"Gesunder Wettbewerb"

Finanzminister Schelling: „Jeder ist für etwas zuständig, aber niemand ist verantwortlich“
Finanzausgleich: Finanzminister Schelling macht Tempo bei Steuer-Autonomie.

Finanzminister Hans Jörg Schelling , ÖVP, will sich nicht mit Bagatellsteuern aufhalten. "Damit fangen wir erst gar nicht an. Entweder g’scheit oder gar nicht" müsse die Steuer-Autonomie für die Länder beim Finanzausgleich in Angriff genommen werden. Die ersten Schritte könnten 2017 umgesetzt werden.

Schelling ist klar, dass es einen "dramatischen Umdenkprozess" braucht. In Frage kommen für ihn Einkommensteuern und die Körperschaftsteuer, dabei sollten Ober- und Untergrenzen eingezogen werden.

Einen gesunden Steuerwettbewerb unter den Ländern hält Schelling für gut, mit der Betonung auf gesund. Es wäre beispielsweise "sehr spannend, wenn im Speckgürtel um Wien andere Steuersätze gelten würden als in Wien selbst", sagte Schelling bei der Veranstaltung "Finanz im Dialog". Er schränkte allerdings gleich ein, "in der Realverfassung wird’s das nicht geben, die machen sich das aus".

Schelling verwies auf Gemeinden, die keine Grundsteuer einheben und mit einer Steuerbefreiung auf 15 Jahre um Neuansiedlungen werben: "Diese Gemeinden wollen das Geld dann über den Finanzausgleich. Wenn keine Grundsteuer eingehoben wird, dann brauchen die Gemeinden diese Steuer doch gar nicht."

Auch Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Hauslauer (ÖVP) hält einen Standort-Wettbewerb für "nicht nachteilig. Die Aufgaben würden maßvoller und stringenter finanziert". Grundsätzlich seien die Länder zu Reformen bereit. Es müsse genau geklärt werden, welche Aufgaben die Länder überhaupt vom Bund übernehmen könnten. Als Beispiel fällt Haslauer die Lawinen- und Wildbachverbauung ein. Der große Wurf sei aber erst mit dem nächsten Finanzausgleich in vier, fünf Jahren realisierbar.

Beispiel Schweiz

In der Schweiz herrscht zwischen den Kantonen, die bereits seit 1848 direkte Steuern einheben, ein harter Wettbewerb. Kantone mit hohen Steuern wie Zürich seien wegen des Flughafens trotzdem attraktiv, ländliche Kantone können im Ansiedlungs-Wettbewerb mit niedrigen Abgaben punkten, erklärte die Schweizer Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf. "Der innerkantonale Wettbewerb macht die Kantone attraktiver für den Vergleich nach außen. Denn natürlich stehen die Kantone auch im direkten internationalen Wettbewerb."

Wenn man den Föderalismus zu Ende denke, betonte Schelling, "brauchen wir bestimmte Formen autonomer Finanzströme". Wenn Spitäler Landessache sind, "dann sollen sie auch direkt von den Ländern finanziert werden und nicht über Transfers". Gewisse Aufgaben sollten aber in der Kompetenz des Bundes bleiben, "wir werden nicht die Lehrerausbildung verländern".

Der Steuerexperte und Verfassungsrichter Markus Achatz rät, einen derartigen Paradigmenwechsel nicht abrupt, sondern in Etappen durchzuziehen. Er ortet keine Probleme bei der Grunderwerbssteuer. Einkommen- und Körperschaftsteuer sollten später umgestellt werden. Unbedingt zuerst müsse die Verteilung der Aufgaben festgelegt werden, erst dann die Finanzierung.

„Originell“ nennt Wiens SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner das, was Niederösterreichs ÖVP-Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka via KURIER begehrt hat. Als Lob ist ihr Attribut nicht zu verstehen. Sobotka möchte weg von der Pro-Kopf-Quote beim Finanzausgleich, über den Bund und Länder in den kommenden Monaten verhandeln. Es geht darum, die Steuereinnahmen neu zu verteilen; an den Aufgaben dort wie da soll sich das orientieren. Von der Quote profitieren Wien, Salzburg, Vorarlberg und Tirol überdurchschnittlich. Der Bund überweist derzeit pro Wiener 3190 Euro an Stadt und Land Wien, für jeden Niederösterreicher 2670 Euro. Fortan müsse „jeder Bürger gleich viel wert“ sein, befindet Sobotka.

Sie sei verwundert, dass ihr Kollege vor den Verhandlungen über Medien kundtue, was er wolle, sagt Brauner dem KURIER: „Wir sind nicht im Casino und werfen mit Geldjetons.“ Sie wolle, wie ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling, dass die Aufgaben des jeweiligen Landes berücksichtigt werden. Wien habe auch überregionale: „190.000 Studenten sind da. Es gibt Spezialspitäler. Zu uns pendeln täglich 250.000 Menschen, die nicht nur die günstige Öffi-Karte, sondern die gesamte Infrastruktur nutzen.“ 190.000 davon kämen aus Niederösterreich – „weil es dort offensichtlich nicht die Arbeitsplätze gibt, die Wien bietet“. Abgesehen davon: „Wien steuert 25 Prozent zum Steuerkuchen bei, zurück kommt deutlich weniger. Dabei sind wir im Gegensatz zu den anderen Ländern auch Kommune, die Kinder- und Altenbetreuung finanzieren muss.“

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