Für Christoph Badelt, den Chef des Fiskalrates, kommt vorab erschwerend dazu, dass jetzt wieder nicht klar ist, wie Österreich das drohende EU-Defizitverfahren abwenden wird: „Nur weil die EU-Kommission bereit ist zu warten, heißt das nicht, dass innerhalb einer vertretbaren Zeit ein Budget samt Sparziel verabschiedet wird. Das stelle ich mir sehr schwer vor. Es wird neue, schlechtere Wirtschaftsprognosen geben. Somit wird es mit jeder Woche, wo es kein Budget für 2025 gibt, schwieriger, zu sparen.“
Schwache Prognose
Das Budgetloch ist aber bei Weitem nicht die einzige Großbaustelle, die eine neue Regierung bewältigen muss.
Tatsächlich liegt Österreichs Wachstumsprognose für 2025 bei gerade einmal 0,6 Prozent. „Und seit Veröffentlichung dieser Prognose kamen nicht gerade gute Nachrichten, so musste etwa die Industrieproduktion erneut herunterrevidiert werden. Wir sind also bereits auf einem tieferen Niveau“, sagt Marcus Scheiblecker, Wirtschaftsexperte beim WIFO.
Die Gründe für die schwächelnde Wirtschaft seien vielfältig. „Vor allem unsere Industrie und unsere Industrieexporte leiden“, erklärt Scheiblecker. Und es werde derzeit – in der ganzen EU – weniger gekauft. „Es wäre ja genug Geld da, die privaten Haushalte wollen es halt nicht ausgeben, aufgrund von Unsicherheit oder anderen Faktoren.“ Und wenn Geld ausgegeben wird, dann für Reisen ins Ausland, Mobiltelefone, Autos. „Das wird aber alles nicht in Österreich produziert.“ Zudem schwächelt Österreichs Bauwirtschaft.
Aber was kann die Politik tun, um gegenzusteuern? „Leider ist der österreichische Staat derzeit in einer Situation, wo er sparen muss, die Krise ist am Budget nicht spurlos vorbeigegangen. Und das engt den Spielraum für Gegenmaßnahmen ein“, sagt Ökonom Scheiblecker.
Er sähe eine Möglichkeit bei der Europäischen Zentralbank (EZB), indem die Zinsen im Euroraum schneller als eigentlich geplant gesenkt werden. „Wir können nur hoffen, dass das jetzt doch ein bisschen forcierter angegangen wird, wenn man sieht, dass es der Wirtschaft so lange schon so schlecht geht.“ Diese Entscheidung läge aber nur bei der EZB und nicht bei Österreichs Bundesregierung.
„Standortsanierung“
Erst am Freitag warben zudem Industriellenvereinigung (IV) und der ÖVP-Wirtschaftsbund für rasche Reformen. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer und Wirtschaftsbund-Generalsekretär Kurt Egger fordern gemeinsam ein „Standortsanierungspaket“, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dringend notwendig sei die rasche Umsetzung bereits geplanter Sparmaßnahmen, um das nun wieder drohende EU-Defizitverfahren abzuwenden. Zudem müssten Unternehmen durch niedrigere Lohnnebenkosten sowie Bürokratieabbau entlastet werden.
Für Fiskalratschef Badelt ist die Hoffnung auf eine baldige wirtschaftliche Erholung allerdings gering. Er warnt vor einem weiteren Jahr der Rezession. Im Gespräch mit dem KURIER sagt er, dass für ihn das größte Problem die anhaltende politische Unsicherheit sei: „Wir haben keine Regierung, die eine vernünftige Planung eines Abbaus des Budgetdefizits beschließen könnte.“ Dadurch drohe Österreich in eine längerfristige wirtschaftliche Schwäche zu geraten. Auch kurzfristige konjunkturelle Maßnahmen seien schwer umsetzbar: „Was immer Sie konjunkturell tun, kostet auch zusätzliches Geld, und das müssten Sie dann noch zusätzlich finanzieren.“
Strukturprobleme
Laut Badelt, der bis 2015 Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien war, liegt das Hauptproblem nicht in der allgemeinen Konjunktur, sondern in strukturellen Herausforderungen der Industrie. „Das Problem liegt vor allem in den Exporten, der Abhängigkeit von der deutschen Autoindustrie und den US-Zöllen“, erklärt er. Daher seien klassische wirtschaftspolitische Instrumente, wie die Kurzarbeit, kaum hilfreich: „Wenn das in erster Linie strukturelle Probleme sind, dann würde mir Kurzarbeit nichts nutzen.“
Wie schon Scheiblecker sieht auch Badelt ein weiteres Problem in der Zurückhaltung bei Investitionen. Die unsichere politische und wirtschaftliche Lage schrecke viele ab. Auch die Konsumenten seien verhalten, was einer wirtschaftlichen Belebung entgegenstehe. „Und wir haben noch keine Hinweise darauf, dass der Konsum anziehen wird.“
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