Josef Riegler: Im Gegenteil! Ich erlebe Erfüllung. Es gibt ja den Spruch, dass neue Ideen 30 Jahre brauchen bis sie wirklich ankommen. Jetzt ist es eben so weit. Die Zeit ist reif, UNO, OECD, Währungsfonds und viele andere sprechen von der „Green and inclusive Economy“, also von einem ökologisch nachhaltigen Wirtschaftssystem. Natürlich besteht die Gefahr, dass politisch wichtige Akteure die Entwicklung bremsen. Aber der Prozess läuft endlich und jetzt geht es darum, ob wir schnell genug sein können.
Schnell genug womit?
Mit den nötigen Veränderungen. Die Menschheit ist an einem entscheidenden Punkt angekommen, unsere Zivilisation steht vor einer dramatischen Herausforderung. Wenn wir die Erde weiterhin mit dem -Ausstoß von 35 Milliarden Tonnen pro Jahr belasten, haben wir noch zehn Jahre Zeit, bis irreversible Dinge in Gang gesetzt werden.
Was zum Beispiel?
Wenn es so warm wird, dass in Sibirien der Permafrost auftaut oder Polkappen abschmelzen, kippt das System, dann steigen die Temperaturen um drei bis sieben Grad, und die Erde kommt in eine Situation, in der sie zuletzt vor drei Millionen Jahren war – allerdings gab es da noch keine Menschen.
Angesichts dieser Dramatik stellt sich die Frage: Ist die Politik, sind die vorgeschlagenen Reformen mutig genug?
Ja und nein. Man muss sehen, dass das Bewusstsein zunimmt, und ich hoffe, dass die Initiative für ein Klimavolksbegehren deutlich Fahrt aufnimmt. Greta Thunberg und ihre Bewegung sind ein Geschenk des Himmels.
Inwiefern?
Die Bewegung trifft offenkundig einen Nerv und ist ein Anstoß, dass die Politik schneller und konkreter vorankommt. Wenn der Druck von unten, also von den Bürgern, spürbar wird, dann bietet das auch in Österreich Chancen für eine noch mutigere Politik.
Die vorgesehenen Akzente in der Steuerreform waren nicht mutig genug?
Das waren erste, zarte Ansätze. Aber wenn man das Prinzip einer ökosozialen Marktwirtschaft umsetzen will, darf man vom Grundprinzip der ehrlichen Preis-Ausschilderung nicht abgehen. Und das bedeutet: muss durchgehend als das erkennbar werden, was es ist, nämlich: ein Problemstoff.
Wir brauchen eine -Steuer?
In Schweden gibt es längst ein Modell, das den -Verbrauch fair belastet und dennoch dafür sorgt, dass kein Einzelner, kein Haushalt und auch nicht die Wirtschaft zusätzlich belastet werden.
Das klingt, als müssten wir uns in Zukunft massiv einschränken.
Nein, es geht eben nicht um Verzicht! Bleiben wir bei Schweden: Im Prinzip geht es darum, dass alles, wo fossiler Brennstoff verbrannt wird, mit einem Preis versehen ist – konkret mit 120 Euro pro Tonne . Das führt dazu, dass Treibstoffe etwa um 30 Cent pro Liter teurer werden.
Also doch Mehrbelastung …
Aber nur dann, wenn ich mit dem SUV durch Wien fahre oder dreimal im Jahr nach Neuseeland fliege. Denn parallel zur -Abgabe wird ein Klimabonus eingeführt, der 200 Euro pro Kopf und Jahr beträgt – also 800 Euro aufs Konto einer vierköpfigen Familie. Unternehmen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen, wären von der Abgabe befreit, und für alle Unternehmen könnten die Lohnnebenkosten um einen Prozentpunkt gesenkt werden. Pendlern sowie Land- und Forstwirten würden die Mehrkosten abgegolten. Es käme also niemand zu schaden – es sei denn, er oder sie lebt auf Kosten der Umwelt.
Mit Verlaub, aber kann und soll Österreich so ein System einfach im Alleingang einführen?
Schweden tut das längst, und dass neue Regelungen in einer globalisierten Welt nicht funktionieren, ist ein Argument der Bremser. Als ich in der Politik war, war man stolz darauf, Vorreiter zu sein. Österreich hat als erstes Land Katalysatoren eingeführt, und wir waren schon damals ein export-orientiertes Land. Natürlich rettet Österreich allein das Weltklima nicht. Aber wenn wir immer darauf warten, dass die anderen etwas tun, dann passiert überhaupt nichts.
Sie haben gesagt, es geht beim Klimaschutz nicht um Verzicht. Was kann der Einzelne besser oder anders machen?
Es beginnt beim täglichen Einkauf. Fragen wir uns doch einfach, was es bedeutet, wenn man im Winter Weintrauben aus Südafrika oder Äpfel aus Südamerika kauft. Was bedeutet das für den Transport? Und vielleicht überlegt man sich vor dem einen oder anderen Billig-Flug innerhalb Europas, ob man nicht mit dem Zug fahren könnte. Das Konsumverhalten kann jeder ändern und beeinflussen – und es ist für das Weltklima entscheidend.
Kommentare