Regierung abgewählt: So geht es für die Republik jetzt weiter

Auf Misstrauensvotum folgt Amtsenthebung durch den Bundespräsidenten, der dann rasch neuen Kanzler bestimmen muss.

Sebastian Kurz' Kanzlerschaft ist Geschichte - die erste zumindest. Der Nationalrat hat ihm und seiner Übergangsregierung mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt das Misstrauen ausgesprochen. Wie es bis zur Angelobung einer neuen Regierung nach den Nationalratswahlen im Herbst weitergeht, liegt nun in den Händen des Bundespräsidenten.

Misstrauensantrag ging im Parlament durch

Die wichtigsten Fragen und Antworten:

  • Was passiert, nachdem der Nationalrat dem Bundeskanzler das Vertrauen entzogen hat?

Der Bundespräsident muss den Kanzler seines Amts entheben. Danach muss der Präsident rasch einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin bestimmen. Was "rasch" konkret bedeutet ist freilich "interpretationsbedürftig", so Ex-Verfassungshofpräsident Ludwig Adamovich, der betont, nicht in seiner Eigenschaft als Berater von Bundespräsident Van der Bellen zu sprechen, sondern eine persönliche Einschätzung abzugeben.

 

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Ludwig Adamovic, ehemaliger VfGH-Präsident und Berater von Bundespräsident van der Bellen

  • Wen kann der Bundespräsident zum Nachfolger bestimmen?

Rein formal ist die einzige Vorgabe, dass jene Person in den Nationalrat wählbar ist. Diese muss also österreichischer Staatsbürger und mindestens 18 Jahre alt sein. Sollte sie zu mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden sein, muss die Entlassung mindestens ein halbes Jahr her sein. In der Praxis muss es laut Adamovich freilich jemand sein, der über politische Erfahrung verfügt.

  • Wer übernimmt zwischen dem Misstrauensvotum und der Angelobung des neuen Kanzlers die Amtsgeschäfte?

Da es sich um absolutes Neuland handelt, gehen hier die Meinungen auseinander. Nach Adamovich' Einschätzung wird der Bundespräsident vermutlich schnell handeln und die Zeit zwischen erfolgreichem Misstrauensvotum und Amtsenthebung nutzen, um einen Nachfolger zu finden. Dabei entstehe freilich das praktische Problem, wer in der Zwischenzeit das Amt ausübt. "Das ist nicht eindeutig", so Adamovich. Aus Sicht von Verfassungsjurist Theo Öhlinger kann der Bundespräsident den Vizekanzler oder, falls dieser nicht im Amt sein sollte, ein Mitglied der Bundesregierung mit der Fortführung der Geschäfte betrauen. Da jedoch SPÖ und FPÖ alle Regierungsmitglieder gestürzt haben, kommt diese Variante nicht in Betracht.

 

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Ein "Jugendfoto": Theo Öhlinger, 2004

  • Bereits am Dienstag findet ein EU-Gipfel statt. Wer kann Österreich dort vertreten, falls das Misstrauensvotum gegen Kurz am Montag erfolgreich sein sollte?

Adamovich vermutet, dass wohl Sebastian Kurz Österreich trotz des Vertrauensentzugs durch das Parlament dort repräsentieren würde. Voraussetzung dafür wäre, dass er noch nicht seines Amtes enthoben wurde.

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Die Schlüsselrolle kommt nach einer Abwahl Alexander van der Bellen zu.

  • Was geschieht, wenn der gesamten Regierung das Misstrauen ausgesprochen wird, so wie es geschehen ist?

Scheidet die gesamte Regierung aus dem Amt, muss der Präsident sofort andere Personen vorübergehend mit der Fortführung der Verwaltung betrauen. Laut Artikel 71 der Verfassung können das die Mitglieder der scheidenden Regierung selbst oder ihnen beigegebene Staatssekretäre bzw. leitende Beamte des betreffenden Ministeriums sein. Aus Sicht von Verfassungsexperte Theo Öhlinger kommen im Falle eines Misstrauensvotums gegen die Regierung nur leitende Beamte dafür infrage.

  • Wie wird über die neuen Minister entschieden?

Die neuen Minister werden vom Bundespräsident auf Vorschlag des Kanzlers ernannt. Das Staatsoberhaupt kann allerdings auch Kandidaten ablehnen.

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