Früherer VfGH-Präsident Karl Korinek gestorben
Karl Korinek, der frühere Präsident des Verfassungsgerichtshofes, ist am Donnerstag 76-jährig nach schwerer Krankheit seinem Herzleiden erlegen, gab die Familie am Freitag bekannt. Er hatte sich 2008 nach fünf Jahren an der Spitze des Gerichtshofes aus gesundheitlichen Gründen zurückgezogen.
"Mit viel Kraft und Leidenschaft hat er sich für Verfassung und Recht eingesetzt. Seine tiefe Überzeugung war, dass ein gutes gesellschaftliches und staatliches Zusammenleben eines funktionierenden Rechtsstaats und einer Rechtskultur bedarf. Sein Leben war geprägt durch seien große Liebe zur Musik und sein christliches Menschenbild", beschrieb die Familie in ihrem der APA übermittelten Statement den ehemaligen VfGH-Präsidenten und Staatsrechtslehrer.
Ortstafel-Judikatur fiel in Korineks Ära
Er war als Universitätsprofessor 1978 an den VfGH gekommen, wurde dort 1998 Vizepräsident und folgte Anfang 2003 Ludwig Adamovich als Präsident nach - womit er seine Mitgliedschaft in der ÖVP zurücklegte. In Korineks Amtszeit fielen zahlreiche bedeutende VfGH-Entscheidungen u.a. zur Pensionsreform, zum Asylgesetz und auch die Ortstafel-Judikatur, die Korinek (neben Adamovich) massive Angriffe der FPÖ eintrug - während er sich als Präsident bei allen anderen Parteien Respekt und hohes Ansehen erwarb.
Korinek war auch einer der großen österreichischen Staatsrechtslehrer. Er unterrichtete von 1973 bis 2003 als ordentlicher Professor Verfassungs- und Verwaltungsrecht in Graz, an der WU Wien und an der Uni Wien.
Musikliebhaber
Im Ruhestand widmete sich Korinek seiner zweiten großen Leidenschaft, der Musik, auch als Aufsichtsrat der Staatsoper und Präsident des Vereins der Freunde der Wiener Staatsoper. Öffentlich meldete er sich nur mehr selten zu Wort. In einem der wenigen Interviews kritisierte er den schlechten Zustand der Gesetzgebung, forderte mehr Mut bei Verwaltungsreformen ein - und plädierte für eine Beschränkung der Briefwahl. 2016 trat er noch einmal öffentlich in Erscheinung, als Mitglied des Personenkomitees von ÖVP-Präsidentschaftsbewerber Andreas Khol.
Ernst Durig | 1945-1946 |
Ludwig Adamovich senior | 1946-1955 |
Gustav Zigeuner | 1956-1957 |
Walter Antoniolli | 1958-1977 |
Erwin Melichar | 1977-1983 |
Ludwig Adamovich (Sohn) | 1984-2002 |
Karl Korinek | 2003-2008 |
Gerhart Holzinger | 2008- |
Würdigungen
VfGH-Präsident Gerhart Holzinger: Eine "besonders beeindruckende Juristenpersönlichkeit" sei sein Vorgänger gewesen und eine "deutliche Stimme des Verfassungsgerichtshofes, die immer dann wenig Zurückhaltung kannte, wenn es um die Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze und um die drohende Einschränkung von Grund- und Freiheitsrechten ging". Die Entwicklung einer neuen Rechtsprechung zum Schutz der Grund- und Freiheitsrechte ab den 1980er-Jahren sei wesentlich auf Korinek zurückzuführen.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen würdigte Korinek in einem Kondolenzschreiben an die Familie als "eine der prägendsten Persönlichkeiten des österreichischen Rechtslebens" - und erinnerte daran, dass er "nicht nur ein großer Wissenschaftler, sondern auch ein ausgesprochen musischer Mensch" mit besonderer Leidenschaft für die Oper war.
"Wir haben Karl Korinek viel zu verdanken", stellte sein Vorgänger Heinz Fischer fest. Österreich verliere "einen der sachkundigsten und angesehensten Verfassungsjuristen der Zweiten Republik". Korinek hätte 2004 Fischers Gegenkandidat werden können - Korinek war gefragt worden, hatte die Hofburg-Kandidatur aber abgelehnt.
Justizminister Wolfgang Brandstetter ( ÖVP) verneigte sich "in Ehrfurcht und Trauer vor einer der profiliertesten Persönlichkeiten der österreichischen Justiz- und Nachkriegsgeschichte". Korinek sei für ihn persönlich stets "ein ganz großes Vorbild" gewesen - als freundschaftlich verbundener Kollege an der Universität, als souveräner VfGH-Präsident und auch als "Mensch und Buchautor mit so viel Herz und Kultur". Die Erinnerung an einen "fachlich wie menschlich großartigen und warmherzigen Menschen, der viele und vieles in seinem Umfeld stets positiv geprägt hat" werde fortleben.
Der am Donnerstag im 77. Lebensjahr gestorbene Karl Korinek hat den Verfassungsgerichtshof (VfGH) geprägt wie kaum ein anderer. 1978 in den VfGH berufen, gestaltete er als ständiger Referent, ab 1998 als Vizepräsident und ab 2003 als Präsident die Rechtsprechung maßgeblich mit. 2008 trat Korinek drei Jahre vor Erreichen der Altersgrenze wegen Herzproblemen zurück.
Den Gerichtshof hat der große Liebhaber klassischer Musik - wie er selbst einmal schilderte - als Präsident geführt "wie ein Dirigent: Den ersten Takt geben und dann einfach spielen lassen." In der Rechtsprechung spielte er maßgeblich mit: In seiner Zeit als Verfassungsrichter hat er an mehr als der Hälfte der Entscheidungen seit der Gründung des VfGH 1919 mitgewirkt und die Judikatur in manchen Dingen beeinflusst, zog Korinek einmal selbst Resümee.
"Besondere Freude" machten ihm juristisch schwierige Aufgaben wie die rechtliche Bewältigung des EU-Beitritts oder die Entwicklung der Grundrechtsjudikatur. Die Causa Kärntner Ortstafeln, die ihm (neben dem damaligen Präsidenten Ludwig Adamovich) heftige blau-orange Angriffe eintrug, war für ihn "keine besonders dauerhafte Erfahrung". Als Präsident - am 1. Jänner 2003 löste er Adamovich ab - mahnte Korinek immer wieder lautstark, wenn er Grund- und Freiheitsrechte in Gefahr sah. So war er einer der größten Kritiker der Vorratsdatenspeicherung, die 2014 vom EuGH und vom VfGH aufgehoben wurde.
KonservativWeltanschaulich im konservativen Lager verankert - sein Vater Franz Korinek war Wirtschaftskammer-Generalsekretär und ÖVP-Finanzminister - , legte er die ÖVP-Mitgliedschaft mit der Berufung zum Präsidenten zurück und erwarb sich in Folge bei praktisch allen Parteien Respekt und Ansehen - abgesehen von der FPÖ, die ihn wegen der Ortstafel-Judikatur nachhaltig attackierte. In Korineks Amtszeit als Präsident fielen viele wichtige Entscheidungen über schwarz-blaue Gesetze: Die Pensionsreform 2000 und das umstrittene Sparpaket 2003 wurden als verfassungskonform beurteilt, das Modell zur Sanierung der Krankenkassen aufgehoben und in einigen Punkten auch schwarz-blaue Ausländer- und Asylregelungen.
Als Mitglied des Österreich-Konvents 2003/4 engagierte sich Korinek für die Bereinigung und Modernisierung der Verfassung. Ein großes Anliegen im VfGH war ihm mehr Transparenz der Entscheidungen - und für die Gesetzgebung mahnte er unermüdlich mehr Qualität ein.
AutorNach seinem Rückzug meldete sich Korinek nur mehr selten zu Wort - sondern widmete sich intensiv seiner zweiten großen Leidenschaft neben dem Recht, der klassischen Musik. So schrieb er ein Buch über die Strauss/Hofmannsthal-Oper Rosenkavalier, war im Aufsichtsrat der Staatsoper und Präsident des Vereins der Freunde der Wiener Staatsoper.
Korinek war auch einer der großen österreichischen Staatsrechtslehrer. Seit 1973 unterrichtete er als ordentlicher Professor für Verfassungs- und Verwaltungsrecht, zuerst in Graz, dann an der WU Wien und zuletzt (bis 2003) an der Uni Wien. Er verfasste mehr als 200 wissenschaftliche Arbeiten, darunter mehrere selbstständige Publikationen. Außerdem war Korinek u.a. Präsident des Österreichischen Normungsinstituts (1986 bis 2002).
Geboren wurde Korinek am 7. Dezember 1940 in Wien, als Sohn des früheren Wirtschaftskammer-Generalsekretärs und Finanzministers Franz Korinek. 1958 maturierte er am humanistischen "Mariahilfer Gymnasium". 1963 promovierte er zum Dr. iur. Nach dem Rechtspraktikum wechselte er als Rechtskonsulent in die Wirtschaftskammer. 1970 habilitierte sich Korinek an der Universität Salzburg für Verfassungsrecht und Verwaltungsrecht. Seine Verdienste wurden mit zahlreichen Auszeichnungen gewürdigt, darunter 2006 das Große Goldene Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik und der Große Kardinal-Innitzer-Preis für sein herausragendes wissenschaftliches Lebenswerk.
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