Gudenus gegen Begriff "Annexion" bei Krim

Einiges bei den Koalitionsverhandlungen werde noch "zäh", aber Lob für "angenehme Atmosphäre". FPÖ-Politiker hofft, dass "neue ÖVP" sich nicht von alter ÖVP einholen lässt und ist gegen UBA-Absiedlung aus Wien.

Der Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus ( FPÖ) lobt die laufenden Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP. Diese seien von einem Klima des Respekts getragen, die Atmosphäre sei "angenehm", sagte er im Interview mit der APA. Allerdings stünden noch "Brocken" bevor, bei denen die Schnittmenge relativ gering sei: "Einiges wird noch zäh und hart verhandelt werden die nächsten Wochen."

"Aber ich glaube, dass Verhandlungen nur gut geführt werden, wenn sie hart geführt werden, damit dann das Beste rauskommt", erläuterte Gudenus bei einem Interview anlässlich einer zweitägigen Klubklausur der Wiener FPÖ in Bad Blumau. Er habe den Eindruck, dass mit der ÖVP Gespräche auf Augenhöhe möglich seien: "Die Streitkultur - im negativen Sinn - haben wir in den vergangenen Jahren ja erlebt, ich glaube nicht, dass die ÖVP das wiederholen möchte."

"Mein Anspruch ist schon, so viel wie möglich für Österreich herauszuholen und ich hoffe schon, dass die neue ÖVP sich nicht von der alten ÖVP einholen lässt", sagte der Rathauspolitiker. Die FPÖ lasse sich jedenfalls im Hintergrund von Experten beraten, "um uns da breit aufzustellen". Als "Hauptbereiche" der Verhandlungen bezeichnete er Wirtschaft und Sicherheit.

Bestehende Raucherregelung als "Wunsch"

Er gehe davon aus, dass sich beide Parteien inhaltlich in vielen Punkten überschneiden - aber nicht überall: "Es wird auch Kompromisse geben müssen." Bedingungen für die Koalition wollte Gudenus nicht formulieren. Aber es gebe natürlich "Wünsche", etwa die Beibehaltung der geltenden Rauchverbotsregelung. Dass Glimmstengel mit Ende Mai zur Gänze aus der Gastronomie verbannt werden sollen, kritisieren die Blauen.

>>> 2stimmen-Podcast: Rauchverbot

"Da geht es um die Wirtschaft, da hängen Arbeitsplätze daran", warnte der FPÖ-Vertreter. Die Wirte hätten immerhin 100 Mio. Euro ausgegeben, damit ihre Lokale der jüngsten Regelung entsprechen würden. Auch bei der - von der FPÖ abgelehnten - Pflichtmitgliedschaft in Sachen Kammern werde man sehen, was die Gespräche ergeben: "Das ist alles Inhalt der Verhandlungsmasse."

Dass die ehemalige EU-Kommissarin und Ex-ÖVP-Außenministerin Benita Ferrero-Waldner an die ÖVP appelliert, das Außenministerium nicht der FPÖ zu überlassen, sei "einfach so hinzunehmen", befand Gudenus. Politik lebe von Forderungen und Kritik. Wobei er klarstellte: "Egal welches Ministerium, wir hätten für jedes geeignete Leute." Viele Teile der FPÖ-Kernforderungen würden auch das Innenministerium betreffen. Jedoch: "Jedes Ministerium ist interessant, sonst wär's kein Ministerium."

Gegen Begriff "Annexion" bei Krim

Die jüngste Kritik an der Krim-Reise des künftigen FPÖ-Nationalrats Hans-Jörg Jenewein und des Linzer Vizebürgermeisters Detlef Wimmer hält Gudenus für nicht angebracht: "Das war keine offizielle Reise der FPÖ. Es ist nicht verboten, weltweit da und dort hinzufahren."

Die Bezeichnung "Annexion" der Krim durch Russland hält der Wiener Vizebürgermeister für problematisch: "Das ist natürlich ein internationaler Streitfall. Ich stoß mich ein bisschen an dem Begriff Annexion, weil das ist etwas Militärisches." Man könne natürlich die Volksabstimmung kritisieren und sich fragen, ob sie nach westlichen Kriterien abgelaufen sei oder nicht. "Aber insgesamt ist es wichtig, eine diplomatische Lösung herbeizuführen", sagte Gudenus - der selbst als "Beobachter" während des umstrittenen Referendums 2014 auf der Krim weilte.

Es gehe auch um die Sanktionen gegen Russland, die auch Österreich schaden würden: "Wir wissen, dass die EU hier eine sehr verfestigte Meinung hat. Es muss im Sinne Österreichs und der EU sein, dass es zu einer diplomatischen Lösung kommt." Natürlich müsse mit allen Seiten gesprochen und auf alle Interessen Rücksicht genommen werden, betonte er.

Der Wiener Blaue beteuerte, dass die FPÖ eine pro-europäische Partei sei: "Wir wollen die EU so gestalten, dass die Vaterländer sich wiederfinden und nicht überrumpelt fühlen. Wir wollen ein Europa der Vaterländer und keine superzentralistische EU." Als Knackpunkt bei den Verhandlungen sehe er diese Haltung nicht: "Ich glaube, da gibt es viele Überschneidungspunkte. Oft werden die Sachen polarisierender dargestellt als sie eigentlich sind."

Lediglich in einer Causa widerspricht Gudenus der ÖVP ausdrücklich - nämlich in Sachen Umweltbundesamt: "Da bin ich nicht für eine Absiedlung." Zuletzt war vom zuständigen Minister Andrä Rupprechter eine Übersiedlung der Einrichtung nach Klosterneuburg angekündigt worden.

ÖVP und FPÖ verhandeln weiter über ein gemeinsames Regierungsprogramm. Am Dienstag stehen dabei etwa die Themenbereiche Wirtschaft und Entbürokratisierung, am Mittwoch Energie, Finanzen und Steuern auf der Tagesordnung. Medial kolportierte Pläne zur Wiedereinführung von Ambulanzgebühren oder der Abschaffung von Tempolimits wurden von Türkis-Schwarz-Blau unterdessen dementiert.

Die ÖVP verschickte wegen eines entsprechenden "Standard"-Berichts am Dienstag gar eine eigene Aussendung. Die Tageszeitung hatte zuvor berichtet, dass ÖVP und FPÖ die Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr planten. Eine solche Ambulanzgebühr wurde - unter viel Kritik - schon Anfang der 2000er-Jahre von Schwarz-Blau I eingeführt und danach vom Verfassungsgerichtshof wieder aufgehoben.

Die ÖVP dementierte ein solches Vorhaben postwendend und sprach von Falschberichterstattung. "Entweder wurde hier schlecht recherchiert oder es werden bewusst Unwahrheiten verbreitet. In keiner der verhandelnden Gruppen wurde über Ambulanzgebühren gesprochen. Das ist auch in den internen Protokollen belegt. Die Falschinformation wäre durch einfache Nachfrage in den Pressestellen von ÖVP oder FPÖ leicht vermeidbar gewesen", teilte die Partei mit. "Das ist genauso frei erfunden wie die Geschichte über die Abschaffung von Tempolimits", ergänzte ein FPÖ-Sprecher gegenüber der APA.

Bei Sichrheit "schon ziemlich weit"

Kurz vor einer Einigung steht man indes beim Thema Sicherheit, bestätigten sowohl ÖVP als auch FPÖ. "Da sind wir schon ziemlich weit", hieß es aus beiden Parteien. Zum einen gebe es große Überschneidungen in den Programmen von ÖVP und FPÖ, zum anderen würden sich die Verhandlerleiter, Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ), sehr gut verstehen. Konkret geht es im Cluster Sicherheit, Ordnung und Heimatschutz um die Reduktion der illegalen Migration, die Grenzraumsicherung, Maßnahmen gegen den politischen Islam oder die Anhebung von Mindeststrafen für Gewalt-und Sexualverbrechen.

Die Cluster- und Fachgruppen sollen ihre Zwischenberichte bis zum 24. November an die leitende Steuerungsgruppe melden. Die Steuerungsgruppe mit den Parteichefs Sebastian Kurz (ÖVP) und Heinz-Christian Strache (FPÖ) an der Spitze wird am Freitag wieder neuerlich tagen. Vergangene Woche hatten ÖVP und FPÖ eine Zwischeneinigung punkto Budgetpfad und Senkung der Steuer- und Abgabenquote von derzeit 43,2 in Richtung 40 Prozent erzielt. Eine grundsätzliche Einigung gab es auch darauf, die derzeit 21 Sozialversicherungsträger durch Zusammenlegungen effizienter zu strukturieren. "Die möglichen Varianten werden jetzt geprüft", hieß es dazu am Dienstag aus Verhandlungskreisen.

Kommentare