Wolfgang Schüssel: "Hatte bei Ibiza ein Déjà-vu"

Wolfgang Schüssel
Zu seinem 75. Geburtstag blickt der Altkanzler in einem neuen Buch auf sein Leben zurück. Ein Interview über Corona, Angela Merkel, Jörg Haider, Ibiza, Karl-Heinz Grasser und den Tod

KURIER: Herr Schüssel, Ihr neues Buch trägt den Titel „Was. Mut. Macht“. Sie fordern zu mehr Optimismus auf. Jammern wir auch in der Krise noch auf hohem Niveau?

Wolfgang Schüssel: Ich bin so alt wie die Republik und rückblickend gesehen: Es gab immer Krisen, die noch viel ärger waren. Denken Sie nur an Leopold Figl, der für Kurt Schuschnigg die Volksabstimmung gegen Hitler am 12. März 1938 organisieren sollte. Enttäuscht musste er aufgrund der brutalen deutschen Drohungen die Absage zur Kenntnis nehmen. Einen Tag nach dem deutschen Einmarsch wurde Figl verhaftet. Sechs Jahre verbrachte er in verschiedenen Konzentrationslagern. Im Endkampf um Wien wurde er befreit und bald darauf von den Sowjets mit der Lebensmittelversorgung Wiens betraut: Für ganz Wien gab es eine Kuh. Ich war ein Kind mit zehn Jahren, als die Ungarn-Koalition von den Panzern niedergewalzt wurde. Damals standen plötzlich 20 Verwandte aus Sopron vor der Tür. Wir legten Matratzen auf, damit sie ein paar Monate bei uns wohnen. Es ging immer weiter, und Österreich hat die Lektionen aus diesen Krisen stets umgesetzt. Dadurch sind wir stärker geworden. Man soll sich nicht davon beeindrucken lassen, wenn Populisten und Demagogen am Rand herumhüpfen und schreiben, dass wir in einem Tal des Jammers und der Tränen leben.

Wir sind im dritten Monat der Corona-Krise. Was sind die Lektionen, die die Politik daraus lernen sollte?

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