Gewerkschaft: "Fabriksarbeiterinnen sind keine Frauen zweiter Klasse"

Frau Frieben, hat sich die Situation der Fabriksarbeiterinnen im historischen Vergleich verbessert?
Obwohl sich die Rahmenbedingungen geändert haben, ist vieles andere gleichgeblieben – die untypischen Arbeitszeiten etwa oder die Vereinbarkeitsfrage von Beruf und Familie, die immer noch vor allem Frauen betrifft. Gleichzeitig nimmt der technische Fortschritt im Produktionsbereich rasant zu.
Ist das gut oder schlecht?
Die Frauen müssen diesen technologischen Wandel mitmachen. Um dabei nicht aus dem Arbeitsmarkt gedrängt zu werden, bräuchte es das Recht auf Weiterbildung, vor allem für Arbeiterinnen aus dem ungelernten Bereich.
Aber der technische Fortschritt erleichtert doch zumindest die körperliche Arbeit.
Gerade in der Produktion gibt es noch immer das monotone Arbeiten und auch die körperliche Arbeit, oft unter schwierigen Bedingungen wie Hitze, Kälte, Nässe, Lärm usw. Auch der Gedanke, dass der Mensch sich nach der Maschine zu richten hat, egal, was das für seine Lebensqualität bedeutet, existiert heute immer noch.
Warum ist die Fabriksarbeit bzw. die Arbeit am Fließband für Frauen etwas anderes als für Männer?
Die Fähigkeiten von Frauen sind andere. Sie werden z. B. oft in der Qualitätskontrolle eingesetzt, weil sie meist sehr genau arbeiten. Aber auch Frauen machen körperliche Arbeit, auch Frauen sind im Akkord beschäftigt und machen Arbeiten, die genauso Schwerarbeit sind wie bei Männern. Nur, dass ihre Arbeit offiziell nicht als Schwerarbeit anerkannt wird.
Wie wirkt sich Schichtarbeit auf die Arbeiterinnen aus?
Schichtarbeit ist für das Privatleben ein großer Einschnitt, vor allem Nachtschichten sind sehr belastend. Für Frauen ist es oft schwierig, in Elternteilzeit zu gehen, weil es dafür meist keine geeigneten Schicht-Modelle gibt. Es gibt aber auch Frauen, die nur Nachtschichten machen wollen, weil sie sich am Tag um die Kinder kümmern müssen. Darum fordern wir auch den Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung und den Ausbau der Ganztagsschule.
Und wenn Arbeiterinnen schwanger werden?
Gerade bei Leiharbeiterinnen versuchen viele Unternehmen dann, eine einvernehmliche Kündigung zu erwirken. Wir haben für schwangere Mitarbeiterinnen in der Produktion während der Corona-Krise übrigens keine Möglichkeit zur frühzeitigen Freistellung gehabt, wie es zum Beispiel für körpernahe Dienstleisterinnen der Fall war. Und da muss man wirklich einmal sagen: Moment, Fabriksarbeiterinnen sind keine Frauen zweiter Klasse. Ihre Arbeit ist zu einem großen Teil systemrelevant für die Versorgung der Bevölkerung, auch wenn sie nicht gesehen wird.
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