Razzia gegen Rechte: Was Gottfried Küssel vorgeworfen wird

HAUSDURCHSUCHUNG BEI NEONAZI KÜSSEL
Im Visier der Ermittlungen steht ein Verein in Wien-Leopoldstadt. Dort sollen NS-Lieder gesungen worden sein. Eines findet sich auch auf einer Platte von Schlagerstar Heino.

Der Umstand, dass kein einziger von insgesamt 17 Verdächtigen festgenommen wurde, ist für Verteidiger Michael Dohr Indiz dafür, dass die Vorwürfe "strafrechtlich wenig Substanz" haben.

Dohr vertritt Österreichs wohl bekanntesten Neonazi. Gottfried Küssel (67) war am Dienstag das Ziel einer österreichweiten Razzia gegen tatverdächtige Personen aus der rechtsradikalen Szene.

Insgesamt gab es am Dienstag in den frühen Morgenstunden zeitgleich 25 Hausdurchsuchungen in fünf Bundesländern. Wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) bestätigt, waren neben Wien auch Wohnungen, Vereinslokale und Häuser in Nieder- und Oberösterreich, der Steiermark und Salzburg Schauplatz der Aktion.

Insgesamt 17 Verdächtige stehen wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen das Verbotsgesetz im Zentrum von Ermittlungen – 16 Männer und eine Frau.

Verdächtiger Verein im Fokus

Sichergestellt wurden bei der Razzia unter anderem funktionstüchtige Waffen, Munition, Datenträger und Propagandamaterial. Das Material müsse nun ausgewertet und datenforensisch untersucht werden. Im Fokus des Zugriffs stand unter anderem ein Haus in Wien-Leopoldstadt, in dem Küssel zusammen mit anderen Verdächtigen den Verein "Ferialverbindung Imperia“ gegründet haben soll.

Dieser gilt laut Ermittlungen des Staatsschutzes als "Anlaufstelle für Personen aus der Nazi- und rechtsradikalen Szene“.

HAUSDURCHSUCHUNG BEI NEONAZI KÜSSEL

Razzia gegen die rechtsradikale Szene

SS-Treuelied

Anlässlich von Treffen soll in den Räumen "rechtsradikales Gedankengut im Sinne des Verbotsgesetzes propagiert worden sein“. Laut Staatsschutz soll Küssel am 11. Oktober 2024 zusammen mit 16 anderen Anwesenden das SS-Treuelied "Wenn alle untreu werden“ gesungen haben.

Im Dezember 2024 soll die Runde "Die hohe Nacht der klaren Sterne“ angestimmt haben – für die Ermittler "ein bekanntes Weihnachtslied aus der Zeit des Nationalsozialismus“. Küssel und andere sollen sich außerdem mit "Heil“ begrüßt haben.

Wie Dohr erklärt, werden seinem Mandanten im Wesentlichen fünf Punkte vorgeworfen. Einer davon, nämlich der Gesang des Treueliedes, habe erst kürzlich im Zuge eines Begräbnisses in Wien zur Einstellung des Verfahrens gegen freiheitliche Abgeordnete geführt. Dohr sieht darin genau so wenig Strafbarkeit, wie jemanden mit "Heil“ zu begrüßen.

Heino brachte Lied auf Platte

Als Gruß (ohne Nachsatz) sei dies heute noch in Tirol oder Vorarlberg "geläufig“, so der Strafverteidiger. Für den Anwalt weist auch das Weihnachtslied "Hohe Nacht der klaren Sterne“ keinen NS-Bezug auf. "Es ist selbst von Heino auf Platte vertont worden“, sagt Dohr. Küssel habe in dem genannten Verein keinerlei offizielle Funktion.

GRASSER PROZESS: DOHR

Rechtsanwalt Michael Dohr

Führungsriege

Der für Geheimdienste zuständige Staatssekretär Jörg Leichtfried (SPÖ) erklärte in einem Statement, dass bei derartigen Aktionen nicht nur die Basis, sondern insbesondere die Führungsriege rechtsextremer Gruppierungen im Fokus stehe. Küssel und weitere Mitglieder der Szene haben sich schon seit Jahren in dem Haus in Wien-Leopoldstadt einquartiert.

Kein Pass und Personalausweis

Gottfried Küssel hatte übrigens zuletzt in ganz anderer Angelegenheit eine juristische Niederlage erlitten. Sein Versuch, einen neuen Reisepass ausgestellt zu bekommen, ist endgültig gescheitert. Ein letztes Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) blieb laut Medienberichten ohne Erfolg.

Dem bekannten Neonazi waren bereits 2016 nach einer Verurteilung Pass und Personalausweis entzogen worden.

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