"Turbo": Wie die Regierung Verfahren um Jahre verkürzen will

Zum Abschluss gibt es noch belegte Brötchen, Flüssiges und den einen oder anderen lockeren Sager: Die Bundesregierung ist mit dem Sommerministerrat am Mittwoch quasi in die Sommerpause gestartet. Wobei sich die Pause, also die Urlaubspläne der Minister, auf ein bis maximal zwei Wochen beschränken.
Dazwischen wird getourt, verhandelt und an Gesetzestexten gefeilt. Im Herbst stehen besondere Reizthemen wie die Sozialhilfereform an – oder hochtechnische Kapitel wie der „Stabilitätspakt“, der die Schuldengrenze für Bund, Länder und Gemeinden definiert.
Die Eckpunkte
Davor wollte Türkis-Rot-Pink wohl noch einmal zeigen, dass man auch als Dreierkoalition aufs Tempo drücken kann: Sie will Verfahren beschleunigen und entbürokratisieren. Wie sieht dieser „Verfahrensturbo“ aus? Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), Infrastrukturminister Peter Hanke (SPÖ) und Deregulierungsstaatssekretär Sepp Schellhorn (Neos) haben die Eckpunkte präsentiert. Konkret geht es um drei Gesetze:
- AVG: Am weitesten gediehen ist die Reform des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG), das diese Woche in Begutachtung gehen soll. Der Inhalt: Künftig soll es einfacher sein, in ein großes Genehmigungsverfahren einzusteigen. Mit einer elektronischen Kundmachungsplattform sollen die Verfahren zudem effizienter und übersichtlicher werden. Auch die derzeit achtwöchige Sommerpause für Großverfahren will Türkis-Rot-Pink abschaffen.
EABG: Beim zweiten Eckpunkt, dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG) herrscht in der Koalition noch Diskussionsbedarf. Sollte dieser geklärt sein, muss die Regierung noch eine vierte Partei an Bord holen – Energiegesetze benötigen nämlich eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Man hofft hier auf die Grünen. Worum geht es beim EABG?
Die Genehmigungsverfahren für den Ausbau Erneuerbarer Energien sollen künftig über eine Behörde in einem Verfahren abgewickelt werden. Derzeit sind mehrere separate Bewilligungen nötig – zum Beispiel eine wasser-, eine naturschutz- und eine baurechtliche. Die Regierung hofft, Verfahren damit um „Jahre“ zu verkürzen. Zudem will man Kriterien und Schwellenwerte für Genehmigungen vereinheitlichen. Diese sind derzeit in den Bundesländern teils unterschiedlich.
UVP: Im Herbst will man noch die aktuellen Regelung zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) novellieren. Warum, erklärt Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) vor dem Ministerrat. Derzeit sei das „Einspruchsverfahren“ – der dritte Abschnitt des UVP-Verfahren – überreguliert, was Projekte verhindere, so Stocker: „Nur bei uns haben Parteistellungen so ausgebaute Rechte und nur bei uns führt das dazu, dass Projekte verzögert oder verhindert werden.“
Laut Hattmannsdorfer soll deshalb eine „volle Verfahrenskonzentration beim Bund“ eingeführt werden. Zweigleisigkeiten im Rahmen von UVP-Verfahren will Türkis-Rot-Pink abschaffen. Auch für Bürgerinitiativen – derzeit können 200 Einwohner in der Nähe eines Bauprojekts eine solche bilden – seien „zeitgemäßere“ Regelungen erforderlich, erklärt Hattmannsdorfer: „Bei Umweltverträglichkeitsprüfungen stellen wir klar: Sie dürfen nicht länger als Instrument zur Verhinderung wichtiger Zukunftsprojekte missbraucht werden.“
„Enormer Turbo“
UVP-Verfahren hätten 2024 nach der Einreichung aller Unterlagen immer noch 8,9 Monate gedauert, heißt es in einer Regierungsunterlage. In Summe – also ab dem Zeitpunkt des Antrags für ein Projekt – seien es sogar 25 Monate. Das bremse Investitionen und gefährde Arbeitsplätze. Es sei „nicht selbstverständlich“, dass hier erneut drei Parteien einen gemeinsamen Nenner gefunden hätten, sagt Hanke. Schellhorn ergänzt: „Wenn wir Energie billiger machen sollen, dann müssen wir Genehmigungsverfahren verkürzen.“ Abschließend sagt der pinke Staatssekretär: „Hier werden wir einen enormen Turbo zünden.“
Der gezündete Turbo ist eine zwar häufig bediente, doch streng genommen unpräzise Metapher, denn ein Turbolader „zündet“ nicht – er bläst nur (heiße) Luft in den Motor. Bleibt zu hoffen, dass es beim „Verfahrensturbo“ zu keiner Fehlzündung kommt.
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