Gerald Fleischmann: Ich würde sagen, wir sind in Phase Zwei. Destabilisierung heißt Polarisierung. Wir erleben eine Fragmentierung der Gesellschaft, Anfeindungen im Internet, Demonstrationen auf der Straße, noch friedliche Proteste.
Die Donnerstagsdemos sind für viele weniger groß als erwartet, Klimakleber mittlerweile Geschichte und um die Fridays for Future ist es mehr als ruhig geworden.
Die "Letzte Generation" plant eine neue Kampagne. Die Subversion, von der im Buch insbesondere die Rede ist, stammt außerdem vorrangig aus dem Ausland und erreicht uns über soziale Medien. Die Fridays-Bewegung zählt nicht zu den radikalen, sondern war nur eine gezielte Stimmungs-Kampagne für den Wahlkampf von Joe Biden 2020.
Welche Länder machen ihren Einfluss über welche Kanäle geltend?
Ich würde meinen, der größte Einfluss geht von Russland aus, gefolgt vom Islamismus der Levante und der Golfregion und zwar über alle Kanäle: Egal ob YouTube, TikTok, Facebook, Instagram oder f X. Im Kern ist mein Buch bis zu einem gewissen Grad auch ein Buch für Eltern.
Der Message-Controller von Sebastian Kurz schreibt einen Elternratgeber?
Es gibt Influencer im Netz, die als ganz normale Jugendliche von nebenan auftreten, es aber nicht sind. „Triene_85“ oder „Abul Bara“ und viele andere haben tausende von Followern und sind Akteure, hinter denen Organisationen oder eine rechte, linke oder eben islamistische Ideologie steht. Diese Influencer halten sich über ihre eigentliche Agenda bedeckt – agieren also subversiv. Wir, die Älteren, in unserer traditionellen Medien-Bubble, kennen diese Akteure gar nicht. Aber fragt man in Schulklassen, sind sie bekannt.
Ein probates Mittel, diese subversiven Akteure als solche zu enttarnen, gibt es aber nicht.
Mit Verboten wird es jedenfalls meiner Meinung nach nicht gehen. Es ist bezeichnend, dass alle Plattformen entweder aus Ostasien, Russland oder Amerika kommen und keine einzige aus Europa. Ziel in Europa und in allen westlichen Demokratien muss es sein, dass wir die gemeinsame Öffentlichkeit und Identität erhalten, das Zerfleddern in Echokammern reduzieren, indem traditionelle Medien die unaufhaltsame Transformation der Technologie umsetzen und die Politik das unterstützt.
Wie soll das gehen?
Die Revolution der Social Media wird mit der Veränderung durch den Buchdruck verglichen. Als der erfunden wurde, hat es auch nichts gebracht, weiter auf berittene Boten und Proklamationen zu setzen, die im Namen des Kaisers vorgelesen wurden. Irgendwann wurden Druckermaschinen gekauft. Und genau das wird in den traditionellen Medien passieren: Die Transformation hin zum Social Journalism. Journalismus sollte sich also der von den Nutzern verwendeten Technologien annehmen ehe sich das Geschehen weiter in die Peripherie verlagert und die nächste Generation gar keine traditionellen Medien mehr kennt und die gemeinsame Öffentlichkeit und Identität verloren geht. Das ist ja das Ziel der subversiven Kräfte.
Sie selbst waren an der Seite von Sebastian Kurz, Sie beraten die ÖVP und deren Chef Christian Stocker jetzt. Die ÖVP ist auf allen Social Media-Kanälen vertreten. Muss das eine Partei, um gegenwärtig etwas zu gelten?
Ja, das ist ein Pflichtprogramm. Aber das ist nicht die Antwort auf die Bedrohung durch Desinformation. Nochmal: Medien sollten versuchen, Social Journalism zu betreiben. Das heißt, die in den nächsten Generationen derzeit gängigen, praktikabelsten, angenehmsten und am meisten konsumierten Technologien anzunehmen und sich dorthin zu transformieren. Es wird nicht mehr ohne soziales Netzwerk mit starkem Bewegtbildanteil gehen. Salopp formuliert ist das YouTube für Nachrichten oder X mit Redaktionsstatut. Wäre ich Medienunternehmer, ließe ich das längst bauen.
Es geht auch um Fake oder Fakten-basierten Journalismus. Der deutsche Grün-Politiker Stefan Gelbhaar fiel einer Intrige zum Opfer. Belästigungen wurden gefakt, die Anschuldigungen vom Rundfunk Berlin-Brandenburg scheints ungeprüft öffentlich gemacht. Alle Instanzen in Politik und Medien haben versagt …
… das sind Vorboten einer schrecklichen Entwicklung, denn traditionelle Medien werden durch Geheimdienst- Methoden ausgehebelt. Das Merkmal einer liberalen Demokratie ist es, um die Wahrheit zu streiten. Ich selbst komme aus dem Bereich der politischen PR, Spin und Agenda Setting. Da geht es um den täglichen, demokratisch geführten Prozess der Wahrheitsfindung. Am Ende gilt das als objektiv, was in der Zeitung oder im Fernsehen ist – auch wenn es am nächsten Tag anders sein sollte. Das ist Demokratie. In Diktaturen wird die Wahrheit von einem diktiert. Diese Autokraten versuchen bei uns mit subversiven Methoden - dem sogenannten „Firehouse of Falsehood“, dem „Feuerwehrschlauch der Falschheit“ – sukzessive, die "Fuzzy-Logik" zu entfalten, falsche Informationen so zu verbreiten, dass am Ende keiner mehr weiß, was stimmt und was nicht. Es ist die gezielte Zerstörung der gemeinsamen Öffentlichkeit. Dieser Entwicklung müssen Politik, Medien und Gesellschaft etwas entgegensetzen.
Bücher werden im digitalen Zeitalter gerne mit der Such-Funktion quergelesen. In „Die Codes der Extremisten“ finden sich Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache – nicht aber der amtierende FPÖ-Chef Herbert Kickl. Warum?
Mit ihm verbindet mich keine Anekdote. Was die Freiheitlichen betrifft: Die FPÖ ist nicht subversiv, sondern nimmt am demokratischen Prozess Teil und spielt mit offenen Karten. Die FPÖ ist keine subversive Kraft. Zweitens ist die FPÖ per se nicht rechtsextrem, sondern rechtspopulistisch und deshalb ist die Partei an sich nicht Teil des Buches. Sehr wohl aber gibt es FPÖ-Verbindungen zu den Identitären und damit äußerst problematischen Kontakt mit Rechtsextremen und gemeinsame Narrative, die ebenfalls im Buch vorkommen.
Gerald Fleischmann: Die Codes der Extremisten. Wie Links- und Rechtsextreme, Autokraten und Islamisten die Demokratie unterwandern. Edition a, 384 Seiten, 27 Euro
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