Expertin: "Karl Nehammer wird Orbáns politischen Kurs nicht ändern"

Wenn Karl Nehammer am Donnerstag den ungarischen Premier Viktor Orbán im Kanzleramt empfängt, dann begibt sich Österreichs Regierungschef auf heikles Terrain. Es ist das erste bilaterale Treffen der beiden Regierungschefs, abseits von EU-Gipfeln und Co.
Orbán hat sich in Europa weitgehend isoliert, und das hat viel mit seiner tendenziell Russland-freundlichen Haltung im Ukraine-Krieg, seiner Kritik an den EU-Sanktionen sowie mit seinen mittlerweile offen rassistischen Ausfällen zu tun – wie zuletzt bei seiner Rede im rumänischen Baile Tusnad.
Warum trifft Karl Nehammer einen Außenseiter wie Orbán? Was erhofft er sich davon?
Müsste man Österreichs Haltung gegenüber Ungarn in einem Satz zusammenfassen, dann würde er so lauten: Nicht mit Budapest zu reden, ist keine Option.
Und daran ändert auch die Tatsache recht wenig, dass Viktor Orbán die rhetorische Provokation mittlerweile zum Teil seines Erfolges gemacht hat.
Professionelle Beobachter sehen die Lage sehr ähnlich wie das Kanzleramt. "Grundsätzlich sind gegenseitige offizielle Besuche wichtig und de facto alternativlos", sagt Daniela Apaydin, Ungarn-Expertin am Institut für den Donauraum und Mitteleuropa.
Grenzüberschreitung
Österreich exportiert Waren im Wert von mehr als sechs Milliarden Euro nach Ungarn, gezählte 1.400 heimische Unternehmen haben zur Zeit eine Niederlassung in Ungarn.
"Es gibt viele gemeinsame wirtschaftliche und politische Interessen", sagt Apaydin. Da gehe es um Fragen der Migration oder auch um die Stabilität der Länder des Westbalkans. "Hier hat Österreichs Bundesregierung – ungeachtet von moralischen Vorstellungen – ganz pragmatisch eine Verpflichtung, die Interessen seiner Bevölkerung zu vertreten."

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) will heute Klartext reden
Hegt Nehammer allenfalls den Anspruch oder die Hoffnung, Orbáns Haltung oder Politik zu ändern?
Expertin Apaydin hofft, dass dem nicht der Fall ist. Denn sie ist überzeugt, dass Wien keinen überbordenden Einfluss auf den Ungarn hat: "Karl Nehammer wird Orbáns politischen Kurs nicht ändern können, das muss man klar so benennen. Orbán ist seit 2010 durchgängig an der Macht und hat in dieser Zeit acht österreichische Kanzler erlebt."
Was aber kann dann das Ziel sein? Für Nehammers Koalitionspartner, die Grünen, ist die Angelegenheit ziemlich klar: Viktor Orbán sieht Ungarn nicht mehr als Teil des westlichen Demokratie- und Lebensmodells und hofiert den Kriegstreiber Putin. "Und vor diesem Hintergrund", so lautet die grüne Parteilinie, "kann es sinnvoll sein, das Gespräch mit Orbán zu suchen und genau jene Punkte zu adressieren."
Klartext
Soll heißen: Die Grünen erwarten sich, dass Nehammer mit Orbán Klartext spricht.
Dieser hat angekündigt, das auch zu tun, besonders in Bezug auf Orbáns rassistische Rede: "Jeder, der mich kennt weiß, dass ich das direkte Gespräch nicht scheue", sagte Nehammer am Mittwoch nach dem Sommerministerrat.
Im Umfeld des Kanzlers heißt es: Genau das wird passieren. Immerhin habe man sich auch im April mit Wladimir Putin sehr direkt und ausnehmend hart ausgetauscht.
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