Fernduell Kern & Kurz: Der Probelauf für den Wahlkampf

Kontrahenten: Kanzler Kern und Minister Kurz versuchen in deutschen Medien und im Netz Profil und Terrain zu gewinnen
Der rote Kanzler spricht in FAZ, Bild und Zeit, der schwarze Herausforderer ist Stargast in Talkshows: Christian Kern und Sebastian Kurz nutzen zunehmend deutsche Medien und das Netz, um Profil zu gewinnen.

Der Rahmen ist opulent. In der Säulenhalle des Wiener Museums für angewandte Kunst, gestaltet im florentinischen Renaissancestil, trifft Christian Kern auf einen Großen der Medienbranche: Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, spricht morgen mit Österreichs Bundeskanzler über dessen Umstieg vom ÖBB-Haus in das Regierungsgebäude – und über die politische Lage im Land.

Es ist wieder einer dieser Termine mit einem deutschen Qualitätsblatt, ein Abend ganz nach dem Geschmack des Kanzlers. Erst vor Kurzem sprach Kern mit der Bild-Zeitung über die Flüchtlingscausa; und nur wenige Wochen zuvor hatte er – zur Irritation der ÖVP – in der angesehenen Frankfurter Allgemeinen Zeitung seine wirtschaftspolitischen Visionen in einem Kommentar deponiert.

Das mediale "Spiel über die Bande" hat für den SPÖ-Chef einen wesentlichen Vorteil: Zum einen gewinnt er per se an staatsmännischer Kontur – nicht jeder darf in der FAZ kommentieren oder wird von Deutschlands auflagenstärkster Tageszeitung nach seiner Meinung gefragt. Dem nicht genug, beeinflusst eine positive Kommentierung im Ausland auch die Art und Weise, wie sich inländische Medien mit Kern beschäftigen.

"Rampensau"

Wie stark dieser Effekt sein kann, das hat Kerns politisch schärfster Konkurrent in der ÖVP, Sebastian Kurz, schon vor Jahren gesehen: Nachdem der Spiegel im Sommer 2014 in einem mehrseitigen Porträt über das "Talent zur Rampensau" frohlockt hatte, kamen auch heimische Medien nicht umhin, sich noch mehr den Fähigkeiten des derzeit wohl größten Polit-Talents in der Volkspartei zu widmen.

Wenig erstaunlich, hat der 30-jährige Außenminister die Strategie seither konsequent beibehalten – und ist in diesen Tagen ebenfalls im benachbarten Deutschland ausnehmend rührig.

Auch Kurz gibt deutschen Qualitätsmedien mehr Interviews als viele seiner Vorgänger, zuletzt etwa in der Welt am Sonntag. Er ist regelmäßig im deutschen Fernsehen zu Gast – und lässt bei Politik-Sendungen wie Anne Will bundesdeutsche Minister neben sich aussehen wie "Schuljungen". Zumindest sehen es manche Kommentatoren im benachbarten Feuilleton so.

Auftritte, Interviews und Gastkommentare: All das gehört bei beiden zu einer umfassenden Vermarktungsstrategie, die bereits im Hinblick auf den sich ankündigenden Nationalratswahlkampf zu sehen ist.

Vorgänger überflügelt

Bei Kern reichen die Anstrengungen deutlich über jene seines Vorgängers Werner Faymann hinaus.

Der nutzte vor allem den heimischen Boulevard, um seine Botschaften unter das Volk zu bringen. Und auch ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner steht beim Marketing Kurz hinten nach.

Abgesehen von der offensiven Nutzung der klassischen Medien ist sowohl bei Kern wie auch bei Kurz in der jüngeren Vergangenheit eine deutliche Intensivierung der Online-Aktivitäten zu bemerken.

Stichwort Twitter: Im Gegensatz zu vielen anderen Politikern twittern beide gerne selbst. Und zwar nicht nur klassischen Parteisprech, Kern reagiert auch auf andere Poster. Mitunter flapsig.

So replizierte er dem Grün-EU-Mandatar Michel Reimon: "Sagenhaft. Während die Krone weiß, wo man Texte der EU runterladen kann, wartet ein EU-Abg, darauf, dass man ihm die Texte nachträgt?"

Wohl untertrieben ist, was Kern diese Woche auf die selbst gestellte Frage antwortet, wie lange er im Schnitt täglich twittere: "Schätze 15 Minuten. Sprich: hab heute noch 9 offen."

Joggen im Central Park

Stichwort Facebook: Das soziale Online-Netzwerk nutzen beide Polit-Protagonisten mit zunehmender Intensität. Da werden Fotos verschickt, auf denen der Kanzler nach dem Vorbild großer Staatsmänner im Central Park joggt. Und wenn – wie zuletzt am Donnerstag – der "Anlass" passt, wird von Kerns Team ein Video des Elvis-Songs "A little less conversation, a little more action" ins Netz gehievt, um die Budgetrede von ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling zu kommentieren: Weniger reden, mehr tun.

Für Sebastian Kurz sind tägliche Online-Videos von Firmenbesuchen oder Treffen mit ausländischen Staatschefs längst Routine. Seit wenigen Tagen bietet er ein zusätzliches "Service": Immer am Wochenbeginn präsentiert Kurz, ganz Moderator, die "Highlights" der anstehenden Arbeitswoche.

Zumindest auf Facebook ist das Wahlduell Kern-Kurz übrigens klar entschieden: Während der Kanzler auf rund 82.700 Fans kommt, hat Herausforderer Kurz mehr als 322.000 Fans hinter sich.

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