Gedenken: Die Nacht, in der die Synagogen brannten

Am Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 erinnert das offizielle Österreich an die Shoa.

Novemberpogrome: Niemals wieder heißt auch: Niemals wieder!

Die Nationalsozialisten nannten sie zynisch "Reichskristallnacht", doch die Nacht von 9. auf 10. November 1938 hatte nichts mit Glanz oder Kristallen zu tun: In dieser Nacht wurden in Deutschland und Österreich Synagogen und Betshäuser sowie tausende Geschäfte, Wohnungen und Friedhöfe von jüdischen Mitbürgern zerstört bzw. geschändet. Und mit dem Begriff "Kristall" sollte spöttelnd auf die zerschlagenen Fensterscheiben der Gebetshäuser und Geschäfte verwiesen werden.

Die Novemberpogrome stellten eine deutliche Verschärfung des staatlichen Antisemitismus dar, der später zur industriellen Vernichtung der jüdischen Mitbürger und damit zur Shoa bzw. dem Holocaust führte.

Das offizielle Österreich hat Montagvormittag auch in diesem Jahr wieder der Reichspogromnacht gedacht.

"Aus dem Rassenwahn wurden in dieser dunklen Nacht Taten -  und später das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, die Shoa", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz bei der Gedenkveranstaltung.

Sebastian Kurz hofft auf "enge Zusammenarbeit" mit Biden-Administration

Zwar könne man, so der Regierungschef, stolz darauf sein, dass  im Jahr 2020 Österreich wieder eine blühende jüdische Gemeinde habe. "Das Gift des Antisemitismus ist aber nicht verschwunden", so Kurz. "Weder in Österreich noch in der Welt." Aufgrund der besonderen Verantwortung Österreichs, jüdisches Leben zu schützen, sei ein konsequentes Bekämpfen des Antisemitismus gefragt. "Jeder Angriff und jede Grabschändung ist einer und eine zu viel." 

Kurz warnte zudem vor dem "importierten Antisemitismus": "Extremisten ist oft eines gemein, nämlich: Ihr Hass auf die Juden."

Vizekanzler Werner Kogler schloss sich dem an und erinnerte daran, dass "Friede und Freiheit keine Toleranz gegen mörderische Intoleranz üben dürfen".

Der Chef der Grünen erinnerte zudem daran, dass die Bundesregierung plane, die Unterstützung der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) auf gut vier Millionen Euro zu verdreifachen und diese Unterstützung auch in Form eines Gesetzes zu beschließen - damit wäre sie  längerfristig gesichert.

Für Oskar Deutsch, den Präsidenten der IKG, ist dies ein "historisches Projekt", für das Deutsch der gesamten Bundesregierung ausdrücklich und einmal mehr dankte. Der IKG-Chef ließ keinen Zweifel daran, dass beide Koalitionspartner, Türkise wie Grüne,  besonderes Verständnis für die Anliegen der Kultusgemeinde haben.  Deutsch schloss mit dem Satz: "Wer seine Vergangenheit nicht kennt, der hat auch keine Zukunft."

 

Van der Bellen fordert: Erinnern und niemals vergessen

Erster, grausamer Höhepunkt

Derweil hat Bundespräsident Alexander Van der Bellen  am Montag gemeinsam mit seinem deutschen Amtskollegen Frank-Walter Steinmeier auf Einladung von Israels Staatsoberhaupt Reuven Rivlin virtuell an einer Gedenkveranstaltung der israelischen Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem teilgenommen. In einer voraufgezeichneten Videobotschaft unterstrich Van der Bellen Österreichs Mitverantwortung für die Shoah und die Bedeutung der Erinnerung.

Antisemitismus habe nicht mit dem Nationalsozialismus begonnen, er sei bereits vor der Nazi-Ideologie in Österreich präsent gewesen. Die Diskriminierung habe sich zur Herabwürdigung, zur Entrechtung und letztlich zum Massenmord entwickelt, der Shoah. Das Pogrom in der Nacht des 9. November 1938 sei der erste grausame Höhepunkt der wachsenden nationalsozialistischen Gewalt gegen Juden gewesen, so Van der Bellen. Die rassistische Gewalt der Nazis habe eine neue, schreckliche Intensität erreicht und gezeigt, wie stark die jüdischen Österreicher ihrer grundlegenden Rechte und Freiheiten beraubt wurden. "Alleine in Wien wurden 42 Synagogen niedergebrannt oder zerstört. Tausende Geschäfte und Wohnungen wurden geplündert. Mehr als 6.500 jüdische Österreicher wurden verhaftet, 4.000 von ihnen wurden ins Konzentrationslager Dachau geschickt."

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