F*ck Hofer: Problemkinder der linken Szene

F*ck Hofer: Problemkinder der linken Szene
Eine kleine linke Splittergruppe provoziert mit einer Demo einen Tag vor der Wahl. Was geht in den Aktivisten vor?

Da hilft alles Bitten und Flehen nichts: Eine linke Gruppe wird wohl an ihrer geplanten Demo am Samstag in Wien festhalten. Unter dem Titel „F*ck Hofer“ wollen die Aktivisten von der Mariahilferstraße bis vor die FPÖ-Parteizentrale hinter dem Rathaus ziehen. Eine Demo, wie sie in Wien unzählige Male im Jahr stattfindet. Aber dieses Mal ist die Ausgangslage anders. Sie kommt just am Tag vor einer Bundespräsidentenwahl, die das Land polarisiert hat.

Das Wahlteam Van der Bellens distanzierte sich prompt von der Aktion. Seit Tagen versuchen seine Anhänger die Organisatoren der Demo auf Facebook davon zu überzeugen, sie abzusagen. Die Demo würde Van der Bellen eher schaden und Norbert Hofer nützen, so der Tenor. "Eine bessere Wahlwerbung für Hofer könnt ihr nicht machen. Am Tag vor der Wahl", schreibt etwa Helmut G. Bis Freitagmittag hatten rund 200 Personen auf Facebook ihre Teilnahme zugesagt. Die Zahl der kritischen Kommentare auf der Veranstaltungsseite ist viermal so hoch.

Warum veranstalten Hofer-Gegner eine Demo, die Hofer nützen könnte?

„Wir möchten den Gegnern von Hofer den Rücken stärken. Unsere Motivation ist es, zu seiner Niederlage beizutragen“, sagt David Albrich, 30, Mitarbeiter der „Neuen Linkswende“, jene Gruppe, die die Demo organisiert. Sein Name steht auf dem Anmeldeformular der Versammlung. „Es geht nicht darum, welche Wähler verschreckt werden, sondern die Leute wieder zur Wahl zu bringen.“ Dass seine Gruppe mit der Aktion eher das Gegenteil als „Stärkung“ bewirken könnte, glaubt Albrich nicht. Vielmehr wähnt er einen großen Teil der Öffentlichkeit links der Mitte hinter sich.

Einsame Demo

Mit dieser Ansicht steht die Linkswende selbst in der linken Szene ziemlich alleine da. Die Demo wird von keiner anderen Gruppe unterstützt. Mitte der Neunziger gegründet, ist die Neue Linkswende eine laut Eigendefinition eine antikapitalistische, trotzkistische sozialrevolutionäre Organisation. Von außen gesehen ist sie eine der zahlreichen Splittergruppen am extremen linken Rand des politischen Spektrums, wo etwa auch die anarchistische geprägte autonome Szene angesiedelt ist. Der Verein gibt eine Zeitschrift heraus, organisiert Seminare und Demonstrationen, vor allem für Flüchtlinge und gegen die FPÖ. Finanziert wird das ganze laut Albrich über Spenden und Beiträge der nur 50 Vereinsmitglieder.

Eigentlich sind die Aktivisten der Linkswende aber gar keine Van der Bellen-Anhänger. „Man kann sagen, dass wir mehr gegen Hofer sind, als für Van der Bellen. Ich werde Van der Bellen wählen, aber ich muss schon schlucken dabei“, sagt Albrich. Van der Bellen sei der Kandidat des Establishments, das nicht auf die Leute höre, die EU zu unkritisch sehe und Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA befürworte. Alles Dinge, die die Linkswende ablehne.

Protest mit Erdogan-Fans

Dass die Linkswende nun alleine zur Demonstration aufruft, ist nicht weiter verwunderlich. Die Gruppe hat sich in letzter Zeit wenige Freunde gemacht. Zuletzt sorgte sie wegen einer Demonstration gegen den Militärputsch in der Türkei im vergangenen Sommer für Wirbel in der linken Szene. Die Neue Linkswende hatte gemeinsam mit der Erdogan-nahen türkischen Organisation UETD demonstriert. Während der Demonstration wurde der Gastgarten eines kurdischen Lokals verwüstet.

Angesichts massiver Kritik rangen sich die Verantwortlichen der Linkswende zwar mit einiger Verspätung ein Fehlereingeständnis ab. Trotzdem wurde die Gruppe anschließend aus dem linken Bündnis „Offensive gegen Rechts“ ausgeschlossen, das unter anderem für Demonstrationen gegen den Wiener Akademikerball verantwortlich zeichnet und kurdische Aktivistengruppen miteinschließt. Sie schrauben bei ihren Protesten ihre Kriterien sehr weit nach unten, um Unterstützung zu kriegen, das ist unser Vorwurf“, sagt Christoph Altenburger, ein Aktivist der Offensive gegen Rechts. „Es ist eine kleine Gruppe. Sie haben Punkte, wo sie mediale Aufmerksamkeit generieren. An sich sind sie in der linken Szene aber nicht sehr bedeutend.“

Struktureller Antisemitismus?

Noch vor dem Eklat rund um die Militärputsch-Demo im Sommer beschloss die grüne ÖH-Fraktion „Grünen & Alternativen Student_innen“ (GRAS) ihrerseits den Rückzug aus der „Offensive gegen Rechts“. Der Grund: Antisemitismusvorwürfe gegen mehrere Bündnisgruppen, darunter auch die Neue Linkswende, die im Nahostkonflikt für die Palästinenser Position bezogen hat. „Wir halten ihren politischen Zugang für problematisch", sagt GRAS-Menschenrechtsreferentin Lena Köhler. "Das ausgeprägte Gut-Böse-Denken, die Dämonisierung der USA und Israels, das Fehlen einer kritischen Auseinandersetzung mit den eigenen Positionen und die mangelnde Kritik am strukturellen Antisemitismus — das ist für uns ein veralteter Zugang zu Politik."

Die Linkswende habe außerdem schon bessere Zeiten erlebt. „Unserer Einschätzung nach sind sie in Auflösung begriffen“, sagt Köhler. „Man hat das Gefühl, dass sie wegen Schnellschuss-Aktionen in der linken Öffentlichkeit nicht mehr ernstgenommen werden.“

Den Antisemitismusvorwurf weist Linkswende-Vertreter David Albrich zurück. „Da können Sie unsere israelischen Mitglieder fragen, die ebenfalls für die gleichen Rechte von Arabern eintreten“, sagt Albrich. „Wir bekämpfen Antisemitismus.“

Auf in den Kampf

Offensive, Defensive, kämpfen und bekämpfen sind zentrale Begriffe in der Rhetorik der Linkswende und anderer linker Randgruppen. Und am heftigsten bekämpfen Linkswende-Mitglieder die FPÖ. Die Welt teilen sie in blau und nicht-blau ein. Die FPÖ gilt für sie als Wegbereiterin des Faschismus, der bald auch wieder in Österreich herrschen könnte. „Nazismus, Völkermord und Krieg hätten verhindert werden können, wenn Antinazis und Demokraten die Gefahr rechtzeitig erkannt und gemeinsam den Kampf gegen die braune Pest geführt hätten“, heißt es in einem Facebook-Aufruf zur F*ck-Hofer-Demo, ein Zitat eine KZ-Überlebenden. Wer die Beiträge und Aufrufe der Linkswende liest, könnte den Eindruck gewinnen, im Jahr 1933 zu leben.

Ob Gewalt ein legitimes politisches Mittel ist, beantwortet Albrich so: „Ich finde es ist gerechtfertigt, sich aufgehetzten Leuten in den Weg zu stellen. Deutschnationalen mit dem Einsatz des eigenen Körpers etwa den Zugang zur Hofburg zu verwehren ist eine gerechtfertigte Form von Gewalt und ziviler Ungehorsam.“ Die Linkswende gilt in der Szene jedenfalls als friedliche Gruppe, die auch auf Demonstrationen bisher nicht als gewalttätig aufgefallen ist.

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