Gesundheitssystem in der Krise: Jetzt fordert ÖGK-Chef zusätzliche Milliarden

ÖGK galt als das Prestige-Projekt der ÖVP-FPÖ-Regierung
Es sind Daten, die für das angeblich im internationalen Vergleich so vorbildliche heimische Gesundheitssystem kein Ruhmesblatt sind: Die Österreicher verbringen im Schnitt nur 57 bis 58 Lebensjahre bei guter Gesundheit. In Deutschland sind es mit 65 deutlich mehr.
Besonders schlecht bestellt sei es um die Versorgung von chronisch Kranken, allen voran der Diabetiker, rechnet Wolfgang Panhölzl von der Arbeiterkammer (AK) Wien vor: „Derzeit sind von 800.000 Patienten nur 100.000 ausreichend versorgt.“ Die Folge: In Österreich ist die Rate an diabetesbedingtem Nierenversagen, Erblindungen und Amputationen besonders hoch. Allein in diesem Bereich würde es 2.500 zusätzliche nicht-ärztliche Fachkräfte (Wundmanager, Diätologen, Pflegerinnen) brauchen, so der Experte.
Er verweist auch auf die horrende Zahl von neun Milliarden Euro, die wie berichtet mittlerweile durch Langzeit-Krankenstände verursacht werden.
Was würde dagegen helfen? Nötig sei vor allem der Ausbau der kassenfinanzierten Versorgung im niedergelassenen Bereich, betont ÖGK-Obmann Andreas Huss. „Auch wenn das Geld kostet. Denn nicht oder nur schlecht behandelte Patienten kosten viel mehr Geld.“
Huss ortet auch eine massive Unterversorgung bei psychischen Problemen. Vor allem schwer Erkrankte würden schwer einen Kassen-Psychotherapie-Platz finden. Abhilfe sollen psychosoziale Versorgungszentren als erste Anlaufstelle schaffen. Jeweils eines für Kinder und Erwachsene soll bis 2030 in den 32 Versorgungsregionen entstehen.
Mehr Zentren
Panhölzl wiederum fordert eigene Pflege- und Therapiezentren mit nicht-ärztlichem Gesundheitspersonal, das ebenfalls vor allem der Versorgung chronisch Kranker dienen soll. Die Mitarbeiter sollen ihre Leistungen analog zu den Ärzten mit den Kassen abrechnen können.
Trotz aller mittelfristigen Umwegrentabilitäten solcher Projekte bleibt die Frage der Finanzierung. Für Huss ist es nicht akzeptabel, dass in Österreich 24 Prozent der Gesundheitsleistungen privat bezahlt werden. Um diese Rate zu senken und die Versorgung auszubauen, sei also zusätzliches Geld im System nötig. Ob dies aus Steuern oder Beitragserhöhungen komme, sei eine politische Frage, so der ÖGK-Obmann.
Wobei für ihn letzteres durchaus vorstellbar scheint. Während in Österreich der Krankenversicherungsbeitrag der Erwerbstätigen bei 7,65 Prozent liege, sei er zuletzt in Deutschland auf 16 Prozent erhöht worden. Zwar seien beide Länder nicht ganz vergleichbar, weil beim Nachbarn daraus auch die Spitäler finanziert werden. Doch schon eine Erhöhung um rund zwei Prozent würde rund fünf Milliarden Euro zusätzlich bringen.
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