"Gefährder" werden an die Leine gelegt
Fußfesseln für sogenannte Gefährder, um die öffentliche Sicherheit zu erhöhen – was in Österreich geplant ist, wurde am Mittwoch in Deutschland beschlossen. Die Regierung aus Union und SPD stimmte einer Gesetzesänderung zu, die unter dem Eindruck des islamistischen Anschlags von Berlin im Dezember noch schärfer ausfiel als ursprünglich geplant. Sie ermöglicht es dem Bundeskriminalamt (BKA), potenzielle Terroristen durch elektronische Bänder an Fuß- oder Handgelenken per Satellit zu überwachen. Immerhin war der Berliner Attentäter als Gefährder bekannt gewesen, wurde aber nur lückenhaft überwacht.
Künftig kann ein Gericht oder bei Gefahr in Verzug auch das BKA selbst eine Fußfessel anordnen. Und zwar, wenn das "individuelle Verhalten" einer Person oder "bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten", dass diese Person "innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise" einen Terrorakt begehen werde, zitiert die Süddeutsche Zeitung aus dem Gesetzestext.
"Zu unklar formuliert"
Derzeit tragen in Deutschland knapp 90 verurteilte Gewalt- und Sexualstraftäter eine Fußfessel, weil sie auch nach Verbüßung ihrer Haftstrafen als Gefahr betrachtet werden. Dass künftig ein bloßer Tatverdacht für diese Maßnahme ausreichen könnte, verletze das Grundrecht, heißt es von Seiten der Opposition, aber auch von Rechtsexperten. "Die Voraussetzungen sind zu weit und zu unklar formuliert", stellt Ulrich Schellenberg, Präsident des Deutschen Anwaltvereins, gegenüber dem KURIER klar. "Reicht es aus, wenn die Person auf entsprechenden Internetseiten surft oder sich mit anderen Verdächtigen trifft?"
Ebenso schwammig ist der Begriff des "Gefährders" – also einer Person, die noch keinen Terrorakt begangen hat, aber möglicherweise beabsichtigt, es zu tun. Wer als Gefährder eingestuft wird, ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. Derzeit gelten 570 in Deutschland gemeldete Personen als mögliche Bedrohung. 200 davon halten sich auch im Land auf, 90 weitere sind in Haft.
Kompetenz der Länder
Kriminalbeamte betrachten die Fußfessel vor allem als technisches Hilfsmittel. Inwiefern Terror damit verhindert werden kann, ist unklar. Einer der beiden Islamisten, die im Vorjahr in Nordfrankreich einen Priester ermordeten, trug eine Fußfessel.
"Geht von einer Person eine konkrete Gefahr aus, muss sie durch Polizeibeamte beobachtet werden", warnt Ulrich Schellenberg. "Wenn Fußfesseln künftig fehlende Polizeikräfte ersetzen sollen, führt dies zu weniger Sicherheit."
Bevor Fußfesseln in großem Stil angewendet werden können, muss aber ohnehin erst ein großes Hindernis aus dem Weg geräumt werden: Im Moment unterliegt die Überwachung von Gefährdern bis auf wenige Ausnahmefälle nicht dem BKA, sondern den Ländern. Diese müssen für die Überwachung durch Fußfesseln erst ihre Polizeigesetze anpassen – und das kann dauern.
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