielen Fällen als Karl von Habsburg aufzutreten. Ich habe nicht das Gefühl, mich damit ins Kriminal zu begeben.
Eine sehr österreichische Frage. Ich nehme das locker.
Sie sind in der Paneuropa-Bewegung aktiv. Das sogenannte Paneuropa-Picknick hat 1989 einen Beitrag zum Ende des Eisernen Vorhangs geleistet. Was sind die heutigen Herausforderungen?
Gewinnt Russland in der Ukraine, dann ist das auch eine Bedrohung für uns. Putin hat oft genug gesagt, dass er den Einflussbereich der Sowjetunion wiederherstellen will.
Hätte man beim Zusammenbruch der Sowjetunion nicht die Verletzung der russischen Seele durch das Vorrücken der NATO-Grenzen besser beachten müssen?
Ich glaube an Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, Marktwirtschaft, Freiheit des Einzelnen. Warum soll man das den Russen versagen, die jetzt in einem unterdrückerischen Unrechtssystem leben? Ich bin nicht jemand, der sagt: „Oh mein Gott, wie können wir zur Gesichtswahrung des Herrn Putin beitragen?“
Diese Freiheit, von der Sie jetzt sprechen, gab es unter Ihren Vorfahren auch nicht.
Selbstverständlich. Aber man muss Dinge immer in derselben Zeit vergleichen, und da schäme ich mich gar nicht zurückzuschauen.
"Salon Salomon": Zum ausführlichen Gespräch mit Karl Habsburg-Lothringen
Sie berufen sich gerne auf das Christentum. Wie sehen Sie da die Verbreitung des Islam in Europa?
Ich betrachte jede Verbreitung von Radikalismus kritisch, da gehört der radikale Islam dazu. Es gibt aber islamische Länder, die trotzdem sehr europäisch sind.
Sie sind zum zweiten Mal verheiratet. Gab es keine Probleme im Haus Habsburg mit einer Scheidung?
Natürlich gab es eine Reihe von Menschen, die unglücklich damit waren, und da war ich der Erste. Aber wir sind auch Menschen und leben in einer modernen Zeit.
Ihr Sohn Ferdinand Zvonimir Habsburg-Lothringen ist erfolgreicher Motorrennsportler. Sorgen Sie sich manchmal?
Es bringt ihm nichts, wenn ich mich fürchte. Er fährt dennoch. Ich bin stolz auf ihn.
Denkt man im Adel noch immer dynastisch, heiratet also untereinander und kriegt nach wie vor viele Kinder?
Große Familien haben wir immer gerne, das untereinander heiraten ist nicht mehr so verbreitet. Ich habe drei Kinder – damit bin ich eher auf der „mageren Seite“. Wir denken langfristig – nicht in Legislaturperioden, sondern in Generationen.
Was soll von Ihrer Arbeit für Ihre Enkel übrig bleiben?
Der Einsatz für die Sicherheit in Europa und für unsere Wertvorstellungen.
Wie präsent ist Ihr 2011 verstorbener Vater in der Familie?
Sehr, weil er eine sehr dominante Persönlichkeit war. Er war aber immer unglaublich unterstützend, selbst wenn er das Gefühl hatte, dass wir einen Blödsinn machen. Unterstützung ist das Wichtigste, was Eltern geben können.
Sie sind beide im Europaparlament gesessen, das Sie nach einer Spendenaffäre verlassen mussten. Tut es Ihnen leid, nicht mehr politisch wirken zu können?
Ich vergieße keine Tränen über die Vergangenheit. Man kann überall politisch tätig sein. Sehr stolz bin ich übrigens auf den Einsatz meiner jüngsten, 23-jährigen Tochter Gloria als Produzentin einer Nawalny-Dokumentation, die damit 2023 einen Oscar mitgewonnen hat. Sie ist politisch extrem interessiert – es geht also in der nächsten Generation weiter.
Der älteste Sohn von Otto Habsburg ist Familienoberhaupt des Hauses Habsburg-Lothringen und internationaler Medienunternehmer, u. a. mit einer Radiostation in Kiew. Karl Habsburg-Lothringen ist seit vielen Jahren in der Paneuropa-Bewegung aktiv und saß bis 1999 im EU-Parlament.
Aus erster Ehe mit Francesca Habsburg, geborene Thyssen-Bornemisza, hat er drei Kinder, u. a. den Motorsportrennfahrer Ferdinand Zvonimir Habsburg-Lothringen.
700 Mitglieder umfasst circa die Gruppe der Namensträger Habsburg-Lothringen, 77 stammen in direkter Linie von Otto und Regina Habsburg.
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