Grünen-Chefin gegen SPÖ-Minister: "Vollkommen falsche Prioritätensetzung"

Leonore Gewessler
Die Grünen-Chefin Leonore Gewessler kritisiert die Milliarden-Investitionen in den Lobautunnel, befürchtet die Abkehr von der Energiewende und will laut werden.

Die Grünen haben die Sondersitzung am Mittwoch (22.10. 2025) im Parlament beantragt – worum geht es eigentlich? Die neue Grünen-Chefin Leonore Gewessler warnt vor großen Projekten der Regierung.

KURIER: Heute geht es im Parlament um „Milliarden für die Zukunft statt für die Zerstörung der Natur“. Geht es darum, dass das Bauprogramm der Asfinag vorliegen müsste?

Leonore Gewessler: Es gibt jährlich ein Bauprogramm der Asfinag, das bis zum 15. Oktober an das Ministerium übermittelt werden muss. Wir kennen nur die aus unserer Sicht historische Fehlentscheidung für den Bau der Lobau-Autobahn mit dem Tunnel durchs Naturschutzgebiet. Aber bei vielen anderen Projekten wissen wir nicht, wie der Stand der Dinge ist. Was ist zum Beispiel bei der S34 rund um St. Pölten mit wertvollsten Ackerflächen? Was steht in diesem Bauprogramm, um wie viele Milliarden geht es da? Die Anwohner dort sind besorgt und haben sich Klarheit verdient.

Mehr Straßen führen zu mehr Verkehr, sagen die Grünen. Aber taugt die meistbefahrene Straße wirklich für so ein Exempel?

Das sagen nicht nur die Grünen, das sagen unzählige Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Ich verstehe die Frage dahinter: Die Menschen haben sich Verkehrsentlastung verdient. Das Problem ist nur, die erreicht man nicht mit einer zusätzlichen Straße. Das wird am Ende, irgendwann in frühestens 20 Jahren, dazu führen, dass man auf der Tangente und im Tunnel im Stau steht. Wenn man die Straßeninfrastruktur ausbaut, kriegt man mehr Straßenverkehr.

Was soll der Minister tun?

Es gibt Lösungen, die rascher wirken und schneller umsetzbar sind. Ausbau des öffentlichen Verkehrs geht schneller, wirkt schneller und bringt mehr, für Klima, Bodenschutz und Verkehrsentlastung. Es ist nicht verwunderlich, dass bei der strategischen Prüfung die Lobauautobahn mit dem Tunnel immer am schlechtesten abgeschnitten hat. Sowohl kurz- als auch langfristig sind die Kosten unverantwortlich. Warum sich die SPÖ-Wien da mit Händen und Füßen dagegen wehrt, verstehe ich wirklich nicht.

Immerhin sagt die Regierung, diese Bauprojekte werden nicht das Budget belasten, weil es ja die Asfinag zahlen muss.

Die Frage ist, ob wir mehrere Milliarden in neue Straßenprojekte stecken oder wie hoch die Dividende ist, die wir in den Staatshaushalt bekommen wollen. Die SPÖ erklärt jede Woche, es ist kein Geld da, um die Familienbeihilfe an die Teuerung anzupassen, die Kindergrundsicherung muss auch warten, aber beim Autobahnbau können die Milliarden gar nicht schnell genug fließen. Pläne für Betondenkmäler aus den 1970ern ganz oben auf der politischen Agenda zu haben, statt einer Vision, wie dieses Land sozial gerechter wird – das ist eine politisch vollkommen falsche Prioritätensetzung.

Es stehen die Verhandlungen der Regierung mit der Opposition zum Strom-Wirtschaftsgesetz an. Was sind Ihre roten Linien?

Mit dem ersten Entwurf waren wir gar nicht zufrieden, ich halte das Vorgelegte sogar für gefährlich für die Energiewende. Denn wenn man heimischer Stromproduktion weitere Hürden in den Weg legt, indem man sie teurer macht und durch zusätzliche Gebühren belastet, dann zementieren wir nur die Abhängigkeit von Energieimporten ein. Aber ich bin die Erste, die sich freut, wenn die Regierung vom Ankündigen ins Umsetzen kommt. Wir stehen für konstruktive Gespräche bereit.

Es gibt Gerüchte, dass die ÖVP da lieber mit den Freiheitlichen verhandeln will.

Das wird eine Entscheidung der Regierung aus ÖVP, Sozialdemokratie und Neos sein müssen, ob sie mit der FPÖ Klimaschutz und Energiewende weiter abmontieren oder mit den Grünen die Energiewende fördern wollen.

Es bewegt sich was beim Thema Verwaltungsreform. Landeshauptfrau Edtstadler spricht vom Abtausch Spitäler gegen Lehrer. Wie sehen sie so eine große Reform?

Wir reden derzeit sehr viel über große Reformen, das ist gut. Eine Vereinfachung und Neusortierung der Kompetenzen kann dazu einen Beitrag leisten und wir stehen für Gespräche bereit. Man darf den Tag aber nicht vor dem Abend loben, weil bei jedem Vorschlag kam reflexartig von irgendwo ein Nein. Nur ankündigen reicht nicht.

Wie erging es Ihnen bisher beim Wechsel von der Regierung in die Opposition? Sie wollen mehr zuhören?

Das Zuhören ist eine Haltung. Ich will, dass das die Menschen wieder spüren: Wir stehen an ihrer Seite. Wünsche, Ängste, Sorgen in grüne Politik zu übersetzen, ist mir wichtig. Und wir sind eine konstruktive Oppositionspartei und haben einen Gestaltungsanspruch. Gute Vorschläge der Regierung werden wir unterstützen. Aber wir werden immer laut und deutlich sagen, wenn etwas in die falsche Richtung geht.

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