Fachkräfte: Regierung setzt auf Frauen und Ältere statt Zuwanderer

Die ÖVP-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck will Frauen und Ältere forcieren, um das Fachkräfteproblem zu lösen.

KURIER: Frau Minister, Sie sind mehr als sieben Monate im Amt. Wie erleben Sie den Umstieg von der Privatwirtschaft in die Politik?

Margarete Schramböck: Ich erleben den Umstieg extrem spannend. Es gibt eine große inhaltliche Breite, die man abdecken kann. Und ich kann viele Dinge vorantreiben und umsetzen, wo ich mir schon immer gedacht habe, das müsste eigentlich gemacht werden. Daher macht es mir sehr viel Spaß.

Das türkis-blaue Leitmotiv ist, nicht zu streiten. Das scheint nach innen sehr gut zu funktionieren, nach außen gibt es schon den einen oder anderen Misston. Man denke an die Kritik der Länder, die scharfe Kritik der Gewerkschaft, der Umweltschützer etc. Ist das Taktik?

Wenn man im Team arbeitet, geschieht es immer wieder einmal, dass jemand anderer Meinung ist und Kritik äußert. Das darf intern so sein, das soll auch so sein. In meinem Bereich arbeite ich intensiv und gut mit den Ländern zusammen.

Beispiel 12-Stunden-Tag: Die Sozialpartner waren nicht eingebunden, es gab keine normale Begutachtung. Da konnte man schon den Eindruck gewinnen, die Regierung legt sich bewusst mit der Gewerkschaft an.

Dieses Thema wurde über viele Jahre diskutiert. Da gab es viele Vorarbeiten, an denen wir uns orientiert haben. Wir haben uns nah an den Plan A von Ex-Bundeskanzler Christian Kern gehalten. Wir haben das, was die Sozialpartner ausgearbeitet haben, berücksichtigt. Da kann niemand überrascht sein. Man kann uns vorwerfen, dass wir umsetzen. Aber das ist ein Vorwurf, den ich mir gerne gefallen lasse.

Die Bundesregierung hat aber in letzter Minute noch eins drauf gelegt und beschneidet obendrein noch die Mitspracherechte der Betriebsräte. Das bringt die Gewerkschaft natürlich besonders auf die Palme. Erwarten Sie deshalb Streiks?

Wir haben lediglich einen Rechtsrahmen auch für jene Mitarbeiter geschaffen, die nicht durch Betriebsräte vertreten werden und immerhin sind das in Österreich sehr viele. Ein Großteil arbeitet in mittelständischen Betrieben, wo sie auf Anordnung jetzt schon die neunte und zehnte Stunde arbeiten. Das können sie sich nicht aussuchen. In Zukunft arbeiten sie die elfte und zwölfte Stunde, können sich aber aussuchen, ob sie das wollen oder nicht. Damit haben wir nur Rechtssicherheit geschaffen. Darüber hinaus bleiben der gesetzliche 8-Stunden-Tag und die 40-Stunden-Woche weiter bestehen.

Zur Person: Margarete Schramböck (48):

Die gebürtige Tirolerin (St. Johann), studierte an der WU in  Wien und startete ab 1995 ihre Berufslaufbahn bei Alcatel. Von Mai 2016 bis Oktober 2017 war sie Chefin der A1 Telekom. 2017 wurde Schramböck sowohl Tirolerin wie auch WU-Managerin des Jahres. Bei Türkis-Blau ist sie Bundesministerin für die Digitalisierung und den Wirtschaftsstandort.

Fachkräfte: Regierung setzt auf Frauen und Ältere statt Zuwanderer

Schramböck im Gespräch mit KURIER-Redakteur Bachner. Im Hintergrund das dreiteilige Bild „Strange Trees – Trees in Metamorphosis“ der österreichischen Künstlerin Alice Blum-Mavrogordatoder 

Sie erwarten also keine Streiks, weil sich der 12-Stundentag in der Praxis einspielen wird, wenn ich Sie richtig verstehe?

Ja, so ist es.

Aber selbst ihr Tiroler ÖVP-Landeshauptmann Günther Platter hat gesagt, das Vorgehen der Regierung war überfallsartig, das schaffe nur Verunsicherung.

Er hat vor allem gesagt, dass der 12-Stundentag in der Sache richtig ist. Und das ist das Entscheidende.

Thema Zuwanderung: In jedem Expertenpapier der letzten Jahren steht, dass Österreich 50.000 bis 70.000 Zuwanderer pro Jahr braucht, um den Wohlstand aufrechtzuerhalten. Die Regierung tut alles, um Asyl, Migration und Zuwanderung hintanzuhalten, zu stoppen. Wie wollen Sie diesen Widerspruch auflösen?

Mein zentrales Thema sind die Fachkräfte. Dieses Thema kann man nur mit dem Fokus auf neue Zielgruppen lösen. Das sind für mich die Frauen und ältere Arbeitnehmer. Da spreche ich sogar von den über 20-Jährigen. In Deutschland machen 25 Prozent nach der Matura eine Fachkräfteausbildung, in Österreich nur fünf Prozent. Und nur ein Drittel aller Lehranfänger ist weiblich und davon machen 44 Prozent drei Lehrberufe, nämlich Friseurin, Handel und Büro. Da haben wir das Potenzial in Österreich nicht ausgeschöpft. Da brauche ich gar nicht auf die Asylwerber zu schauen, mit diesem Thema werde ich das Fachkräfteproblem niemals lösen, sondern ich muss neue Zielgruppen erschließen. Coding, Programmierung, E-Commerce-Kaufmann, das sind alles Berufe, die es ab Herbst geben wird. Zusätzlich gibt es die duale Akademie, die gerade in Oberösterreich im Testlauf ist. Das sollten zwei Jahre nach der Matura mit verkürzter Lehrzeit, mit eigenen Klassen und speziellen Themen sein. So werden wir das Fachkräfteproblem lösen.

Von Ihnen stammt der Ausspruch: Die Lehre darf keine Hintertür für Asyl sein. Bleiben Sie dabei? Es gibt mehr und mehr Leute bis hin zu Landeshauptmann Wilfried Haslauer aus Salzburg, die sagen, junge Asylwerber, die sich engagieren, integrieren, eine Lehre machen, sollen bleiben dürfen.

Da werden zwei komplett unterschiedliche Themen miteinander vermischt. Mir ist wichtig, dass die Firmen, die einen Asylwerber einstellen, wissen, dass das auch positiv ausgehen kann. 60 Prozent bekommen ja ein positiven Bescheid und bleiben hier, da hat das großartig funktioniert. Über die redet aber niemand. 30 bis 40 Prozent bekommen einen negativen Bescheid, weil kein Asylgrund da ist. Ich sage: Recht muss Recht bleiben. Das eine ist der Fachkräftemangel, das andere ist das Asylverfahren. Diese beiden Themen dürfen wir nicht vermischen.

Sie sind auch Ministerin für Digitalisierung. Im Rahmen der EU-Präsidentschaft fand soeben ein diesbezüglicher Ministerrat in Wien statt, wo viele Themen bis hin zur Robotik und künstlichen Intelligenz angesprochen wurden. Welche Initiativen schweben Ihnen da in nächster Zeit vor?

Unsere Chance in der Digitalisierung ist ganz klar, dass wir bereits abgewanderte Industrien nach Österreich zurückholen können. Ein gutes Beispiel ist Infineon. Halbleiterindustrie gibt es primär in China und den USA, aber jetzt diese Großinvestition in Villach. Oder die Voest. Ein voll digitalisiertes Stahlwerk, das modernste der Welt, wird in Kapfenberg errichtet und nicht in China oder in den USA.

Wir arbeiten an einem Papier, an einer Strategie für die Reindustrialisierung Europas. Wie können wir neue Arbeitsplätze schaffen und dafür auch die künstliche Intelligenz und Robotik nutzen. Wir müssen ganz praktisch schauen, dass die Leitbetriebe in Europa gestärkt werden und die Investitionen wieder zurück kommen.

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