SPÖ-Finanzminister Marterbauer: "Mein häufigstes Wort ist Nein"

Markus Marterbauer
Markus Marterbauer über den Umgang mit Wünschen der Regierungsmitglieder, den Konflikt rund um das Pensionsalter und seinen unumstößlichen Optimismus.

SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer freut sich vorsichtig optimistisch über die Stabilisierung bzw. den leichten Anstieg der Konjunktur.

KURIER: Herr Finanzminister, wir sind am Höhepunkt der Sommerferien, der Urlaubszeit. Kann ein Finanzminister in Zeiten des Sparens auf Urlaub gehen?

Markus Marterbauer: Urlaub und ein bisschen Ausspannen ist fast die Voraussetzung dafür, dass man gute Arbeit machen kann. Wir haben jetzt eine Menge herausfordernder Arbeiten, aber im Sommer muss schon auch Platz sein, Zeit in der Natur oder in den Bergen zu verbringen.

Die Regierung hat das Doppelbudget verabschiedet. Heuer müssen über sechs Milliarden, nächstes Jahr sogar über acht Milliarden Euro eingespart werden. Der Finanzminister muss darauf schauen, dass das auch eingehalten wird. Wie gut funktioniert das bis jetzt?

Das Budget zu erstellen und durch den Nationalrat zu bringen, ist tatsächlich nur der erste Teil. Jetzt gilt es, darauf zu schauen, dass die Maßnahmen, die wir beschlossen haben und die extrem umfangreich sind, in die Tat umgesetzt werden. Wir hatten selten zuvor ein so großes Sparpaket. Unsere Aufgabe ist es, im Detail zu schauen, wie sich über die Monate hinweg die einzelnen Auszahlungen und Einnahmen entwickeln.

Sie sprechen von einem großen Sparpaket. Manche Stimmen meinen, man hätte noch mehr sparen können, weil die Bevölkerung das derzeit mittragen würde, wie verschiedene Umfragen zeigen.

Ich glaube, dass wir dieses Momentum gut ausgenutzt haben. Ich gewinne bei vielen Gesprächen – etwa bei Veranstaltungen – den Eindruck, dass die Bevölkerung darauf eingestellt ist, dass das Sparen jetzt notwendig ist. Man sieht, dass die Zeiten wie in den vergangenen Jahren, wo das Geld fast unbegrenzt zur Verfügung gestanden ist, vorbei sind. Ich sehe es schon als sehr, sehr großes Sparpaket, weil es niemanden in Österreich gibt, der es nicht spüren wird. Das geht von den Gewerbetreibenden über die Beschäftigten bis zu den Pensionisten. Man kann nicht sechs Milliarden heuer und fast neun Milliarden Euro im nächsten Jahr einsparen, ohne dass es alle spüren.

Es werden auch in dieser Legislaturperiode immer wieder neue Projekte auftauchen, die eine zusätzliche Finanzierung benötigen und von Ministerinnen oder Ministern als unbedingt notwendig bezeichnet werden. Wie wird der Finanzminister mit solchen Wünschen umgehen?

Klar wissen wir, dass in gewissen Bereichen Ausgaben vernünftig wären. Ich will das auch gar nicht bestreiten. Aber die Budgets sind extrem eng begrenzt, und mein häufigstes Wort, das ich im Moment verwende, ist Nein. Das Positive ist, dass wir schon bei den Budgetverhandlungen im Austausch mit den Ressortverantwortlichen eine Stimmung und ein Verständnis in Richtung Sparen aufgebaut haben. Ich fühle mich in dieser Frage auch vom Bundeskanzler und vom Vizekanzler sehr gut unterstützt.

Ein Punkt, der in diesem Zusammenhang immer diskutiert wird, ist das Pensionssystem. Es ist einer der größten Brocken im Budget, und Wirtschaftsvertreter und auch die Neos pochen darauf, dass hier das Antrittsalter angehoben werden müsste, weil wir uns das Pensionssystem so auf Dauer nicht leisten werden können.

Im internationalen Vergleich haben wir ein gutes Pensionssystem. Wichtig ist das Versprechen an die Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, dass sie auch im Alter ihren Lebensstandard halten können. Und das schaffen wir gut. Es gibt international kaum ein Pensionssystem, mit dem ich tauschen würde. Mein Job und jener der Sozialministerin ist es, auf die langfristige Finanzierbarkeit zu achten. Deswegen sind einzelne Anpassungsmaßnahmen notwendig, die es ja auch in der Vergangenheit schon gegeben hat. Das haben wir jetzt getan, zum Beispiel mit der Anhebung des Zugangsalters für die Korridorpension.

Zum ausführlichen KURIER TV-Interview mit Finanzminister Marterbauer

ZUR PERSON

Markus Marterbauer
Auf der Liste der Regierungsmitglieder war er jene Personalie, die am meisten überraschte: Der Finanzminister der SPÖ, Markus Marterbauer (60), stammt aus Schweden und ist in Oberösterreich aufgewachsen. Vor seinem Wechsel in die Regierung war er anerkannter Experte für Wirtschafts- und Sozialfragen.

Markus Marterbauer

Markus Marterbauer zu Gast in der Senddung "bei Gebhart"

Die Tabulinie dabei ist, dass das Pensionsantrittsalter mit derzeit 65 Jahren erhöht wird? Manche Wirtschaftsvertreter sprechen bereits von 70 Jahren.

Es ist absolut nicht notwendig, auf 70 Jahre anzuheben. Ich weiß nicht, was der Präsident der Industriellenvereinigung mit so einer Ansage bezweckt. Er kann es gerne ständig wiederholen, denn das stärkt den Widerstand gegen solche unsinnigen Maßnahmen. In der laufenden und auch der kommenden Legislaturperiode ist relevant, dass das effektive Antrittsalter erhöht wird. Was uns in dieser Frage besonders hilft, ist der Arbeitskräftemangel, der aus demografischen Gründen entsteht. Da müssen sich Arbeitgeber dann überlegen, Leute nicht nur bis 55 oder 60 Jahren zu beschäftigen.

Die große Hoffnung des Finanzministers ist, dass die Konjunktur anspringt. Zuletzt hat es Wirtschaftsforscher gegeben, die optimistisch geklungen haben. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Fünf Mal sind davor Prognosen immer nach unten revidiert worden. Das hat auch zu der schlechten Stimmung beigetragen. Jetzt zeigt die Richtung zum ersten Mal wieder ein wenig nach oben. Vielleicht folgt bald ein zweites Mal, was eben für die Stimmung wichtig ist. Das alles hat auch gute Grundlagen. Wir sehen in der Industrie, die zwei schwere Jahre hinter sich hat, in denen die Produktion bis zu zehn Prozent zurückgegangen ist, eindeutig eine Stabilisierung und Erholung. Wir sehen das auch in der Bauwirtschaft, im privaten Wohnungsbau, bei den Kreditvergaben. Wir sehen es auch in der Konsumnachfrage.

Da hat die Sparquote gezeigt, wie zurückhaltend und vorsichtig die Menschen geworden sind.

Wir hatten 2022 noch acht Prozent Ersparnisse am verfügbaren Einkommen, im vergangenen Jahr waren es elf Prozent. Die Leute sind vorsichtiger geworden, weil die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Wenn jetzt wieder ein bisschen mehr nachgefragt bzw. konsumiert wird und die Leute optimistischer sind, dann nutzt das uns allen. Ich bin jedenfalls vorsichtig optimistisch. Ich glaube nicht, dass der Riesenaufschwung vor der Tür steht, aber die Stabilisierung ist eindeutig, und es geht tendenziell nach oben.

Zum Budgetloch des Staates hat auch die Österreichische Gesundheitskasse beigetragen. Jetzt ist die Debatte aufgetaucht, die Zusammenlegung der Gebietskrankenkassen zur ÖGK wieder rückgängig zu machen. Wie sehen Sie das?

In der Art und Weise, wie es umgesetzt worden ist, war die Zusammenlegung der Krankenkassen sicher keine gute Idee. Da wurden im Vorfeld Versprechungen gemacht wie die Patientenmilliarde, von der man von Anfang an wusste, dass das nicht passieren wird.

Dennoch hat es davor die Kritik des Rechnungshofes gegeben, dass ein kleines Land wie Österreich zu viele Sozialversicherungsträger hat.

Deswegen braucht man auch nicht in die Zeit vor der Reform zurückgehen. Man muss vielmehr das System weiterentwickeln, so wie das in Österreich immer wieder passiert. Wir benötigen auch mehr Koordination in dem Bereich. Alle Beschäftigten sind uns, wenn sie krank werden, gleich viel wert in Bezug auf die Leistungen.

Wenn es um Strukturmaßnahmen geht, muss über die Transparenzdatenbank geredet werden. Der ehemalige ÖVP-Finanzminister Josef Pröll hat sie eingeführt, um Doppelförderungen von Bund und Ländern sichtbar zu machen. Ist diese ein wirksames Instrument?

Ich halte eigentlich viel von dieser Reform, die Josef Pröll als Finanzminister geschafft hat. Entscheidend ist die Transparenz, wenn öffentliche Mittel ausgegeben werden. Das System ist sinnvoll, es gibt aber Verbesserungsbedarf.

Sollte mehr eingemeldet werden?

Genau. Bislang waren die Einmeldegrenzen für die Veröffentlichung von Förderungen mit über 10.000 Euro sehr hoch. Wir setzen das jetzt bei Förderungen an nicht natürliche Personen auf 1.500 Euro herunter, sodass wir noch mehr Förderungen erfassen. Das ist ein weiterer Schritt in eine positive Richtung.

In all Ihren bisherigen Interviews haben Sie trotz des Budgetlochs immer sehr viel Zuversicht verbreitet. Was müsste passieren, dass diese Zuversicht ins Wanken geraten könnte?

Wenn wir nicht so gut arbeiten würden, dann wäre ich auch nicht so zuversichtlich. Gerade im Finanzministerium arbeiten wir mit sehr viel Expertise. Die Beamtinnen und Beamten wissen im Detail, wie es mit den gesamten Staatsausgaben aussieht. Genauso ist das auf der Einnahmenseite. Auf Basis dieser Expertise versuchen wir, politische Weichenstellungen zu machen. Das gelingt bis jetzt ganz gut. Die ersten vier Monate stimmen mich optimistisch. Es ist noch viel Arbeit zu tun, aber es besteht momentan kein Grund, nicht zuversichtlich zu sein.

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